VwGH Ra 2021/19/0072

VwGHRa 2021/19/007219.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M S N in F, vertreten durch die Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2020, W203 2197102‑1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190072.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Maidan Wardak, stellte am 10. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er vor, dass ihm als Hazara und Schiit Verfolgung durch die Taliban drohe.

2 Mit Bescheid vom 9. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. November 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG ‑ soweit hier relevant ‑ aus, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit drohe. Auch sei es ihm nicht gelungen, eine drohende Verfolgung durch die Taliban oder eine sonstige politische Gruppierung glaubhaft vorzubringen. Ebenso erweise sich das in der mündlichen Verhandlung erstmals erstattete Vorbringen zu einer ernsthaften und nachhaltigen Konversion des Revisionswerbers zum Christentum als nicht glaubhaft. Selbst unter der Annahme, der Revisionswerber habe sich tatsächlich ernsthaft und nachhaltig dazu entschieden, nach dem christlichen Glauben zu leben und auch die Taufe anzustreben, sei nicht davon auszugehen, dass er seinen neuen Glauben bei einer Rückkehr nach Afghanistan wahrnehmbar ausleben werde.

5 Mit Beschluss vom 18. Jänner 2021, E 4419/2020‑5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das BVwG habe die Beweiswürdigung sowohl hinsichtlich des vorgebrachten Glaubenswechsels als auch der Verfolgung durch die Taliban in unvertretbarer Weise vorgenommen. Zudem habe das BVwG die Aussagen der einvernommenen Zeugin, die die Bemühungen des Revisionswerbers um Anschluss in der christlichen Gemeinde bestätigt hätte, nur oberflächlich berücksichtigt und keine näheren, ins Detail gehenden Ermittlungstätigkeiten zu den religiösen Aktivitäten des Revisionswerbers vorgenommen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof ist (als Rechtsinstanz) zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.10.2020, Ra 2020/19/0258, mwN).

9 Im vorliegenden Fall hat sich das BVwG mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und sprach diesem in einer auf den Einzelfall Bedacht nehmenden Beweiswürdigung, in die auch der durch das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck miteinbezogen wurde, die Glaubhaftigkeit ab. Hinsichtlich der behaupteten Konversion war es für das BVwG nicht nachvollziehbar, dass der Glaubenswechsel des Revisionswerbers, der nach eigenen Angaben bereits vor seiner Einreise nach Österreich sein Interesse für das Christentum entdeckt habe, weder bei seiner Erstbefragung im Mai 2016 noch bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde im März 2018 und auch nicht in der Beschwerdeschrift vom Mai 2018 Erwähnung gefunden habe. Obwohl das Interesse des Revisionswerbers nach dessen Angaben bereits Anfang 2016 vorgelegen sei, habe er erstmals im Juli 2020 durch Besuch der Gottesdienste aktiv am kirchlichen Leben teilgenommen. Zudem sei die zeitliche Nähe zwischen dem Beginn kirchlicher Aktivitäten und dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auffällig. Das BVwG würdigte auch die zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Beweisergebnisse, wie die Aussage der Zeugin, die einen ernsthaften und nachhaltigen Entschluss des Revisionswerbers nach dem christlichen Glauben zu leben, bestätigte, sein solides religiöses Wissen sowie die trotz des langen Anreisewegs besuchten Gottesdienste, hielt jedoch zusammenfassend fest, dass der Revisionswerber nicht ernsthaft und nachhaltig zum Christentum konvertiert sei.

10 Der vorliegenden Revision gelingt es mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des BVwG fallbezogen unvertretbar erfolgt wäre.

11 Zudem rügt die Revision, das BVwG habe es unterlassen, ins Detail gehende Ermittlungstätigkeiten zu den religiösen Aktivitäten des Revisionswerbers vorzunehmen.

12 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 20.8.2020, Ra 2020/19/0239, mwN).

Die Revision zeigt mit ihren nicht weiter substantiierten Ausführungen nicht auf, welche weiteren Ermittlungen notwendig gewesen wären.

13 Nachdem sich das BVwG tragend darauf stützt, dass der Revisionswerber nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei, war auf das weitere Zulässigkeitsvorbringen, das von einer ernsthaften und nachhaltigen Konversion ausgeht, nicht weiter einzugehen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. März 2021

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