VwGH Ra 2021/19/0042

VwGHRa 2021/19/004210.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der F A, vertreten durch Mag.Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. September 2020, W254 2214971‑1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021190042.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige des Iran, stellte am 5. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte sie vor, sie werde aufgrund ihrer Konversion zum Christentum und ihrer Ausübung des christlichen Glaubens sowie missionarischer Tätigkeiten von den iranischen Behörden verfolgt.

2 Mit Bescheid vom 25. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin erachtete das BVwG als nicht glaubwürdig. Die Revisionswerberin sei nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Es liege eine bloße Scheinkonversion vor. Auch sei sie den iranischen Behörden bislang mangels öffentlich wahrnehmbarer Aktivitäten in Bezug auf das Christentum nicht aufgefallen.

5 Mit Beschluss vom 9. Dezember 2020, E 3986/2020‑5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1aVwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision wendet sich zu ihrer Zulässigkeit gegen die Beweiswürdigung und bringt vor, das BVwG sei für die Annahme einer bloßen Scheinkonversion „eine nachvollziehbare Begründung schuldig“ geblieben und habe einen „Maßstab für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Konversion“ angelegt, der nicht nachvollziehbar sei.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser ‑ als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 22.6.2020, Ra 2020/19/0151, mwN).

11 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2020/19/0122, mwN). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/19/0227, mwN).

12 Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum nicht entscheidend ist, ob der Religionswechsel bereits ‑ durch die Taufe ‑ erfolgt oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2020/19/0053, mwN).

13 Im vorliegenden Fall setzte sich das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschaffte und dieser ausführlich Gelegenheit gab, sich zu ihren Fluchtgründen sowie insbesondere zu der von ihr behaupteten Konversion zum Christentum zu äußern, mit den für die Beurteilung einer Konversion maßgeblichen Aspekten auseinander. Das BVwG berücksichtigte dabei auch die festgestellte Taufe und Teilnahme der Revisionswerberin am kirchlichen Leben und ein gewisses Grundwissen zum christlichen Glauben, erachtete die behauptete Konversion aber insbesondere im Hinblick auf ihr bisheriges religiöses Leben im Iran, das Fehlen eines im Verfahren gleichbleibend geschilderten konkreten Schlüsselerlebnisses sowie der Bedeutung des christlichen Glaubens in ihrem Tagesablauf und in ihrem alltäglichen Leben als unglaubwürdig. Die Revision zeigt mit ihrem bloß allgemeinen Vorbringen nicht auf, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.

14 Soweit die Revision die unterlassene Einvernahme von Zeugen rügt, ist zunächst festzuhalten, dass nicht behauptet wird, die Revisionswerberin habe eine solche Einvernahme im Verfahren beantragt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation VwGH 9.12.2020, Ra 2020/19/0295, mwN). Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/19/0431, mwN). Gründe dafür, dass die unterbliebene Einvernahme von in der Revision namentlich nicht näher genannten Zeugen nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, sind nicht ersichtlich.

15 Zudem ist im Fall einer unterbliebenen Vernehmung ‑ um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen ‑ in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2020/14/0585, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem nicht näher konkretisierten Vorbringen, die Revisionswerberin hätte bei Kenntnis der Zweifel des BVwG an der Ernsthaftigkeit ihrer Konversion „diverse Zeugen“ nennen können, nicht nach.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. März 2021

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