VwGH Ra 2021/18/0095

VwGHRa 2021/18/009529.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des R A, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg‑Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2020, L508 2234166‑1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art7 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180095.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 19. Jänner 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Regierungspartei politische Probleme gehabt zu haben. Zudem habe er Bangladesch verlassen, um Geld zu verdienen und seine Familie zu unterstützen.

2 In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte der Revisionswerber vor, dass er aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der oppositionellen Bangladesh National Party (BNP) von Mitgliedern der Regierungspartei Awami-League (AL) geschlagen worden sei. Zudem sei er fälschlicherweise beschuldigt worden, vor einer Wahl Poster abgerissen zu haben, weswegen er angezeigt worden sei und von der Polizei gesucht werde.

3 Mit Bescheid vom 16. Juli 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ‑ ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab, wies einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 mangels Zuständigkeit zurück und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

5 Begründend stellte das BVwG ‑ soweit für die Behandlung der vorliegenden Revision relevant ‑ fest, dass der Revisionswerber Bangladesch aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe und das Vorbringen, dass er politisch verfolgt werde, aufgrund seiner widersprüchlichen und vagen Angaben sowie der Steigerungen des Fluchtvorbringens nicht glaubhaft sei. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes führte das BVwG aus, dass dem Revisionswerber aus näher genannten Gründen im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsdistrikt keine reale Gefahr der Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK drohe.

6 Gegen dieses Erkenntnis brachte der Revisionswerber zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ein, der deren Behandlung mit Beschluss vom 7. Oktober 2020, E 4306/2020‑7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht, das BVwG habe eine unvertretbare und antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen, Vorbringen aus der Beschwerde übergangen und keine ausreichenden Ermittlungen getätigt. Außerdem habe das BVwG das Parteiengehör verletzt, weil es dem Revisionswerber ein Rechercheergebnis betreffend den Zeitpunkt der Parlamentswahlen nicht vorgehalten habe und pauschal von seiner Unglaubwürdigkeit ausgegangen sei. Des Weiteren fehle Rechtsprechung zur Frage, wann ein Verfahren vor dem BFA „mangelhaft“ im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 BFA‑VG (Ausnahme vom Neuerungsverbot für Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA) sei. Zudem habe das BVwG die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht beachtet.

8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Soweit sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen zwar nicht berufen ist, allerdings liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 14.1.2021, Ra 2020/18/0517, mwN).

13 Der Revision gelingt es nicht, eine solche Fehlbeurteilung durch das BVwG aufzuzeigen. Denn entgegen dem Revisionsvorbringen, das BVwG habe im Zusammenhang mit der Feststellung des Nichtvorliegens von Asylgründen lediglich pauschal auf Länderberichte verwiesen, setzte sich das BVwG eingehend mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinander. Die Annahme der mangelnden Glaubhaftigkeit stützte das BVwG beweiswürdigend etwa auf die widersprüchlichen Angaben zur Parteizugehörigkeit sowie auf Ungereimtheiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Wahlen, bei denen der Revisionswerber mitgeholfen haben will.

14 Der Vorwurf der Revision, das BVwG habe eine antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen, wird ebenso wenig näher konkretisiert und mit einer ‑ für die zulässige Geltendmachung von Verfahrensfehlern erforderlichen (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2020/18/0521, mwN) - Relevanzdarstellung (also der Darlegung, weshalb bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können) verbunden wie die ‑ pauschal gehaltene ‑ Rüge von Ermittlungsmängeln.

15 Soweit die Revision eine Verletzung des Parteiengehörs darin sieht, dass das BVwG dem Revisionswerber ein Rechercheergebnis betreffend den Zeitpunkt der Parlamentswahlen, bei denen er behaupteter Weise mitgeholfen habe, nicht vorgehalten habe, ist zu entgegnen, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Recht auf Parteiengehör auf den von der Behörde festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt bezieht. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage, aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens (vgl. erneut VwGH 14.1.2021, Ra 2020/18/0517, mwN). Es besteht auch keine Verpflichtung des BVwG, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (vgl. VwGH 12.10.2020, Ra 2020/19/0258, mwN).

16 Das Revisionsvorbringen, es fehle Rechtsprechung zur Frage, wann ein Verfahren vor dem BFA „mangelhaft“ im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 2 BFA‑VG (Ausnahme vom Neuerungsverbot für Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA) sei, stellt keinen konkreten Bezug zum vorliegenden Verfahren her, sodass damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgeworfen wird, zumal der Verwaltungsgerichtshof zur Lösung abstrakter Rechtsfragen nicht berufen ist (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/18/0207, mwN).

17 Soweit sich die Revision gegen die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass das BVwG den Revisionswerber weder anlässlich der Prüfung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten noch im Rahmen der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verwies, sondern die Möglichkeit einer Rückkehr des Revisionswerbers in den Herkunftsdistrikt ohne Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK bejahte. Da die Revision somit von den auf die innerstaatliche Fluchtalternative Bezug nehmenden Ausführungen nicht abhängt, erweist sie sich schon deshalb auch insoweit als unzulässig.

18 Was das Revisionsvorbringen betrifft, es liege ein willkürliches Verhalten der Behörde vor, das in die Verfassungssphäre eingreife, genügt es darauf hinzuweisen, dass diesbezüglich eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG nicht vorliegt.

19 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2021

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