VwGH Ra 2021/09/0003

VwGHRa 2021/09/000329.1.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Prager Straße 5/1/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 11. November 2020, Zl. LVwG‑S‑1637/001‑2020, betreffend Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn), den Beschluss gefasst:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
AVG §66 Abs4
VStG §22
VStG §32 Abs2
VStG §32 Abs3
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §9 Abs2
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090003.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, es als Inhaber eines näher bezeichneten Einzelunternehmens zu verantworten zu haben, dass dieses Unternehmen einen näher genannten afghanischen Staatsangehörigen vom 22. Dezember 2017 bis zum 11. Juli 2019 sowie vom 6. September 2019 bis zum 25. Oktober 2019 als Arbeiter (Pizzakoch-Küchengehilfe) beschäftigt habe, ohne dass für diesen eine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Der Revisionswerber habe dadurch § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) übertreten, weshalb über ihn gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils Euro 500 (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 16 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurde ein Kostenbeitrag nach § 64 Abs. 2 VStG in der Höhe von Euro 100 auferlegt. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG wurde für nicht zulässig erklärt.

2 Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In Bezug auf das Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG ist darauf hinzuweisen, dass diesem Gebot nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan wird. Diesem Gebot wird daher insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (VwGH 29.10.2020, Ra 2020/05/0207; 2.4.2020, Ra 2020/08/0019; 30.1.2019, Ra 2018/06/0327).

5 Es fehlt im vorliegenden Fall demnach schon eine dem Gesetz entsprechende gesonderte Darstellung der Gründe für ihre Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG, zumal in der Zulässigkeitsbegründung der Sache nach Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung und zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, bloß mit dem abschließenden Verweis darauf verknüpft werden, dass das angefochtene Erkenntnis „im Hinblick auf vorgenannte Aspekte der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ widerspreche.

6 Der Vollständigkeit halber ist zum Revisionsvorbringen aber noch Folgendes anzumerken:

7 Das Verwaltungsgericht, das verpflichtet ist, das die Verantwortlichkeit des Beschuldigten konstituierende Merkmal im Rahmen der von ihm zu treffenden Entscheidung richtig und vollständig anzugeben, ist entgegen der Stoßrichtung der Revision berechtigt und verpflichtet, in seiner Entscheidung eine Richtigstellung des von der Verwaltungsbehörde festgehaltenen, vom Verwaltungsgericht nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens aber als unzutreffend erkannten Verantwortlichkeitsmerkmales vorzunehmen (vgl. VwGH 11.3.2019, Ra 2018/03/0113; 27.2.2019, Ra 2018/15/0098; 16.1.2019, Ra 2018/02/0300).

8 Der vom Revisionswerber offenbar eingenommene Standpunkt, es liege im Grunde des § 28c Abs. 1 AuslBG keine verwaltungsstrafrechtliche, sondern eine gerichtliche Strafbarkeit des Revisionswerbers vor, weil der in Rede stehende afghanische Staatsangehörige „zu Beginn der Verwaltungsübertretung minderjährig“ gewesen sei, bedarf schon deshalb keiner weiteren Auseinandersetzung, weil auf Grundlage des vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts keine Rede davon sein kann, dass der betreffende Ausländer ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet beschäftigt worden wäre. Nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt hat dieser afghanische Staatsangehörige am 21. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, ihm wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Dezember 2019 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Feststellungen, die den Schluss zuließen, das im Grunde des § 13 Abs. 1 AsylG 2005 bestehende vorläufige Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet sei während des vorgeworfenen Tatzeitraumes weggefallen, wurden nicht getroffen. Aufgrund welcher Überlegung der Revisionswerber Derartiges offenbar annimmt, wird in der Revision nicht dargelegt.

9 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers besteht das Tatbild einer Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG in der Beschäftigung eines Ausländers ohne entsprechende arbeitsmarktrechtliche Zulassung oder Bestätigung. Es ist jedoch nicht Tatbestandselement, welche dieser Zulassungen oder Bestätigungen im konkreten Fall nicht vorhanden gewesen ist (vgl. VwGH 30.3.2016, Ra 2016/09/0027; 3.10.2013, 2012/09/0016; 6.11.2012, 2012/09/0066). Im Übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ausgehend von der Zielrichtung des Konkretisierungsgebots des § 44a Z 1 VStG die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen sind. Eine derartige ‑ notwendigerweise einzelfallbezogene ‑ Beurteilung ist im Regelfall (wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde) nicht revisibel (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/09/0072; 26.2.2020, Ra 2019/05/0305; 25.4.2019, Ra 2018/11/0141).

10 Soweit der Revisionswerber es als völlig unbegründet ansieht, dass vom Verwaltungsgericht zwei einzelne Strafen verhängt wurden, ist ‑ wie im angefochtenen Erkenntnis bereits zutreffend ausgeführt ‑ auf die ständige, auch weiterhin maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Novelle 2014 hinzuweisen, wonach die Berufungsbehörde für den Fall, dass die erstinstanzliche Behörde rechtswidrig, nämlich in Verstoß gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG, eine Gesamtstrafe anstelle von Einzelstrafen verhängt hat, mehrere Einzelstrafen zu verhängen hat, die Gesamtstrafe insofern also „aufzuteilen“ ist (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/11/0066, mit Verweis auf VwGH 7.10.2013, 2013/17/0274; 16.12.2011, 2010/02/0105; 20.5.2009, 2007/07/0110; 6.7.2006, 2004/15/0031; 25.1.2005, 2004/02/0293).

11 Soweit der Revisionswerber die Auffassung vertritt, es hätte wegen des langen Tatzeitraumes die Strafe zu einem der beiden Delikte höher sein müssen als zum anderen, wird übergangen, dass das Verwaltungsgericht begründet hat, warum trotz des kürzeren Tatzeitraumes bei einem der beiden Delikte eine weitere Herabsetzung (der infolge Aufteilung der von der Behörde verhängten Gesamtstrafe bereits unterschrittenen Mindeststrafe) nicht in Betracht gekommen sei. Ein Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius liegt aber auch dann nicht vor, wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen der vorzunehmenden eigenen Bewertung von Milderungs‑ und Erschwerungsgründen trotz Wegfalls eines von der Verwaltungsstrafbehörde für die Bemessung der Strafe herangezogenen Erschwerungsgrundes die verhängte Strafe nicht herabsetzt, wenn es in der Lage ist zu begründen, dass andere Umstände vorlagen, die es rechtfertigen, das Ausmaß der verhängten Strafe für angemessen zu halten (vgl. VwGH 5.9.2018, Ra 2018/11/0144; 25.4.2018, Ra 2018/09/0026; 22.2.2018, Ra 2017/11/0066).

12 Soweit der Revisionswerber schließlich Begründungsmängel des angefochtenen Erkenntnisses in Ansehung der Unterschreitung der Mindeststrafe geltend macht, genügt es darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht diese Unterschreitung ‑ anders als der Revisionswerber offenbar meint ‑ nicht auf § 20 VStG, sondern auf die erforderliche Aufteilung der von der Behörde verhängten Gesamtstrafe gestützt hat. Davon abgesehen kann der Revisionswerber mit diesem Vorbringen allerdings eine Verletzung in Rechten von vornherein nicht aufzeigen.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2021

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