VwGH Ra 2020/15/0123

VwGHRa 2020/15/012330.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Tirol Ost, 6333 Kufstein, Oskar Pirlo‑Straße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Oktober 2020, Zl. RV/3101142/2014, betreffend Heranziehung zur Haftung und Zahlung von Lohnsteuer 2009 bis 2011 (mitbeteiligte Partei: M R in H, K), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1
EStG 1988 §68 Abs1
EStG 1988 §68 Abs5

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150123.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Im Ergebnis einer Prüfung lohnabhängiger Abgaben bei der mitbeteiligten Partei, die das Rauchfangkehrergewerbe betreibt, erließ das Finanzamt Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer der Jahre 2009 bis 2011.

2 Die Nachversteuerung betraf die an die Dienstnehmer gewährte Schmutzzulage, welche die mitbeteiligte Partei in Anlehnung an den Kollektivvertrag für Rauchfangkehrer für das Bundesland Tirol in Höhe von 18 % des Grundlohnes gemäß § 68 EStG 1988 lohnsteuerfrei ausbezahlt hatte. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass auf Grund des geänderten Arbeitsbildes, der sehr unterschiedlichen Höhe der Schmutzzulage in den einzelnen Bundesländerkollektivverträgen (zwischen 8 % und 20 % des Grundlohnes) und in Anlehnung an die (bis zum Wartungserlass 2016 geltende Rz. 11130 der) Lohnsteuerrichtlinien österreichweit einheitlich 8 % des Grundlohnes als angemessen zu erachten und die Differenzzahlung der Lohnsteuer zu unterwerfen sei.

3 Die mitbeteiligte Partei erhob Beschwerde (damals: Berufung), in der sie sich gegen die Heranziehung der Haftung wegen Lohnsteuer wendete. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung stellte die mitbeteiligte Partei einen Vorlageantrag.

4 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde teilweise Folge. Begründend führte es aus, die mitbeteiligte Partei habe an ihre Arbeitnehmer, eingeschränkt auf sogenannte „Kehrtage“, eine Schmutzzulage in Höhe von 18 % des Grundlohnes ausbezahlt und steuerfrei belassen. Die Arbeitnehmer seien an diesen Tagen überwiegend mit Arbeiten betraut gewesen, die eine erhebliche Verschmutzung zwangsläufig zur Folge gehabt hätten. Die Verschmutzung mit Ruß betreffe erfahrungsgemäß den gesamten Arbeitnehmer und seine Bekleidung; sie lasse sich nur erheblich schwerer entfernen als andere Verschmutzungen. Dass auf Grund unterschiedlicher Kehrordnungen (oder sonstiger unterschiedlicher Arbeitsbedingungen) ein unterschiedlicher Verschmutzungsgrad bestehe, könne nicht festgestellt werden, da sich aus der Kehrtätigkeit, wenn diese neben den Fängen auch die Feuerungsanlagen umfasse (einzig erkennbarer Unterschied zwischen den Zusatzkollektivverträgen einzelner Bundesländer), keine unterschiedliche Art der Verschmutzung ergebe, weil es sich regelmäßig um die (gleichen) Rückstände aus der Verbrennung handle, welche zu entfernen seien.

5 Die Höhe der Schmutzzulagen für Kaminkehrer auf Grund der Zusatzkollektivverträge in den einzelnen Bundesländern betrage im Beschwerdezeitraum zwischen 8,31 % (Burgenland ab 2011, davor 19,15 %) und 20% (Salzburg). Das arithmetische Mittel sämtlicher Werte über den gesamten Prüfungszeitraum ergebe (gerundet) 15 %.

6 Im vorliegenden Fall stehe fest, dass die von der mitbeteiligten Partei als Arbeitgeber ausbezahlte Schmutzzulage dem Grunde nach tatsächlich zu Recht steuerfrei belassen worden sei, weil sämtliche Voraussetzungen dafür erfüllt worden seien. Strittig sei daher ausschließlich, in welchem Ausmaß die Schmutzzulage angemessen sei bzw. in welchem Ausmaß eine Angemessenheit nicht mehr vorliege, was „Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ sei.

7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Angemessenheitsprüfung in Fällen (zusatz‑)kollektivvertraglich geregelter Zulagen zulässig. Der Gerichtshof habe ausgesprochen, dass bei einer Zulage, die mehr als das Doppelte dessen betrage, was Kollektivvertragspartnern derselben Branche in einem anderen Bundesland als angemessen erschienen wäre, die Annahme, sie sei dennoch angemessen, einer auf diesen Unterschied Bedacht nehmenden sachlichen Begründung bedürfe. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes könne zusammengefasst aus der Rechtsprechung abgeleitet werden, dass bei durch Vorschriften iSd § 68 Abs 5 Z 1 bis 6 EStG 1988 geregelten Zulagen, die im Wesentlichen auf Verhandlungen und einer Einigung zwischen Arbeitgeber‑ und Arbeitnehmerseite beruhten, auch hinsichtlich der Höhe der Zulage die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zwar nicht zwingend, jedoch durchaus als Indiz für deren Angemessenheit anzusehen seien.

8 Eine Begründung, wieso die Abgabenbehörde im vorliegenden Fall von einer Angemessenheit der Schmutzzulage lediglich in Höhe von 8 % ausgegangen sei, sei diese zur Gänze schuldig geblieben. Sie habe sich ausschließlich auf einen „Erlass des BMF“ gestützt, welcher nicht einmal konkret bezeichnet worden sei. Zudem habe ein nicht näher genannter Erlass in keiner Weise Rechtsverbindlichkeit.

9 Dazu komme noch, dass, was die Bezeichnung einer Zulage anlange, diese für die steuerliche Behandlung derselben unmaßgeblich sei. So könne eine Zulage, welche zB die Bezeichnung Erschwerniszulage trage, der jedoch tatsächlich die Funktion der Abgeltung einer Verschmutzungskomponente immanent sei, in steuerlicher Hinsicht im Rahmen der Schmutzzulage steuerfrei behandelt werden. Gleiches gelte dementsprechend für eine als Schmutzzulage bezeichnete Zulage, welche Erschwernis‑ oder Gefahrenkomponenten (mit)abgelte. Im vorliegenden Fall sei zweifelsfrei davon auszugehen, dass die Verschmutzung, welcher die Kaminkehrer bei ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt seien, neben der Tatsache der Zwangsläufigkeit, Erheblichkeit und des Überwiegens eine Überdurchschnittliche sei. Bereits aus diesem Grund sei nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine Schmutzzulage, die sich an den unteren Werten der einzelnen Zusatzkollektivverträge, aber auch anderer lohngestaltender Vorschriften orientiere, nicht sachgerecht. Berücksichtige man zudem, dass Kaminkehrer nach dem für sie typischen Berufsbild während ihrer Arbeitszeit durch die Arbeit auf Hausdächern regelmäßig einer Sturzgefahr, zudem vielfach auch Hitze, Kälte bzw. Nässe ausgesetzt seien, könnten im Sinne des oben Gesagten diese Komponenten ebenfalls eine Rolle bei der Angemessenheitsprüfung spielen, da im Gegensatz zu den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen, welche sich hinsichtlich der Beitragsfreiheit ausschließlich auf Schmutzzulagen beziehen würden, steuerrechtlich sowohl Schmutz‑, als auch Erschwernis‑ und Gefahrenzulagen einer steuerfreien Behandlung zugänglich seien.

10 Die Besonderheit im vorliegenden Fall bestehe darin, dass in den für jedes Bundesland gesondert abgeschlossenen Zusatzkollektivverträgen jeweils eine unterschiedliche Höhe der Schmutzzulage vereinbart worden sei. Dabei schwanke die Höhe der festgelegten Schmutzzulage in den streitgegenständlichen Jahren je nach Bundesland zwischen 8,31 % (Mindestwert Burgenland ab 2011, davor 19,15 %) und 20 % (Salzburg in allen beschwerdegegenständlichen Jahren). Eine derartige Abweichung zwischen Mindest- und Höchstausmaß sei jedenfalls erheblich und rechtfertige ein Übersteigen des Mindestwertes um mehr als das Doppelte eine entsprechende Kürzung. Aus näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich aber auch, dass der ‑ wie vom Finanzamt umgesetzt ‑ generelle Ansatz von 8%, und somit eines Wertes, der in den Streitjahren sogar noch unter dem niedrigsten Kollektivvertragsansatz gelegen sei, nicht als angemessen zu betrachten sei, da der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf verweise, dass es „den einen als angemessen zu beurteilenden ... Zulagenbetrag“ nicht gebe.

11 Der Mittelwert aus allen Zuschlagssätzen betrage im Zeitraum 2009 bis 2011 (abgerundet) 15 %. Indem die Werte aller Bundesländer und aller Werte eines dreijährigen Referenzzeitraumes in die Berechnung einflössen, werde in einer Durchschnittbetrachtung auch dem Grundgedanken, dass die Kollektivvertragspartner grundsätzlich über die vorliegenden Verhältnisse unmittelbare Kenntnis besäßen und deren Vereinbarungen eine entsprechende Indizwirkung auch für die Angemessenheit entfalten, ebenso Rechnung getragen, wie dem Umstand, dass bei (stark) abweichenden Ergebnissen ein allfälliges Verhandlungsgeschick einzelner Interessenvertreterinnen/-vertreter oder sonstige nicht sachlich begründbare Umstände das Ergebnis mitbeeinflusst hätten.

12 Der Verwaltungsgerichtshof habe hinsichtlich der „erheblichen Abweichung“ in der Schätzung eine Grenze („mehr als das Doppelte“) gesetzt und dadurch implizit zum Ausdruck gebracht, dass bei einer geringeren Abweichung (iSv weniger als das Doppelte) eine Schwankungsbreite besteht, bei der an die Schätzungsbefugnis (des Bundesfinanzgerichtes) keine besonders erhöhten Anforderungen gestellt würden. Ein Prozentsatz von 15 % liege jedenfalls nicht mehr als das Doppelte über dem niedrigsten Satz im Prüfungszeitraum.

13 Auf Grund der Tatsache, dass die Werte in den einzelnen Bundesländern stark unterschiedlich seien, könne dem Finanzamt jedenfalls nicht gefolgt werden, wenn es einen Wert (8 %), der sogar noch ‑ bezogen auf den Prüfungszeitraum ‑ unter dem untersten Wert liege, als einzig angemessenen ansehe. Vielmehr spreche ein derartiger Sachverhalt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes wohl dafür, dass die Angemessenheit dort zu finden sei, wo sich der Mittelwert der unterschiedlichen Werte befinde, da in diesem Zusammenhang die Unterstellung, dass in allen Bundesländern (bewusst) überhöhte Werte festgesetzt worden seien, wohl nur einer äußerst einseitigen Betrachtung geschuldet sein könne. Für einen „externen“ Vergleich ‑ sachverhaltsmäßig am ehesten vergleichbar ‑ kämen die Arbeitsbedingungen der ArbeitnehmerInnen in der Mineralölindustrie Österreichs in Betracht. In Pkt. 10 des Anhanges 4 zum Kollektivvertrag werde österreichweit einheitlich bei der Reinigung (und Reparaturen) von Rauchfängen eine Schmutzzulage von 20 % (bzw. 25 %, wenn eine besondere Schutzausrüstung zu verwenden sei, was für das Rauchfangkehrergewerbe wohl eher nicht zutreffen werde) als angemessen angesehen. Bei der Reinigung von Ofenrohren von Koks betrage nach diesem Kollektivvertrag die Schmutzzulage 15 %. In Pkt. 16 des Anhanges werde für alle (weiteren) Arbeiten, bei denen der/die ArbeitnehmerIn in erheblichem Maße mit Rauch, Ruß, Asche, etc. in Berührung komme, eine Schmutzzulage von immerhin noch 10 % als angemessen angesehen. Ein Vergleich mit diesen bundeseinheitlich geregelten Werten bestätige im externen Vergleich im Durchschnitt den sich aus den Werten aller Bundesländer errechneten Wert von 15 % als angemessen.

14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit ausführt, die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Ansprüche auf eine Schmutzzulage bei annähernd gleicher Kehrordnung in Tirol und den anderen Bundesländern durch das Bundesfinanzgericht zeige deutlich auf, dass das Ausmaß der steuerlichen Begünstigung letztlich nicht von den in § 68 EStG 1988 definierten Voraussetzungen abhänge, sondern davon, in welchem Bundesland ein Rauchfangkehrer seine Tätigkeit ausübe. Dieser unsachlichen Differenzierung könne nur durch eine verfassungskonforme Interpretation des § 68 EStG 1988 begegnet werden. Ein sachliches Ergebnis werde dadurch herbeigeführt, dass bei vergleichbaren Arbeitsbedingungen die Angemessenheit der Höhe der Zulage bundesländerübergreifend und somit bundeseinheitlich beurteilt werde. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob im Hinblick auf die Zielsetzung des § 68 Abs. 5 EStG 1988 eine unsachliche Differenzierung hinsichtlich der Steuerfreiheit von Schmutzzulagen bei unterschiedlichem arbeitsrechtlichen Anspruch in einer lohngestaltenden Vorschrift für dieselbe Tätigkeit als Rauchfangkehrer durch verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung vermieden werden müsse.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:

16 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. November 2018, Ra 2017/15/0025, betreffend Schmutzzulagen für Rauchfangkehrer im Bundesland Tirol ausgesprochen, dass es der Abgabenbehörde obliegt ‑ in jenen Fällen, bei denen die Voraussetzungen des § 68 Abs. 5 EStG 1988 dem Grunde nach erfüllt sind ‑ grundsätzlich (auch), die Angemessenheit einer gewährten Zulage nach § 68 Abs. 1 EStG 1988 zu prüfen. Dies ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wonach für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht das äußere Erscheinungsbild des Sachverhalts maßgebend ist. Die bloße Bezeichnung eines Betrages als „Schmutzzulage“ sichert die steuerliche Begünstigung daher nicht, soweit ein sachlich vertretbarer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Verschmutzung (oder der sonstigen Erschwernis) und der gewährten Zahlung nicht besteht und sich die Zahlung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach daher teilweise auch als Abgeltung der vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitsleistung darstellt.

18 Der zwischen den Kollektivvertragspartnern typischerweise bestehende Interessensgegensatz steht dieser Prüfung nicht entgegen, weil es in beiderseitigem Interesse liegen kann, einen möglichst hohen Anteil des Lohnes als begünstigten Lohnbestandteil zu bezeichnen.

19 Im Revisionsfall steht außer Streit, dass die gegenständlichen Arbeitsleistungen zwangsläufig in erheblichem Maß eine Verschmutzung und Verunreinigung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung bewirken und derartige Arbeiten auch überwiegend verrichtet werden. Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts haben die Kollektivvertragspartner die dafür zu gewährende Zulage je nach Bundesland unterschiedlich (nämlich mit 8 % bis 20 % des Bruttolohns bzw. mit Pauschalbeträgen, die umgerechnet in dieser Größenordnung liegen) bemessen. Unterschiede im tatsächlichen Ausmaß der auftretenden Verschmutzungen und Verunreinigungen ‑ etwa auf Grund länderweise unterschiedlicher Kehrordnungen ‑ konnten vom Bundesfinanzgericht nach eingehender Prüfung dieser Frage unter Einbeziehung der mitbeteiligten Partei nicht festgestellt werden.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits genannten Erkenntnis, Ra 2017/15/0025, darauf hingewiesen, dass der im Rahmen des § 68 Abs. 1 und 5 EStG 1988 vorzunehmenden „Angemessenheitsprüfung“ ein Element der Schätzung innewohnt, es also nicht den einen als angemessen zu beurteilenden absoluten oder im Verhältnis zum Bruttolohn mit einem bestimmten Prozentsatz zu bemessenden Zulagenbetrag gibt. Eine Kürzung ist dann vorzunehmen, wenn die Abweichung erheblich ist, d. h. die Vereinbarung durch die Kollektivvertragspartner außerhalb jener Bandbreite liegt, die jeder Schätzung immanent ist. Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts auf, und hat insbesondere auch darauf verwiesen, dass das Bundesfinanzgericht nicht in der Lage gewesen ist, dem seinerzeit vom Finanzamt herangezogenen Satz inhaltlich (hinsichtlich der angefallenen Kosten) als unzutreffend darzustellen. Die damals vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Schätzung hat der Schlüssigkeitsprüfung des Verwaltungsgerichtshofes nicht standgehalten. Die vom Bundesfinanzgericht gewählte Begründung, es sei das arithmetische Mittel aus den unterschiedlichen Zuschlagssätzen aller österreichischen Bundesländer für die Ermittlung des angemessenen Betrages maßgeblich, war jedenfalls nicht hinreichend, zumal die Zuschlagssätze von vier Bundesländern außer Acht gelassen worden waren und zudem als Ergebnis der Schätzung ein Zuschlagssatz als angemessen erachtet worden war, der die von anderen Kollektivvertragspartnern derselben Branche (aber anderer Bundesländer) als angemessen betrachtete Zulage um mehr als das Doppelte überstiegen hatte (vgl. ebenso VwGH 20.12. 2018, Ra 2018/13/0001).

21 Im Gegensatz zur Ansicht des Bundesfinanzgerichts hat der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 22. November 2018 und vom 20. Dezember 2018 keineswegs „hinsichtlich der erheblichen Abweichung in der Schätzung eine Grenze (‚mehr als das Doppelte‘) gesetzt und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass bei einer geringeren Abweichung (iSv weniger als das Doppelte) eine Schwankungsbreite besteht, bei der an die Schätzungsbefugnis (des Bundesfinanzgerichtes) keine besonders erhöhten Anforderungen gestellt würden.“

22 Das Bundesfinanzgericht hat im Revisionsfall nunmehr behauptet, den Mittelwert aus allen „Zuschlagssätzen“ der Bundesländer gebildet und diesen Wert als angemessen beurteilt zu haben. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Bundesfinanzgericht keine konkreten Feststellungen zu den Kollektivverträgen der einzelnen Bundesländer trifft und daher vom Verwaltungsgerichtshof die Berechnung des Mittelwerts in Höhe von gerundet 15 % nicht nachvollzogen werden kann. Schon deshalb liegt ein Begründungsmangel vor.

23 Aus einem im Verwaltungsakt einliegenden, von der steuerlichen Vertretung im Zuge des Vorlageantrages übermittelten Schreiben geht hervor, dass in fünf der neun Bundesländer nicht ein prozentueller Zuschlagssatz, sondern ein Pauschalbetrag zum Ansatz kommt, der unabhängig vom jeweiligen Gehalt allen Arbeitnehmern (abgesehen von den Lehrlingen) zusteht. So auch in den Bundesländern Burgenland und Salzburg, die das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis (irrtümlich) mit einem Prozentsatz angegeben hat.

24 Schon damit hat das Bundesfinanzgericht sein Erkenntnis mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet.

25 Wie bei der dem zitierten Erkenntnis vom 22. November 2018 zugrunde liegenden Schätzung fehlt es allerdings auch bei der im Revisionsfall angestellten Schätzung schon an der Ermittlung der Schätzungsgrundlagen: Nach dem Kollektivvertrag für Rauchfangkehrer für das Land Tirol stellt die Schmutzzulage eine Abgeltung für die erhebliche Verschmutzung des Arbeitnehmers und seiner Kleidung, z.B. durch Ruß dar. Um die Angemessenheit der Schmutzzulage beurteilen zu können, ist daher zunächst festzustellen, welche Kosten durch die Verschmutzung üblicherweise anfallen und durch den Zuschlag abgegolten werden sollen. Dabei geht es um den Sach‑ und Zeit(mehr)aufwand, der dem Arbeitnehmer durch die (Beseitigung der) Verschmutzung üblicherweise erwächst.

26 Erst auf Basis festgestellter üblicher Kosten kann auf das angemessene Ausmaß einer Schmutzzulage geschlossen werden. Ein pauschaler Betrag, wie er in fünf der neun Bundesländer gewährt wird, kommt dabei dem Gedanken einer Abgeltung der Verschmutzung näher als ein prozentueller Betrag vom Gehalt, ist doch davon auszugehen, dass üblicherweise der Verschmutzungsgrad eines Arbeitnehmers nicht linear mit dem Gehalt steigt. Für unterschiedliche Fixbeträge zwischen den einzelnen Arbeitnehmern (etwa Geselle oder Hilfskraft) wird dabei im Allgemeinen kein Raum bleiben.

27 Letztlich wird das Ergebnis der Schätzung eine Bandbreite sein: Erst bei Überschreiten der Bandbreite wird die Steuerbegünstigung des § 68 EStG 1988 zu versagen sein.

28 Wenn das Bundesfinanzgericht darüber hinaus berücksichtigen will, dass Kaminkehrer nach dem für sie typischen Berufsbild während ihrer Arbeitszeit durch die Arbeit auf Hausdächern regelmäßig einer Sturzgefahr, zudem vielfach auch Hitze, Kälte bzw. Nässe ausgesetzt seien und damit diese Komponenten eine Rolle bei der Angemessenheitsprüfung spielen könnten, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesfinanzgericht nicht festgestellt hat, dass die betroffenen Kaminkehrer überwiegend unter gefährdenden Umständen oder solchen, die im Vergleich zu den allgemein üblichen Arbeitsbedingungen eine außerordentliche Erschwernis darstellen, gearbeitet haben.

29 Das Bundesfinanzgericht hat sein Erkenntnis somit mit einer prävalierenden Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 30. Juni 2021

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