Normen
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3
MRK Art6
StVO 1960 §18 Abs1
StVO 1960 §52 litb Z15
VwGG §39 Abs2 Z6
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020030138.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht ‑ in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der belangten Behörde ‑ den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Taxilenkerausweises gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1994) ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, der Revisionswerber weise im Zeitraum von September 2015 bis Dezember 2019 insgesamt elf ‑ in der Entscheidung im Einzelnen angeführte ‑ Vormerkungen wegen rechtskräftiger Verwaltungsübertretungen nach der BO 1994, der StVO 1960 und dem KFG auf. Dies werde von ihm nicht bestritten.
3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die belangte Behörde habe die Abweisung des gegenständlichen Antrags auf die bestehenden rechtskräftigen Verwaltungsvormerkungen gestützt. Dabei sei festzuhalten, dass der Revisionswerber in einem Zeitraum von drei Monaten unmittelbar vor Beantragung des Taxiausweises drei Übertretungen im Bereich des Verkehrsstrafrechts begangen habe, wobei zwei Übertretungen das Lenken eines Taxis im Fahrtdienst ohne im Besitz eines Taxiausweises zu sein, betroffen hätten. Auch die aufgelisteten Delikte nach § 52 lit. b Z 15 StVO (Missachten der vorgeschriebenen Fahrtrichtung) und § 18 Abs. 1 StVO (Missachten des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands) seien geeignet, die Sicherheit eventuell beförderter Fahrgäste zu gefährden. Ebenso zeige das Lenken eines Taxis im Fahrtdienst, ohne im Besitz eines Taxiausweises zu sein, die Negierung der Rechtsordnung im Hinblick auf Ordnungsvorschriften des eigenen Berufszweiges. Der Revisionswerber weise somit aktuelle und gravierende Verstöße auf, wobei insbesondere Geschwindigkeitsübertretungen ein erhöhter Unrechtsgehalt innewohne. Nicht minder verwerflich sei die Missachtung der vorgeschriebenen Fahrtrichtung oder die Missachtung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands, würden diese Übertretungen doch ein enormes Sicherheitsrisiko bergen. Mit diesen Gesetzesverstößen bringe der Revisionswerber ein Verhalten zum Ausdruck, welches den Schluss der mangelnden Akzeptanz von Verkehrsvorschriften zulasse. Damit zeige er ein Persönlichkeitsbild, welches nicht für seine Vertrauenswürdigkeit als Taxilenker spreche. Dass der Revisionswerber das den festgestellten Verwaltungsübertretungen zugrundeliegende Verhalten nicht gesetzt hätte, habe er in seiner Beschwerde nicht behauptet. Sofern er vorbringe, die Taten aus dem Jahr 2019 seien darauf zurückzuführen, dass er aufgrund einer „moralischen Verpflichtung“ gegenüber seinem Schwiegervater ein Fahrzeug in die Werkstatt gebracht habe, sei zu erwidern, dass zwei der im Jahr 2019 begangenen Taten Übertretungen wegen § 4 Abs. 1 BO 1994 gewesen seien, sodass die behauptete Fahrt in eine Werkstatt nicht glaubhaft sei. Aber auch die Verwaltungsübertretung wegen Missachtung der vorgeschriebenen Fahrtrichtung rechtfertige eine Fahrt in eine Werkstatt nicht.
4 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, weil die Frage der Vertrauenswürdigkeit iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 eine Rechtsfrage sei. Angesichts der vom Revisionswerber fortgesetzt begangenen Verwaltungsübertretungen schließe bereits das objektivierte Vorliegen des kontinuierlichen Fehlverhaltens die Vertrauenswürdigkeit aus. Da der Revisionswerber kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet habe und eine Rechtsfrage auf Basis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen gewesen sei, habe eine mündliche Verhandlung entfallen können.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte ‑ außerordentliche ‑ Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret aufzuzeigen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Findet sich eine derartige Darstellung in der Angabe der Gründe der Zulässigkeit der Revision aber nicht, sondern etwa nur der allgemeine Hinweis, dass die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, so genügt dies jedenfalls nicht, um das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013, mwN).
10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht geltend, durch die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei das Gesetz in einer Weise verletzt worden, die einer Korrektur durch das Höchstgericht bedürfe. Der Revisionswerber habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, bei der Erteilung eines Taxilenkerausweises handle es sich um ein „civil right“ iSd Art. 6 EMRK. Dies gelte umso mehr als für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit eines potentiellen Taxilenkers der persönliche Eindruck ‑ den das Gericht nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erhalten könne ‑ mitentscheidend sei.
11 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
12 Festzuhalten ist zunächst, dass die Revision gar nicht konkret vorbringt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, eine solche Rechtsprechung fehle oder die zu lösende Rechtsfrage sei vom Verwaltungsgerichtshof nicht einheitlich beantwortet worden.
13 Soweit mit dem behaupteten „Korrekturbedarf“ geltend gemacht werden soll, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ab, entspricht dieses Vorbringen den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen schon deshalb nicht, weil es unterlässt, konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revision in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. VwGH 2.9.2019, Ra 2019/03/0093, mwN) bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet habe (vgl. VwGH 23.6.2020, Ra 2019/19/0433, mwN).
14 Die Revision zeigt aber auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von den maßgebenden Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Verhandlungspflicht nach § 24 Abs. 4 VwGVG sowie zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 abgewichen wäre.
15 In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hielt der Verwaltungsgerichtshof wiederholt fest, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auf das Urteil des EGMR vom 19. Februar 1998 im Fall Jacobsson gegen Schweden (Nr. 2), Nr. 8/1997/792/993, Rn. 49 (ÖJZ 1998, 4), hingewiesen, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, weil angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen „das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen‑ oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte“. Der Verwaltungsgerichtshof hat in solchen Fällen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts‑ oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. zum Ganzen VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066, mwN).
16 Im verfahrensgegenständlichen Fall legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt, der vom Revisionswerber unbestritten blieb, zugrunde. Somit stand für das Verwaltungsgericht der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb diesbezüglich weder Fragen seiner Ergänzung noch Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten (vgl. VwGH 9.5.2018, Ra 2018/03/0046; 13.9.2016, Ra 2016/03/0085, je mwN).
17 Sofern der Revisionswerber moniert, das Verwaltungsgericht hätte sich zur Beurteilung seiner Vertrauenswürdigkeit einen ‑ im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu gewinnenden ‑ persönlichen Eindruck verschaffen müssen, ist Folgendes zu erwidern:
18 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 ist ein Taxilenkerausweis auszustellen, wenn der Bewerber vertrauenswürdig ist, wobei die Vertrauenswürdigkeit zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein muss. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass es sich bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 28.2.2007, 2005/03/0159, mwN).
19 Im Verfahren über einen Antrag auf Ausstellung eines Taxiausweises ist eine Wertung des Verhaltens des Antragstellers innerhalb des Fünf‑Jahres‑Zeitraums dahin vorzunehmen, ob die Vertrauenswürdigkeit zum Zeitpunkt der Ausstellung des Taxilenkerausweises gegeben ist oder nicht (vgl. VwGH 19.8.2019, Ra 2019/03/0079). Bei dieser Beurteilung ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgt, feststeht (vgl. VwGH 5.5.2014, Ro 2014/03/0001, mwN). Der Verwaltungsgerichtsgerichtshof hat auch bereits erkannt, dass die Behörde bei fortlaufend gesetzten Verwaltungsübertretungen gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs ‑ selbst bei Delikten mit geringem Unrechtsgehalt ‑ das Fehlen der erforderlichen Vertrauenswürdigkeit annehmen kann (vgl. VwGH 27.5.2010, 2009/03/0147) und dass eine Person, die einen Hang zur Nichtbeachtung von im Interesse der Verkehrssicherheit erlassenen Vorschriften erkennen lässt, als zum Lenken eines Taxis nicht geeignet angesehen werden kann (vgl. VwGH 29.1.2003, 2000/03/0358).
20 Ausgehend davon ist nicht zu sehen, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, angesichts der vom Revisionswerber im relevanten Zeitraum (unstrittig) begangenen zahlreichen Übertretungen der BO 1994, der StVO und des KFG und des diesen jeweils zugrundeliegenden Verhaltens schließe das objektivierte Vorliegen dieses kontinuierlichen Fehlverhaltens die Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers iSd § 6 Abs. 1 Z 3 BO 1994 aus, den maßgebenden Leitlinien nicht entspreche.
21 Bei Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage konnte sich das Verwaltungsgericht daher auf bestehende Rechtsprechung stützen; weitere Rechts‑ oder Tatfragen wurden vom Revisionswerber nicht aufgeworfen. Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht nach § 24 Abs. 4 VwGVG im vorliegenden Fall unvertretbar gewesen sei.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Jänner 2021
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