VwGH Ra 2019/13/0061

VwGHRa 2019/13/00615.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des K in W, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 14, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. Februar 2019, Zl. RV/7103896/2018, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2012 bis 2014, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1 Z1
EStG 1988 §20 Abs1 Z2
PendlerV 2013 §4 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019130061.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber machte in seiner Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2012 bis 2014 Ausgaben für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte diese Ausgaben in den Einkommensteuerbescheiden für die betreffenden Jahre nicht, weil die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt wurden. Mit der fristgerecht erhobenen Beschwerde legte der Revisionswerber diverse Unterlagen vor.

2 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen ab und führte begründend aus, dass die Voraussetzungen für eine steuerlich anerkannte doppelte Haushaltsführung nicht vorlägen, weil die Ehefrau des Revisionswerbers in Polen kein Einkommen in relevanter Höhe beziehe und somit eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich zumutbar wäre. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das Bundesfinanzgericht, das sich mit der Frage, ob eine Verlegung des Familienwohnsitzes (wie in den Beschwerdevorentscheidungen angenommen) zumutbar gewesen wäre, nicht befasste, aus, Ausgaben für doppelte Haushaltsführung seien Werbungskosten, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt würden, ein Familienwohnsitz und ein Berufswohnsitz. Der Familienwohnsitz liege dort, wo ein in Ehe(Partnerschaft) oder Lebensgemeinschaft Lebender oder ein Alleinstehender seine engsten persönlichen Beziehungen und einen eigenen Hausstand habe. Der Berufswohnsitz sei dort, wo jemand persönlich anwesend sein müsse, um zu arbeiten und einen eigenen Hausstand habe. Einen eigenen Hausstand habe, wer eine Wohnung besitze, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspreche. Ein eigener Hausstand liege jedoch nicht vor, wenn jemand Räumlichkeiten innerhalb eines aus einer Person oder mehreren Personen bestehenden Wohnungsverbandes mitbewohne, die nicht (Ehe)Partner oder Lebensgefährten seien.

4 Der Revisionswerber lebe mit seinem Bruder in einer Wohnung in W. Er sei daher Mitbewohner in einem aus zwei Personen bestehenden Wohnungsverband. Da sein Mitbewohner sein Bruder und nicht sein (Ehe)Partner oder Lebensgefährte sei, habe der Revisionswerber in W keinen eigenen Hausstand. Sein einziger Hausstand befinde sich am Familienwohnsitz. Damit Ausgaben für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten absetzbar seien, müssten zwei eigene Haushalte geführt werden. Diese Voraussetzungen seien im Revisionsfall nicht erfüllt. Daher seien auch die Ausgaben für Familienheimfahrten nicht absetzbar.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Anforderungen an die Wohnmöglichkeit am Beschäftigungsort abgewichen.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, erwogen:

7 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

8 Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 Aufwendungen bzw. Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

9 Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des Familienwohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten im Sinn des § 16 Abs. 1 EStG 1988 (vgl. VwGH 24.9.2007, 2006/15/0024).

10 Das Bundesfinanzgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung deshalb verneint, weil der Revisionswerber Mitbewohner bei seinem Bruder gewesen ist und damit in W keinen eigenen Hausstand gehabt hätte. Ein eigener Hausstand liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht vor, wenn jemand Räumlichkeiten innerhalb eines aus einer Person oder mehreren Personen bestehenden Wohnungsverbandes mitbewohne, die nicht (Ehe)Partner oder Lebensgefährten seien. Indem das Bundesfinanzgericht das Vorliegen eines eigenen „Hausstandes“ als notwendig ansieht und diesen wegen der Wohngemeinschaft mit dem Bruder des Revisionswerbers verneint, übernimmt es die Definition des Familienwohnsitzes der Pendlerverordnung (vgl. § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013).

11 Dass beim Berufswohnsitz eines Steuerpflichtigen für die Anerkennung der Aufwendungen einer doppelten Haushaltsführung ein eigener Hausstand im Sinne des § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung erforderlich sei, entspricht aber nicht der Rechtslage. So hat der Verwaltungsgerichtshof schon bisher ausgesprochen, dass Aufwendungen für ein (Untermiet)Zimmer im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abzugsfähig sein können (vgl. erneut VwGH 24.9.2007, 2006/15/0024; 3.3.1992, 88/14/0081). Dass eine im Rahmen einer Wohngemeinschaft mit anderen Personen als einem Ehepartner oder Lebensgefährten benützte Wohnung keinen Berufswohnsitz darstellen und daher nicht zum Abzug von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten berechtigen kann, widerspricht somit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

12 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. Februar 2021

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