Normen
AVG §58 Abs2
AVG §60
AVG §62 Abs2
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29
VwGVG 2014 §29 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200017.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 29. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass er von schiitischen Milizen aufgefordert worden sei, sich ihnen anzuschließen und mit ihnen gemeinsam zu kämpfen.
2 Mit Bescheid vom 2. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei und legte eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für seine freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0322, mwN).
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, zwischen der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses und der schriftlichen Ausfertigung seien zehn Monate verstrichen. Das BVwG habe in seiner schriftlichen Ausfertigung aktualisierte Länderberichte herangezogen. Dem Revisionswerber sei jedoch keine Möglichkeit eingeräumt worden, zu den deutlich veränderten Umständen eine Stellungnahme abzugeben, weshalb er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt sei. Darüber hinaus habe sich das BVwG nicht damit auseinandergesetzt, aus welchem Grund dem Schwager und der Schwester des Revisionswerbers bei gleicher Herkunft und gleichen Lebensbedingungen im Herkunftsstaat Asyl zuerkannt worden sei.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der Zustellung einer Entscheidung ihre mündliche Verkündung gleichzuhalten. Mit der mündlichen Verkündung wird die Entscheidung unabhängig von der in § 29 Abs. 4 VwGVG geforderten Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung rechtlich existent. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 41 VwGG auf der Grundlage der Sach‑ und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zu prüfen. Daraus wird in ständiger Rechtsprechung auch abgeleitet, dass neue Tatsachen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht werden, bei der Entscheidung über die Revision keine Berücksichtigung finden können (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2020/19/0001, mwN).
10 Soweit die Revision daher zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung des Erkenntnisses erfolgte „deutlich veränderte Umstände“ ins Treffen führt, steht diesem Vorbringen das aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen.
11 Weiters ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach sich der maßgebliche Inhalt einer Entscheidung nicht aus der Ausfertigung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern aus jener Urkunde, die über den Entscheidungsinhalt und die Tatsache der Verkündung nach dem auch betreffend § 29 VwGVG einschlägigen § 62 Abs. 2 AVG angefertigt wurde, ergibt. Mit der Verkündung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung steht einer neuerlichen im Wesentlichen gleichen Entscheidung der Einwand der entschiedenen Sache entgegen (vgl. § 32 Abs. 1 Z 4 VwGVG). An die Verkündung dieser Entscheidung knüpft daher auch ihre Unwiderrufbarkeit an, weshalb die schriftliche Entscheidungsausfertigung nicht in einem wesentlichen Spruchelement von der verkündeten Entscheidung abweichen darf (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0398, mwN). Weicht die Begründung der schriftlichen Ausfertigung in einem wesentlichen Punkt von jener ab, die in der Niederschrift zur mündlichen Verkündung dokumentiert ist, sodass nicht nachvollzogen werden kann, welche tragenden Überlegungen tatsächlich für die getroffene Entscheidung ausschlaggebend waren, so liegt ein Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung vor (vgl. VwGH 3.10.2016, Ra 2016/02/0160, mwN).
12 Dass die Begründung der schriftlichen Ausfertigung an einem Mangel leiden würde, der eine nachprüfende Kontrolle verunmöglichen würde, vermag die Revision mit ihrem pauschalen Verweis auf aktualisierte Länderberichte nicht aufzuzeigen. Das BVwG führt in seiner schriftlichen Ausfertigung zudem an, dass „eine maßgebliche Änderung der asyl‑ und abschieberelevanten Situation seit Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht eingetreten“ sei (siehe S 55 des Erkenntnisses). Das greift die Revision nicht substantiiert an.
13 Insoweit die Revision eine mangelhafte Auseinandersetzung des BVwG mit den asylrechtlichen Entscheidungen betreffend den Schwager und die Schwester des Revisionswerbers rügt, macht sie Verfahrensfehler geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 28.3.2018, Ra 2018/14/0380, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung lässt die Revision jedoch vermissen.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 15. April 2020
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