VwGH Ra 2020/18/0088

VwGHRa 2020/18/008821.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des Y L in S, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2020, G305 2190748-1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180088.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens aus der irakischen Hauptstadt Bagdad, beantragte am 16. Juni 2015 internationalen Schutz. Er brachte zusammengefasst vor, ab September 2013 für den militärischen Nachrichtendienst gearbeitet zu haben. Mitglieder des „Islamischen Staates“ (IS) hätten (u.a.) deshalb auf ihn ein Schussattentat verübt und ihn in einem Drohbrief bedroht. Bei Rückkehr in den Irak fürchte er, vom IS getötet zu werden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16. Februar 2018 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

3 Das BVwG erachtete es zwar für glaubhaft, dass der Revisionswerber seit dem Jahr 2013 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Rang eines Korporals („sohin eines kleinen Soldaten“) für den Geheimdienst des irakischen Verteidigungsministeriums tätig gewesen sei. Seinem Vorbringen, deshalb von Mitgliedern des IS angegriffen und bedroht worden zu sein, sei jedoch aus näher dargestellten Gründen kein Glauben zu schenken. Nach seinen Angaben sei er nur in einem niedrigen militärischen Rang tätig und bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit für Terroristen bzw. den IS gar nicht erkennbar gewesen. Deshalb sei nicht davon auszugehen, dass er bei Rückkehr in den Irak wegen der seinerzeitigen Tätigkeit für das Verteidigungsministerium asylrelevante Verfolgung erfahren könnte. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dass dem jungen, gesunden Revisionswerber, der über Berufserfahrung und familiäre Anknüpfungspunkte in Bagdad verfüge, im Falle einer Rückkehr keine existenz‑ oder lebensbedrohliche Situation im Sinne des Art. 3 EMRK drohe.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit geltend macht, das BVwG sei von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Aktualität von Länderberichten abgewichen, indem es willkürlich nicht auf die im Entscheidungszeitraum maßgeblichen Berichte abstelle, sondern auf ältere Unterlagen zurückgreife. Außerdem habe das BVwG eine unvertretbare Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen vorgenommen. Es befasse sich zwar auf vielen Seiten weitschweifig und detailverliebt mit den Aussagen und Urkunden, könne jedoch aufgrund der zwischen der mündlichen Verhandlung und der Erlassung des Erkenntnisses vergangenen Zeit (von mehr als acht Monaten) keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber mehr gehabt haben. Einzelne beweiswürdigende Argumente des BVwG seien überdies nicht zutreffend. Lebensfremd sei die Annahme, dass nur höherrangige Offiziere von Terroristen bedroht wären, nicht jedoch Soldaten niederer Dienstgrade. Das BVwG argumentiere auch unlogisch, wenn es behaupte, der Revisionswerber habe keine Anhaltspunkte geliefert, warum er bedroht werden könnte.

5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat (auch) das BVwG seiner Entscheidung die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Zutreffend verweist die Revision darauf, dass bei instabilen und sich rasch ändernden Verhältnissen im Herkunftsstaat auch zeitlich nicht lange zurückliegende Berichte ihre Aktualität bereits verloren haben können (vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0078, mwN).

7 Das BVwG führt in der angefochtenen Entscheidung aus, dass seine Länderfeststellungen zur Lage im Irak auf dem „aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ beruhen, ohne dies allerdings näher zu präzisieren. Diesbezüglich liegt zwar ein Begründungsmangel der Entscheidung vor, die Revision zeigt aber nicht einmal ansatzweise auf, dass und welche relevanten aktuellen Länderberichte gegen die Einschätzung des BVwG sprechen könnten, der Revisionswerber könne in seiner konkreten persönlichen Situation in den Herkunftsstaat zurückkehren, ohne asylrelevante Verfolgung befürchten zu müssen oder ernsthafte Schäden zu erleiden, die subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 rechtfertigen würden. Der Revision gelingt es deshalb nicht, einen relevanten Verfahrensverstoß darzulegen, der eine Revision zulässig machen könnte.

8 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG richtet, ist ihr zu erwidern, dass die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründen würde, wenn sie in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. dazu etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2019/18/0229, mwN). Derartiges zeigt die Revision jedoch nicht auf. Insbesondere ihre Behauptung, der erkennende Richter könne bei seiner Beweiswürdigung wegen der Zeitspanne zwischen mündlicher Verhandlung und Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses keinen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber mehr gehabt haben, ist spekulativ und als solches nicht nachvollziehbar. Das BVwG setzte sich mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers ausführlich auseinander und kam gestützt auf erhebliche Widersprüche in der Aussage des Revisionswerbers und (etwa) dem als Beweismittel vorgelegten Drohbrief zu dem Ergebnis, dass die behaupteten Verfolgungshandlungen in der Vergangenheit nicht glaubhaft seien. Aufbauend darauf und dem Umstand, dass er in seiner untergeordneten Tätigkeit für den Geheimdienst des irakischen Verteidigungsministeriums nach außen (für potentielle Verfolger) nicht in Erscheinung getreten sei, ist auch die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber drohe bei Rückkehr in den Irak keine asylrelevante Verfolgung, nicht als fehlerhaft zu erkennen.

9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juli 2020

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