VwGH Ra 2020/12/0076

VwGHRa 2020/12/007621.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, in der Revisionssache des J L, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2020, W244 2226279‑1/3E, betreffend Beendigung einer Freistellung gemäß § 78e BDG 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120076.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienstbehörde ist die Landespolizeidirektion Tirol.

2 Dem Revisionswerber wurde infolge seines Antrags vom 30. Juni 2015 (mittels einer als „Vereinbarung“ bezeichneten Erledigung vom 14. August 2015) unter anteiliger Kürzung der Bezüge innerhalb der Rahmenzeit vom 1. Oktober 2015 bis 30. September 2020 eine Dienstfreistellung gemäß § 78e BDG 1979 für die Zeit von 1. Oktober 2019 bis 30. September 2020 gewährt.

3 Mit Schreiben vom 6. September 2019 berief sich der Revisionswerber darauf, dass er wegen Krankheit nicht in der Lage sei, die Dienstfreistellung innerhalb der fünfjährigen Rahmenzeit am 1. Oktober 2019 anzutreten, und ersuchte „wegen Wegfalls der Vereinbarungsgrundlage[,] die gegenständliche Vereinbarung vom 14.08.2015 als gegenstandslos aufzuheben und den angesparten Betrag zu refundieren“.

4 Die Dienstbehörde beantwortete dieses Schreiben mit einer Erledigung folgenden Inhalts:

„Herrn

BezInsp

[...]

 

Betreff: [...] Antrag auf Aufhebung der Sabbatical ‑ Vereinbarung. Ablehnung.

Innsbruck, 23.09.2019

Sehr geehrter Herr BezInsp [...]!

Bezugnehmend auf den Antrag vom 06.09.2019, betreffend die Aufhebung Ihrer mit der Landespolizeidirektion geschlossenen Sabbatical ‑ Vereinbarung wird Ihnen mitgeteilt, dass Ihrem Ansinnen nicht entsprochen werden konnte und eine Aufhebung der getroffenen Vereinbarung aus dienstlichen Gründen nicht erfolgt.

Für den Landespolizeidirektor:

[Unterschrift und Name des Genehmigenden]“

5 Der Revisionswerber erhob gegen diese Erledigung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde als unzulässig zurück und begründete dies damit, dass es sich bei der angefochtenen Erledigung vom 23. September 2019 nicht um einen Bescheid handle. Dazu führte es aus, dass sich die näheren Vorschriften darüber, welche Bestandteile ein Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufzuweisen habe, in §§ 58 ff AVG fänden; darunter sei insbesondere auch das Erfordernis genannt, dass jeder Bescheid als solcher zu bezeichnen sei und eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten habe. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Auffassung (Hinweis auf VwGH 11.4.2018, Ra 2015/08/0033, 0047, 0048), dass auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden könne, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergebe, dass die Behörde einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt und normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden habe. Der normative Inhalt müsse sich aus der Formulierung der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge im Verfahren, Rechtsbelehrungen und dergleichen könnten nicht als verbindliche Erledigung und damit als Spruch im Sinn des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden. Mangle es einer Erledigung an der für Bescheide vorgesehenen Form, so müsse aus ihr deutlich hervorgehen, dass die Behörde dennoch den objektiv erkennbaren Willen gehabt habe, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten hoheitlichen Verwaltungsangelegenheit zu treffen (Hinweis auf VwGH 19.12.2001, 2001/12/0053). An eine nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung sei hinsichtlich der Wertung als Bescheid ein strenger Maßstab anzulegen (Hinweis auf VwGH 18.10.2000, 95/17/0180). Bei Zweifeln über den Inhalt komme auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, wie etwa dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln. Aus einer solchen Form der Erledigung sei eher darauf zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung oder eine bloße Wissenserklärung vorliege (Hinweis auf VwGH 22.2.2007, 2006/09/0216, und 13.9.2006, 2006/12/0085).

7 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung sei die Bescheidqualität der Erledigung vom 23. September 2019 zu verneinen. Dafür spreche insbesondere, dass die Erledigung keine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid, keinen als Spruch gekennzeichneten Teil und auch keine Rechtsmittelbelehrung enthalte. Aus ihrer Textierung ergebe sich nicht in der erforderlichen Eindeutigkeit, dass über ein hoheitliches Rechtsverhältnis rechtsverbindlich abgesprochen worden wäre. Einzelnen allenfalls als normative Aussagen zu deutenden Textpassagen, insbesondere in der Überschrift („Antrag auf Aufhebung der Sabbatical ‑ Vereinbarung. Ablehnung“) stehe die gegen eine normative Regelung sprechende Wortwahl im Fließtext („wird Ihnen mitgeteilt“) entgegen. Auch die sonstigen Höflichkeitsfloskeln in der Anrede („Sehr geehrter Herr“) sprächen gegen einen normativen Charakter. Unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Erledigung blieben jedenfalls Zweifel daran offen, ob damit eine bescheidmäßige Erledigung erfolgt sei. Bei einer derartigen Konstellation sei im Lichte der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die ‑ im vorliegenden Fall fehlende ‑ Bezeichnung als Bescheid für die Bescheidqualität der Erledigung essentiell. Mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung sei die Beschwerde daher als unzulässig zurückzuweisen. Das Unterbleiben einer Verhandlung stützte das Bundesverwaltungsgericht auf § 24 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGVG („wenn ... die Beschwerde zurückzuweisen ist“).

8 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig.

9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, dass die Beantwortung der Frage, ob einer konkreten Erledigung Bescheidqualität zukomme, das Ergebnis einer alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Beurteilung sei. Die Zulässigkeit einer Revision gegen eine derartige Entscheidung sei nur dann nicht gegeben, wenn die Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beachtet worden seien. Die Erledigung vom 23. September 2019 stelle sich „im Gesamtkontext“ als Bescheid dar. § 78e BDG 1979 beziehe sich ausdrücklich auf einen Antrag des Beamten, über den die Behörde einen Bescheid zu erlassen gehabt hätte. Entgegen der Auffassung der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde habe es sich bereits bei der „Sabbatical‑Vereinbarung“ vom 14. August 2015 um einen Bescheid gehandelt, der der bekämpften Ablehnung der Beendigung der Dienstfreistellung entgegenstehe. Die Revision sei zulässig, weil es sich „bei der Qualität der Entscheidung der Dienstbehörde nach § 78e BDG nicht nur um keinen Regelfall eines Bescheides“ handle, sondern „auch um die Klärung einer Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung“ (wird näher ausgeführt). Die Revision sei auch zulässig, weil „aufgrund der Rechtsschutzfunktion eines Bescheids“ weder das Vorliegen noch das Nichtvorliegen eines Bescheides zum Nachteil des Betroffenen angenommen werden dürfe. Im weiteren Zulässigkeitsvorbringen finden sich ‑ offenbar aus dem angefochtenen Beschluss übernommene ‑ Argumente dafür, dass die Bescheidqualität der Erledigung vom 23. September 2019 zu verneinen sei (Fehlen einer Bezeichnung als Bescheid, eines Spruchs und einer Rechtsmittelbelehrung, keine Eindeutigkeit der Textierung als rechtsverbindlicher Abspruch), aus denen der Revisionswerber schließt, dass „unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Erledigung ... jedenfalls Zweifel daran offen“ blieben, ob damit eine bescheidmäßige Erledigung erfolgt sei.

11 Als weiteren Grund ihrer Zulässigkeit führt die Revision ins Treffen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ungerechtfertigt gewesen sei, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag nach § 78e Abs. 5 BDG 1979 „bei richtiger rechtlicher Beurteilung“ nicht zurückzuweisen gewesen wäre. Dieses Vorbringen wird mit Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der in der Erledigung vom 23. September 2019 mitgeteilten Ansicht ergänzt.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gegenstand eines Bescheidbeschwerdeverfahrens iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG bzw. § 7 VwGVG kann nur ein Bescheid sein; bestehen Zweifel, ob es sich bei einer Erledigung um einen Bescheid handelt, ist die Bescheidqualität der Erledigung zu klären.

16 Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann nach der hg. Rechtsprechung nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (für die Wertung als Bescheid ist ein strenger Maßstab anzulegen).

17 Die Zulässigkeitsausführungen legen nicht dar, inwiefern das Verwaltungsgericht hinsichtlich der hier nach Inhalt und Form als Mitteilung ausgestalteten Erledigung von der ständigen Rechtsprechung zur Abgrenzung von normativen Erledigungen und bloßen Mitteilungen abgegangen wäre (vgl. zum Ganzen zB VwGH 19.12.2013, 2013/03/0145; 1.9.2015, Ra 2015/03/0060; 22.9.2020, Ra 2019/12/0033).

18 Wie die Revision zutreffend ausführt, stellt die Frage, ob eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung auf Grund ihres konkreten Erscheinungsbildes, insbesondere ihres konkreten Aufbaues und ihrer konkreten sprachlichen Fassung als Bescheid zu beurteilen ist, eine einzelfallbezogene Auslegungsfrage dar und ist daher im Regelfall nicht revisibel. Anderes gilt, wenn das vom Verwaltungsgericht erzielte Auslegungsergebnis vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unvertretbar ist (vgl. VwGH 22.9.2020, Ra 2019/12/0033, mwN).

19 Derartiges vermag das Zulässigkeitsvorbringen jedoch nicht aufzuzeigen. Es gesteht selbst zu, dass „unter Berücksichtigung des Gesamtinhalts der Erledigung ... jedenfalls Zweifel daran offen [blieben], ob ... eine bescheidmäßige Erledigung erfolgte“. Ausgehend davon legt die Revision aber nicht dar, inwiefern das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund der in Rn. 17 genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis gelangt wäre.

20 Ausgehend davon ist auch dem auf die behauptete Verletzung der Verhandlungspflicht bezogenen Zulässigkeitsvorbringen der Boden entzogen, weil dieses Vorbringen ausschließlich auf den ‑ vom Verwaltungsgericht nicht angewendeten ‑ ersten Fall des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG („wenn ... der der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist“) Bezug nimmt, ohne der auf den zweiten Fall dieser Bestimmung gestützten Begründung des Verwaltungsgerichts entgegenzutreten.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2020

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