VwGH Ra 2020/03/0055

VwGHRa 2020/03/005520.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des D M in L, vertreten durch Prof. Dipl.‑Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 21. Oktober 2019, Zl. VGW‑103/064/9664/2016‑106, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37
AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
WaffG 1996 §8 Abs1
WaffG 1996 §8 Abs2
WaffG 1996 §8 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030055.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Juli 2016 war der Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 8 Abs. 1 und 2 WaffG abgewiesen worden. Dem legte die belangte Behörde im Wesentlichen zu Grunde, der Revisionswerber weise eine Persönlichkeitsstörung im Zusammenhang mit Suchtmittelmissbrauch auf (das im Zuge der Prüfung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit eingeholte amtsärztliche Gutachten habe den Verdacht einer Persönlichkeitsstörung und Hinweise auf chronisches Suchtverhalten sowie Aggressionstendenzen ergeben; der spontan durchgeführte Drogen‑Harn‑Test auf THC sei eindeutig positiv gewesen und der Revisionswerber habe „den letzten THC‑Konsum vor einer Woche“ zugegeben). Der Revisionswerber besitze daher die von § 8 WaffG geforderte Verlässlichkeit nicht.

2 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht ‑ nach Durchführung von drei mündlichen Verhandlungen ‑ die dagegen gerichtete Beschwerde abgewiesen und die Revision für unzulässig erklärt. Dem legte es (auf das Wesentliche zusammengefasst) Folgendes zu Grunde:

Der Revisionswerber habe es insofern unmöglich gemacht, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu klären, als er sich geweigert habe, sich von den bestellten ärztlichen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie ohne Anwesenheit seines rechtsfreundlichen Vertreters untersuchen zu lassen, weshalb diese ein Gutachten nicht erstellen hätten können. Die Befundaufnahme durch Untersuchung des Revisionswerbers ohne Gegenwart Dritter wäre aber erforderlich gewesen, um die Befundergebnisse (insbesondere Reaktionen des Probanden auf unangenehme Fragen) nicht zu verfälschen. Es sei daher auf Grund des Verhaltens des Revisionswerbers nicht möglich gewesen, die Frage, ob der von der belangten Behörde festgestellte Verdacht einer Persönlichkeitsstörung und die Hinweise auf chronisches Suchtverhalten und Aggressionstendenzen den Tatsachen entsprechen. Mangels Erfüllung der Mitwirkungspflicht iSd § 8 Abs. 6 WaffG gelte für den Revisionswerber die unwiderlegliche Rechtsvermutung der waffenrechtlichen Unverlässlichkeit (Hinweis auf VwGH 27.11.2012, 2012/03/0134).

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ‑ außerordentliche ‑ Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht geltend, einerseits fehle es in wesentlichen Bereichen an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, andererseits sei das Verwaltungsgericht von der Judikatur abgegangen. Sie führt dazu (zusammengefasst) Folgendes aus:

8 Obwohl die mündliche Beschwerdeverhandlung auf unbestimmte Zeit vertagt worden sei, habe die Verhandlungsleiterin sofort das bekämpfte Erkenntnis erlassen, ohne dem Revisionswerber die Möglichkeit zu einer Stellungnahme, einer Äußerung, einem Beweisantrag oder Sonstigem zu geben. Durch diese Vorgangsweise sei der Revisionswerber von jeglicher Antragsmöglichkeit abgeschnitten worden. Er habe „beispielsweise die Einbringung von weiteren entscheidungswesentlichen Beweisanträgen“ beabsichtigt.

9 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargelegt wird. Abgesehen davon wurde ‑ ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung ‑ am Ende der Verhandlung vom Revisionswerber die Vorlage einer schriftlichen Stellungnahme seines Arbeitgebers binnen zwei Wochen angekündigt. Dementsprechend hat er diese (samt einer weiteren, eigenen Stellungnahme) auch vorgelegt und dabei zudem die Fällung einer Entscheidung „bis zum 18.10.2019“ verlangt, ohne weitere Beweisanträge zu stellen oder auch nur anzukündigen.

10 Die Revision macht weiter geltend, der vom Verwaltungsgericht beigezogene Sachverständige Dr. Z sei wegen Befangenheit abgelehnt worden. Ohne über diesen Antrag abzusprechen, habe das Verwaltungsgericht Dr. Z zum nächsten Verhandlungstermin nicht mehr als Sachverständigen, sondern als Zeugen geladen und seine Aussagen verwertet. Durch diesen Wechsel vom Sachverständigen- zum Zeugenbeweis seien die Verfahrensregeln über den Sachverständigenbeweis „ausgehebelt“ worden.

Das Verwaltungsgericht habe zudem das Beweisverfahren insofern „ausgelagert“, als der Berufsverband für Psychotherapie außerhalb der Verhandlung telefonisch vom vormals zuständigen Richter kontaktiert worden sei, wobei der genaue Wortlaut der Fragen und Antworten nicht vorliege. Eine derartige Beweisaufnahme widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, der Mündlichkeit und der Parteienöffentlichkeit.

Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber wäre verpflichtet gewesen, ohne Anwesenheit eines Dritten sich der Befundaufnahme zu unterziehen, sei mit dem Grundsatz von Transparenz und Überprüfbarkeit unvereinbar. Da die vom Verwaltungsgericht geforderte „ungeschützte, unkontrollierte und unüberprüfbare Beweisaufnahme“ von der Sache her nicht notwendig sei, könne dem Revisionswerber keine Verletzung der Mitwirkungspflicht angelastet werden.

11 Mit diesem Vorbringen macht die Revision im Wesentlichen Mängel der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beweiswürdigung geltend. Die Beurteilung, ob der Revisionswerber sich geweigert hat, sich ohne Anwesenheit seines Rechtsvertreters einer Befundaufnahme durch den bestellten Sachverständigen zu unterziehen, betrifft ebenso wie die Beantwortung der Frage, ob die Anwesenheit einer dritten Person bei der Befundaufnahme zum Zweck der psychotherapeutischen Einschätzung bzw. einer fachärztlichen Begutachtung einer Person das Ergebnis verfälscht, letztlich Fragen der Beweiswürdigung.

12 Der Verwaltungsgerichtshof ist allerdings ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. nur etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/03/0112).

13 Derartiges zeigt die Revision aber nicht auf. Das Verwaltungsgericht stützte sich hinsichtlich der fachlichen Notwendigkeit einer Befundaufnahme in einem Vier‑Augen‑Gespräch, also ohne Beiziehung des anwaltlichen Vertreters des Revisionswerbers, auf die Aussagen des Dr. Z, die von Dr. B (dem zuvor bestellten Sachverständigen, der ebenfalls wegen der Weigerung des Revisionswerbers kein Gutachten erstatten konnte) und durch eine Stellungnahme des Bundesverbands für Psychotherapie bestätigt wurden.

14 Mit dem Revisionsvorbringen, der Wechsel zwischen Sachverständigen- und Zeugenbeweis hinsichtlich Dr. Z sei unzulässig gewesen, wird verkannt, dass Dr. Z ‑ aufgrund der in Rede stehenden Weigerung des Revisionswerbers ‑ kein Gutachten erstattet hat und demgemäß in der mündlichen Verhandlung nicht zu einem Gutachten vernommen, sondern ‑ als Zeuge ‑ zu den näheren Umständen der vom Revisionswerber erklärten Weigerung und damit zu einem anderen Beweisthema befragt wurde. Abgesehen davon, dass die angesprochene Auskunft des Berufsverbands nur ergänzend zu den weiteren Beweismitteln hinzutrat, wurde der Aktenlage nach über den Wortlaut der in dem betreffenden Telefonat gestellten Frage samt Antwort ein Aktenvermerk verfasst und dem Revisionswerber zur Stellungnahme übermittelt, der von dieser Gelegenheit auch Gebrauch gemacht hat (Schriftsatz vom 2. Oktober 2018). Die gerügten Verstöße gegen tragende Verfahrensgrundsätze liegen vor diesem Hintergrund nicht vor.

15 Der rechtlichen Beurteilung ist also zu Grunde zu legen, dass eine Befundaufnahme ohne Gegenwart des anwaltlichen Vertreters des Revisionswerbers fallbezogen erforderlich gewesen wäre, vom Revisionswerber aber abgelehnt wurde. Wenn das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund dem Revisionswerber eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht angelastet und ihn deshalb als waffenrechtlich unzuverlässig beurteilt hat, wurden die sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergebenden Leitlinien zu den Voraussetzungen einer waffenrechtlichen Mitwirkungspflicht und den Konsequenzen deren Nichterfüllung nicht überschritten (vgl. etwa VwGH 2.4.2020, Ra 2020/03/0023 und 0024).

16 In der Revision werden nach dem Gesagten keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Juli 2020

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