VwGH Ra 2020/02/0165

VwGHRa 2020/02/016521.8.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des L in I, vertreten durch Dr. Lucas Tschol, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. Mai 2020, LVwG‑2020/46/0171‑7, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A Übertretungen des TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020165.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. Dezember 2019 wurden dem Revisionswerber Verwaltungsübertretungen nach dem Tierschutzgesetz vorgeworfen.

2 2.1. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Beschluss als verspätet zurückgewiesen. Die Revision wurde vom LVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig erklärt.

3 2.2. Begründend führte das LVwG aus, der Revisionswerber habe das Straferkenntnis am 12. Dezember 2019 persönlich übernommen. Die am 13. Jänner 2020 eingebrachte Beschwerde erweise sich als verspätet, weil der letzte Tag der Beschwerdefrist der 9. Jänner 2020 gewesen sei.

4 3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit (u.a.) den Anträgen, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

5 Die Revision erweist sich als unzulässig:

6 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 4.2. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es sich beim mit Beschwerde bekämpften Akt nicht um einen Bescheid gehandelt habe: Es fehle auf diesem Schriftstück nämlich die Unterschrift; es gebe keine Amtssignatur und auch keinen Beglaubigungsvermerk. Das Straferkenntnis sei lediglich paraphiert; eine Paraphe sei jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Unterschrift, weshalb ein Nichtbescheid vorgelegen sei. Das LVwG habe daher die Beschwerde nicht wegen Verspätung zurückweisen dürfen, sondern aus dem Grund, dass kein bekämpfbarer Bescheid vorliege.

10 4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn von § 18 Abs. 3 AVG ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. VwGH 19.2.2018, Ra 2017/12/0051, mwN); eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein „individueller Schriftzug“ sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen. Eine Paraphe ist keine Unterschrift (VwGH 7.11.2019, Ra 2019/14/0389, mwN).

11 4.4. Das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 9. Dezember 2019 weist unter der Wortfolge „Für den Bürgermeister der Stadt Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde“ einen gedruckten Namen auf. Über diesem Namen befindet sich der Anfangsbuchstabe des Vornamens sowie ein davon getrennt gesetzter Schriftzug, der hinsichtlich des Nachnamens die ersten beiden Buchstaben erkennen lässt und insgesamt ‑ v.a. vor dem Hintergrund, dass die Anzahl der Schriftzeichen der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen muss ‑ als „individueller Schriftzug“ im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu deuten ist.

12 4.5. Da aufgrund der vorhandenen Unterschrift somit ein bekämpfbarer Bescheid vorgelegen ist, werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 5. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

14 6. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 21. August 2020

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