Normen
AVG §66 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §24
VStG §27 Abs1
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019090099.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag der Revisionswerberin auf Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 12. Dezember 2018 wurde der Zweitmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Erstmitbeteiligten unter Aufzählung von sechs näher bezeichneten elektronischen Glücksspielgeräten (Spruchpunkte 1., 3., 4., 6., 7. und 9.) sowie von drei konkret umschriebenen "sonstigen Eingriffsgegenständen" in Form von "Cash-Centern" (Spruchpunkte 2., 5. und 8.), die dazu gedient hätten, an den jeweils konkret genannten Glücksspielgeräten "Einsätze für die Glücksspiele entgegen zu nehmen und allfällige Gewinne auszubezahlen", in einem bestimmten Zeitraum der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSp G) in sechs Fällen schuldig erkannt, weil die Erstmitbeteiligte in einem näher bezeichneten Lokal "gegen Entgelt die Veranstaltung der verbotenen Ausspielungen in Form der mit den Eingriffsgegenständen ermöglichten Glücksspiele" geduldet habe. Über den Zweitmitbeteiligten wurden sechs Geldstrafen in der Höhe von jeweils 7.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Die Erstmitbeteiligte hafte im Sinne des § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.
2 Begründend führte die - nunmehrige - Amtsrevisionswerberin im Straferkenntnis aus, die "Cash-Center" hätten durch Eingabe von Bargeld zur Herstellung von Spielguthaben auf den jeweils benachbart aufgestellten Glücksspielgeräten sowie zur Auszahlung von Spielguthaben gedient. Somit seien sie bloß als extern angeordnete Banknoteneingabe- bzw. Banknotenausgabevorrichtung verwendet worden. Sie seien für die festgestellten verbotenen Ausspielungen unverzichtbar gewesen, weshalb sie (jeweils) "als sonstiger Eingriffsgegenstand im Sinne des § 53 Abs. 1 GSpG zu qualifizieren" seien.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der von den Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde statt, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG iVm § 38 VwGVG ein. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig. 4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass dem Zweitmitbeteiligten im Spruch des behördlichen Straferkenntnisses neun Tathandlungen zur Last gelegt, ihm jedoch "nicht zuordenbar lediglich 6 übertretene Verwaltungsnormen vorgeworfen und 'lediglich' 6 Geldstrafen verhängt" worden seien. Eine Zuordnung "der vorgeworfenen Tathandlung zur übertretenen Verwaltungsvorschrift und zur Strafbestimmung" sei nicht möglich, sodass dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG nicht entsprochen werde. Weder aus dem Spruch noch aus der Begründung des Straferkenntnisses erschließe sich, "welche der angelasteten Tathandlung keine Verwaltungsübertretung" darstelle und für welche keine Strafe verhängt werde. Folge man dem Spruch, sei "eine Bestrafung lediglich für die als Eingriffsgegenstände bezeichneten 'Cash-Center' möglich". Im Ergebnis liege dem Straferkenntnis "kein ausreichend konkreter Vorwurf zu Grunde", weshalb dieses zu beheben und das Verfahren einzustellen gewesen sei. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der Landespolizeidirektion Steiermark.
6 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 7 Der Zweitmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 In der Revision wird (unter anderem) geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Konkretisierungsgebot des § 44a VStG abgewichen, da die Zuordnung der einzelnen Übertretungen zu den verletzten Verwaltungsvorschriften eindeutig möglich gewesen sei. Das Verwaltungsgericht habe damit zu Unrecht das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. 9 Die Revision erweist sich bereits aus diesem Grund als zulässig und auch begründet:
10 Der Bestimmung des § 44a Z 1 VStG wird - aus Rechtschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Strafbescheides bzw. der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren
in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, die beschuldigte Person rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch für die Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG gegeben ist. Das bedeutet, dass die der beschuldigten Person vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit diese in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0027, mwN).
11 Das Verwaltungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung (wozu auch die Tathandlung gehört) durch die Behörde gesetzt wurde (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033, mwN). 12 Bei einem "Cash-Center" handelt es sich nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um eine Komponente eines Glücksspielgerätes, die nicht als selbstständiger Eingriffsgegenstand einer Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG iVm § 52 Abs. 2 GSpG zu Grunde gelegt werden darf (vgl. VwGH 18.7.2018, Ra 2017/17/0822, mwN). Im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens ist in diesem Zusammenhang vielmehr zu prüfen, ob mehrere Gegenstände gemeinsam verwendet werden, um jeweils eine einzige Ausspielung durchzuführen, sodass in diesem Zusammenhang von einem einzigen Eingriffsgegenstand auszugehen ist, der lediglich eine Bestrafung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 GSpG nach sich ziehen kann (vgl. VwGH 11.9.2018, Ra 2018/17/0151, mwN).
13 Im Revisionsfall wurde der Tatvorwurf des unternehmerischen Zugänglichmachens im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG im Straferkenntnis vom 12. Dezember 2018 ausreichend konkretisiert:
Dem Zweitmitbeteiligten wurde unter Nennung von sechs Glücksspielgeräten und drei "Cash-Centern", die zur Entgegenahme von Einsätzen sowie zur Auszahlung von Gewinnen an jeweils konkret genannten Glücksspielgeräten dienten, vorgeworfen, er habe es als zur Vertretung nach außen befugtes Organ der Erstmitbeteiligten zu verantworten, dass diese am Kontrolltag in einem näher bezeichneten Lokal verbotene Ausspielungen gegen Entgelt unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem sie deren Durchführung in ihrem Lokal geduldet habe. Dem Spruch des behördlichen Straferkenntnisses ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes - unmissverständlich zu entnehmen, welche Gegenstände im Sinne der wiedergegebenen hg. Judikatur gemeinsam verwendet wurden, um jeweils eine einzige Ausspielung durchzuführen. Dass die Amtsrevisionswerberin die "Cash-Center" im Spruch des Straferkenntnisses jeweils auch als "sonstigen Eingriffsgegenstand" bezeichnet hat, vermag daran nichts zu ändern.
14 Da das Verwaltungsgericht nach dem Gesagten zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass dem Straferkenntnis kein ausreichend konkreter Tatvorwurf zugrunde liege und das Straferkenntnis deshalb zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sei, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
15 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die Revisionswerberin in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag schon deshalb abzuweisen war (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2018/02/0116, mwN).
Wien, am 21. April 2020
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