VwGH Ra 2019/22/0153

VwGHRa 2019/22/015317.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache der N A, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. Mai 2019, VGW-151/065/16050/2018-8, betreffend Daueraufenthalt - EU (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
EURallg
NAG 2005 §2 Abs3
NAG 2005 §45
NAG 2005 §64
NAG 2005 §64 Abs1
NAG 2005 §64 Abs4
VwGG §34 Abs1
WrDiplKonv
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art3 Abs2 lita
32003L0109 Drittstaatsangehörigen-RL Art3 Abs2 litf

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220153.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die Revisionswerberin, eine pakistanische Staatsangehörige, hielt sich zwischen Juli 2008 und Juli 2012 aufgrund einer blauen Legitimationskarte rechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil ihr Vater im diplomatischen Dienst war. Am 12. Juli 2012 wurde der Revisionswerberin auf ihren Antrag ein Aufenthaltstitel "Studierende" erteilt, der wiederholt - zuletzt mit Gültigkeit bis 30. März 2017 - verlängert wurde. Am 17. März 2017 beantragte sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das VwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, ein Umstieg von einem Aufenthaltstitel "Studierende" (nunmehr "Student") auf "Daueraufenthalt - EU" sei nicht möglich, weil die Richtlinie 2003/109/EG (Daueraufenthaltsrichtlinie) auf Drittstaatsangehörige, die sich zum Zweck eines Studiums im Bundesgebiet aufhielten, nicht anwendbar sei. Die Aussagen des von der Revisionswerberin zitierten hg. Erkenntnisses vom 13. September 2011, 2011/22/0147, wonach es nur darauf ankomme, dass der Drittstaatsangehörige in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt gewesen sei, seien auf den gegenständlichen Sachverhalt betreffend Studenten nicht übertragbar. Gemäß § 64 Abs. 5 NAG sei eine Zweckänderung einer Aufenthaltsbewilligung als Student nur in den Fällen der §§ 41, 42, 43c oder 47 Abs. 2 NAG zulässig.

6 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 11.11.2013, 2011/22/0202; 19.4.2016, Ro 2015/22/0010). Auch wenn der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel "Studierender" erteilt worden sei, habe sie weiterhin mit ihren aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen im gemeinsamen Haushalt gelebt. Das VwG hätte sie daher weiterhin als niedergelassen ansehen müssen, "da ihr nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, den rechtlichen Status der Niederlassung beizubehalten." Es seien "mehrere Sachverhaltselemente als bloß ein zuletzt auf eine Aufenthaltsbewilligung gestützter Aufenthalt notwendig, um die RW, die vor Erlangung der Aufenthaltsbewilligung ihren Aufenthalt auf eine andere rechtliche Grundlage stützte, als nicht niedergelassen anzusehen." Das Normieren unterschiedlicher Berechtigungsumfänge bedeute für sich genommen noch nicht, dass ein Drittstaatsangehöriger nicht langfristig in Österreich ansässig sei. Das VwG hätte nicht nur den aktuellen Aufenthaltstitel berücksichtigen dürfen, sondern auch Feststellungen betreffend die tatsächliche Lebenssituation der Revisionswerberin in Österreich (Zusammenleben mit ihrer Familie und Lebensmittelpunkt in Österreich) treffen und diese berücksichtigen müssen.

7 Damit verkennt die Revision das Regelungsregime des § 45 NAG. Diese Bestimmung setzt unter anderem voraus, dass der Drittstaatsangehörige in den letzten fünf Jahren ununterbrochen tatsächlich niedergelassen war. Eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gilt gemäß § 2 Abs. 3 NAG nicht als Niederlassung; einer solchen Aufenthaltsbewilligung ist wesensimmanent, dass sie an die Dauer des Studiums gebunden ist und (ausgenommen eine einmalige Verlängerung nach erfolgreichem Abschluss des Studiums zum Zweck der Arbeitssuche oder der Unternehmensgründung gemäß § 64 Abs. 4 NAG) nicht über dessen Ende hinaus verlängert werden kann. Anders als in den von der Revisionswerberin zitierten hg. Erkenntnissen (VwGH 11.11.2013, 2011/22/0202; 19.4.2016, Ro 2015/22/0010), in denen die Drittstaatsangehörigen vor ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" jeweils Aufenthaltstitel "Künstler" innehatten, ist im vorliegenden Fall aus dem Hinweis auf die Richtlinie 2003/109/EG nichts zu gewinnen, weil diese gemäß deren Art. 3 Abs. 2 keine Anwendung findet, wenn sich die Drittstaatsangehörigen zwecks Studium oder Berufsausbildung (lit. a) im Bundesgebiet aufhalten oder deren Rechtsstellung unter anderem durch das Wiener Übereinkommen von 1961 über diplomatische Beziehungen geregelt ist (lit. f). Die Revisionswerberin erfüllt somit nicht die Voraussetzung, niedergelassen zu sein. Daran vermag - entgegen der offenbar in der Revision vertretenen Ansicht - auch der Umstand, dass sie ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet habe und hier mit ihrer Familie lebe, aufgrund des klaren Wortlautes des § 2 Abs. 3 NAG nichts zu ändern.

Bei dieser Beurteilung kann dahinstehen, ob der Aufenthalt aufgrund einer blauen Legitimationskarte bis Juli 2012 als Niederlassung im Sinn des NAG zu beurteilen ist, weil die Revisionswerberin ihren Aufenthalt nicht innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung auf diese Rechtsgrundlage stützte (vgl. auch § 44 Abs. 2 NAG, wonach Drittstaatsangehörigen, die Träger von Privilegien und Immunitäten waren, nach ihrer Ruhestandsversetzung - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit" erteilt werden kann, sofern sie im unmittelbaren Anschluss an ihre Tätigkeit als Träger von Privilegien und Immunitäten weiter in Österreich verbleiben wollen).

8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. September 2019

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