VwGH Ra 2019/21/0099

VwGHRa 2019/21/009919.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des H H in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Februar 2019, W153 1422769- 5/2E, betreffend insbesondere Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, Rückkehrentscheidung, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210099.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste nach seinen Angaben am 10. Oktober 2011 illegal ins Bundesgebiet ein. Er stellte am 11. Oktober 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der zuletzt vollinhaltlich abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis vom 5. Juli 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das Verfahren zudem gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück.

2 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 28. Oktober 2013 (abgeändert durch Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 18. Februar 2014) war über den Revisionswerber wegen des im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem anderen afghanischen Staatsangehörigen am 3. Februar 2013 in einem Waldstück in Fronleiten ungeachtet vehementer Gegenwehr des körperlich weit unterlegenen Opfers begangenen Verbrechens der Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten rechtskräftig verhängt worden. Diese Freiheitsstrafe verbüßte der Revisionswerber bis zu seiner bedingten Entlassung am 28. August 2015.

3 Mit Bescheid vom 28. Dezember 2018 sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und erließ (mit Bezug auf die in Rn. 2 erwähnte Straftat) gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG setzte es die Frist für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 21. Februar 2019 wies das BVwG eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend verwies das BVwG, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, auf das erwähnte massive Verbrechen und die eher geringe seit dem Jahr 2011 in Österreich erreichte Integration (Besuch eines Deutsch-Elementarkurses auf der Stufe A1 ohne Ablegung einer Prüfung, Fehlen von Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich sowie jeder Berufstätigkeit, Beginn einer Tätigkeit als ehrenamtlicher Seniorenbegleiter erst im November 2018 - laut den übernommenen Feststellungen des BFA im Umfang von zwei Stunden pro Woche) und darauf, dass sich im Herkunftsstaat (in der Provinz Ghazni) die Familie des Revisionswerbers (Ehefrau und zwei Töchter, der Sohn sei durch einen Blitzschlag ums Leben gekommen) aufhielten.

6 Zu § 52 Abs. 9 FPG legte das BVwG dar, eine Konvertierung des Revisionswerbers zum Christentum könne - wie schon das BVwG im Erkenntnis vom 5. Juli 2017 ausgeführt habe - nicht festgestellt werden.

Dem Revisionswerber stünden in Afghanistan jedenfalls in Mazar-e-Sharif und in Herat ausreichend sichere Möglichkeiten zur Verfügung, sich niederzulassen. Er sei nämlich nicht vulnerabel, jung, gesund und arbeitsfähig, habe sein gesamtes Leben bis zur gegenständlichen Ausreise in Afghanistan verbracht, dort seine Sozialisierung erfahren, die Schule besucht und sei danach im familieneigenen Geschäft tätig gewesen. Es bestünden unverändert starke Bindungen zu seinen (in der Provinz Ghazni lebenden) Familienangehörigen; laut eigenen Angaben unterhalte er aktuell Kontakte zur Ehegattin, seinen Kindern und seinem Bruder. Stichhaltige Gründe für die Annahme einer Gefährdung nach Art. 2 oder 3 EMRK seien, wie das BVwG schon im erwähnten Erkenntnis vom 5. Juli 2017 näher dargelegt habe, unverändert nicht ersichtlich. Der Revisionswerber habe (trotz Hinweises im genannten Erkenntnis darauf, dass es dem Antragsteller obliege, eine subsidiären Schutz rechtfertigende Bedrohungssituation im Staatsgebiet Afghanistans glaubhaft zu machen) nach wie vor keine gewichtigen Gründe für die Annahme eines realen Risikos im Sinn der genannten Bestimmungen der EMRK dargelegt. Solche Anhaltspunkte seien auch im Verfahren nicht hervorgekommen. Es sei weiters davon auszugehen, dass der Revisionswerber in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, ohne also in eine existenzbedrohende oder wirtschaftlich ausweglose Lage zu geraten.

7 Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Insoweit wendet sich der Revisionswerber, der auf die von ihm im Verfahren vor dem BVwG noch behauptete Konversion zum Christentum nicht mehr zurückkommt, unter Hinweis auf die Richtlinien des UNHCR vom 30. August 2018 zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender gegen die Annahme des BVwG, ihm wäre eine ausreichend sichere Ansiedelung etwa im Bereich von Mazar-e-Sharif und Herat möglich und zumutbar.

Dabei macht die Revision geltend, der Beurteilung des BVwG lägen Länderfeststellungen zugrunde, die im Zeitpunkt der Entscheidung nicht die gebotene Aktualität aufgewiesen hätten. Die erwähnten Richtlinien vom 30. August 2018 seien dagegen unberücksichtigt geblieben.

10 Dem Revisionswerber ist insoweit beizupflichten, dass das BVwG seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, in der Revision die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 19.6.2019, Ra 2018/01/0475, Rn. 9; VwGH 17.7.2019, Ra 2019/19/0110, Rn. 10, und VwGH 2.8.2019, Ra 2018/19/0615, Rn. 9, jeweils mwN). 11 Eine Relevanzdarstellung in diesem Sinn lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen wie auch den weiteren Revisionsausführungen nicht entnehmen. Vor dem Hintergrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG, wonach es sich bei dem Revisionswerber um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit Arbeitserfahrung in Afghanistan handle, vermag die Revision mit ihren Ausführungen zu den Richtlinien des UNHCR vom 30. August 2018 fallbezogen weder darzulegen, dass - vor allem in der Stadt Mazar-e Sharif - eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellen würde, noch dass ihm eine Ansiedlung in dieser Stadt nicht zumutbar wäre (vgl. in Bezug auf Mazar-e Sharif etwa VwGH 27.6.2019, Ra 2019/14/0085, Rn. 16, und neuerlich VwGH 2.8.2019, Ra 2018/19/0615, Rn. 10, mwN).

12 In der Revision wird auch nicht konkret darlegt, welche weiteren Feststellungen (insbesondere auf Grund der UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018) zur Lage in Mazar-e Sharif bzw. Herat oder zu den persönlichen Umständen des Revisionswerbers zu treffen gewesen wären, sodass sie den in der eben zitierten Judikatur dargestellten Anforderungen nicht gerecht wird. Die Revision vermag insgesamt nicht aufzuzeigen, dass die Annahme des BVwG, dem Revisionswerber stehe auf Grundlage der getroffenen Feststellungen auch ohne unmittelbare soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte in Mazar-e Sharif bzw. Herat eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, unvertretbar wäre (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 17.7.2019, Ra 2019/19/0110, Rn. 11, mwN).

13 Nach dem Gesagten vermag die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 19. September 2019

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