Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGVG 2014 §33 Abs1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210008.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 21. März 2018 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass dem Revisionswerber, einem georgischen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren, verbunden mit der Feststellung gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2 Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber am 28. März 2018 persönlich ausgehändigt.
3 Am 26. April 2018 wurde gegen den genannten Bescheid durch den nunmehr anwaltlich vertretenen Revisionswerber eine an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete Beschwerde beim BFA per Email eingebracht.
4 Nach Ergehen eines Verspätungsvorhalts durch das Bundesverwaltungsgericht stellte der Revisionswerber, abermals durch seinen Rechtsanwalt vertreten, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist unter gleichzeitiger (neuerlicher) Einbringung der Beschwerde. Er brachte vor, dass am 25. April 2018 (dem letzten Tag der Beschwerdefrist) seitens eines in der Kanzlei des Rechtsvertreters tätigen Rechtsanwaltsanwärters telefonisch mit dem BFA Kontakt aufgenommen worden sei, um das exakte Zustelldatum des Bescheides vom 21. März 2018 zu eruieren und dann die bereits vorbereitete Beschwerde fristgerecht einzubringen. Er habe von einer Mitarbeiterin des BFA die Auskunft erhalten, dass das exakte Zustelldatum zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht herausgefunden werden könne; sie habe jedoch versichert, dass der Bescheid am 29. März 2018 versendet worden sei. Gemäß dieser Auskunft sei davon auszugehen gewesen, dass die Beschwerdefrist frühestens am 29. März 2018 zu laufen begonnen und am 26. April 2018 geendet habe. Auf Grund dieses unvorhergesehenen Ereignisses sei der Rechtsvertreter an der fristgerechten Erhebung der Beschwerde gehindert gewesen, wobei die Versäumung der Frist allenfalls auf ein Versehen minderen Grades zurückzuführen sei. Der betreffende Rechtsanwaltsanwärter sei bisher stets zuverlässig gewesen und habe sämtliche Fristen sorgfältig und genauestens vermerkt und in Erfahrung gebracht. Der Rechtsvertreter sei seiner Überwachungs- und Kontrollpflicht durch regelmäßige Überprüfung der Tätigkeit des Rechtsanwaltsanwärters nachgekommen. Der Umstand, dass es hier allenfalls auf Grund eines Missverständnisses im Rahmen der Kommunikation zwischen der Mitarbeiterin des BFA und dem Rechtsanwaltsanwärter zur Versäumung der Beschwerdefrist gekommen sei, stelle jedenfalls nur ein Versehen minderen Grades dar. Beigelegt wurde ein eidesstättige Erklärung des Rechtsanwaltsanwärters, wonach auf Grund eines ihm "unerklärlichen Missverständnisses oder allenfalls eines akustischen Übertragungsfehlers" als frühester Zustelltermin für den Bescheid vom 21. März 2018 der 29. März 2018 erfragt worden sei.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab und die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG als verspätet zurück.
6 Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass der Bescheid vom 21. März 2018 dem Revisionswerber durch persönliche Ausfolgung am 28. März 2018 zugestellt worden sei. Der Rechtsvertreter habe am 17. April 2018 Akteneinsicht beim BFA genommen, woraus für ihn jedenfalls das genaue Zustelldatum ersichtlich gewesen sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag seien keine Ausführungen darüber zu entnehmen, warum die bereits vorbereitete Beschwerde nicht noch am 25. April 2018 versendet worden sei. Es sei auch nicht ersichtlich, warum trotz der am 17. April 2018 erfolgten Akteneinsicht noch eine telefonische Rückfrage für erforderlich erachtet worden sei. Der Revisionswerber habe daher kein Ereignis im Sinn des § 33 VwGVG anzuführen vermocht, welches zu einer Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrags zu führen hätte. Es stelle keinen minderen Grad des Versehens dar, wenn der Irrtum auf eine unterbliebene unverzügliche Überprüfung des tatsächlichen Zustellzeitpunkts zurückzuführen sei. Der Rechtsvertreter sei nach der Akteneinsicht am 17. April 2018, anlässlich deren er das genaue Zustelldatum feststellen habe können, nicht an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert gewesen. Dies sei auch am 25. April 2018 nicht der Fall gewesen, da er die nach eigenen Angaben bereits an diesem Tag vorbereitete Beschwerde trotz falscher Behördenauskunft noch am selben Tag - und somit rechtzeitig - hätte einbringen können.
7 Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen. In Folge dessen sei die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen gewesen.
8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht schließlich aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber geltend, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, ob ein Wiedereinsetzungsgrund vorgelegen sei, in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden sei. Dazu führt er näher aus, dass im Rahmen der Akteneinsicht am 17. April 2018 zwar tatsächlich das Zustelldatum wahrgenommen und in der Folge ein Fristvormerk für den 25. Mai 2018 (offenbar gemeint: 25. April) gesetzt worden sei. Nach den Vorgaben des Rechtsvertreters an seine Kanzleibediensteten werde ein solcher Fristvormerk jedoch für den frühestmöglichen Zeitpunkt eines Fristablaufs berechnet; der konkrete Ablauf der Frist sei dann jeweils bei Eintritt des Fristvormerks auf Grund des Zustelldatums zu kontrollieren. Diesen Vorgaben habe der Rechtsanwaltsanwärter entsprochen, indem er am 25. Mai 2018 (offenbar gemeint: 25. April) das Zustelldatum durch Anruf beim BFA überprüft habe. Es hätten in der Folge weder für ihn noch für den Rechtsvertreter Gründe bestanden, die erteilte Auskunft der Mitarbeiterin des BFA in Zweifel zu ziehen. Eine eingehendere Überprüfung dieser Auskunft sei schon auf Grund der fortgeschrittenen Tageszeit nicht mehr möglich gewesen.
12 Die Beurteilung, ob ein im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades, unterliegt - als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung -
der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 31.5.2017, Ra 2017/22/0064, mwN).
13 Eine derartige Fehlbeurteilung wird von der Revision nicht aufgezeigt.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch dazu VwGH 31.5.2017, Ra 2017/22/0064, mwN) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Der Rechtsanwalt muss gegenüber seinen Mitarbeitern (auch den juristischen) der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht nachkommen. Für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfrist ist grundsätzlich immer der Rechtsanwalt selbst verantwortlich. Im Hinblick auf die Bedeutung für die Wahrung der Rechtsmittelfrist besteht in Bezug auf das Zustelldatum eine besondere Prüfpflicht.
15 Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dem Rechtsvertreter angesichts dieses strengen Sorgfaltsmaßstabs nicht nur ein minderer Grad des Versehens vorzuwerfen war, kann nicht als unvertretbar erkannt werden, zumal der Revisionswerber auch nicht dargelegt hat, warum einer am letzten Tag der vorgemerkten Frist eingeholten telefonischen Auskunft des BFA mehr Gewicht beigemessen wurde als dem auf Grund der Akteneinsicht erstellten Fristvormerk bzw. warum nicht im Zweifel die bereits vorbereitete Beschwerde sogleich eingebracht wurde.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. Jänner 2019
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