VwGH Ra 2019/20/0455

VwGHRa 2019/20/045530.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des M R, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Juli 2019, Zl. W195 2205150- 1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §19 Abs1
AVG §45 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200455.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 8. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er zunächst an, Furcht vor Verfolgung aus politischen Gründen zu haben. In weiterer Folge führte er im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, homosexuell zu sein, weshalb ihm in seinem Herkunftsstaat Verfolgung drohe.

2 Mit Bescheid vom 27. Juli 2018 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bangladesch zulässig sei und die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei. Begründend führte es im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe die von ihm behauptete homosexuelle Orientierung nicht glaubhaft machen können.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 In der gegen das angefochtene Erkenntnis gerichteten außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG sei im Zusammenhang mit der behaupteten Homosexualität des Revisionswerbers von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung und zur Begründungspflicht von Erkenntnissen abgewichen. Die Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers habe es unter anderem damit begründet, dass der Revisionswerber die behauptete homosexuelle Orientierung nicht bereits in der Erstbefragung geltend gemacht habe. In diesem Zusammenhang habe es auch die einschlägigen UNHCR-Richtlinien außer Acht gelassen, nach denen infolge Diskriminierungserfahrungen viele homosexuelle Flüchtlinge ihre sexuelle Orientierung erst zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren offenbarten und dies nicht dazu führen solle, dass allein deshalb der Person die Glaubwürdigkeit abgesprochen werde. Im Rahmen der Beweiswürdigung habe sich das BVwG auch nicht mit dem vom Revisionswerber vorgelegten Mitgliedsausweis der H auseinandergesetzt.

8 Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/20/0366, mwN). 9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 5.8.2019, Ra 2018/20/0320 bis 0325, mwN).

10 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof insofern aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0546, mwN).

11 Im vorliegenden Fall stützte sich das BVwG in seiner Beweiswürdigung nicht allein darauf, dass der Revisionswerber die behauptete homosexuelle Orientierung nicht schon in der Erstbefragung geltend gemacht habe, sondern auch auf weitere - für sich betrachtet tragfähige - Erwägungen. So führte es insbesondere Widersprüche in den Angaben des Revisionswerbers zum Ablauf seiner ersten sexuellen Kontakte in Bangladesch ins Treffen, welche die Revision nicht zu entkräften vermag. Daneben verwies das BVwG auch auf die Angaben des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung, wonach er bereits vor zweieinhalb Jahren an Veranstaltungen des Vereins "Q" teilgenommen habe, obwohl er dem widersprechend in der Einvernahme vor dem BFA noch anführte, den genannten Verein nicht zu kennen und nicht in das Vereinslokal zu gehen. Vor dem Hintergrund der vom BVwG aufgezeigten Widersprüche begegnet es auch keinen Bedenken, dass es sich mit der Mitgliedschaft des Revisionswerbers bei der H nicht näher auseinandersetzte, zumal es darlegte, dass auch das vorgelegte Unterstützungsschreiben des Vereines "Q" keinen Nachweis für die Homosexualität des Revisionswerbers liefere. Im Ergebnis erweist sich die Beweiswürdigung des BVwG daher nicht als unvertretbar im Sinn der dargestellten Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes. 12 Insoweit kann auch dahingestellt bleiben, ob die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderberichte die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber drohe selbst bei Wahrunterstellung seiner Fluchtgründe keine asylrelevante Verfolgung in Bangladesch, zu tragen vermögen. Das in der Revision erstattete Vorbringen, das BVwG habe näher bezeichnete Länderberichte zur Lage der LGBTI-Gemeinschaft in Bangladesch nicht berücksichtigt, geht daher ins Leere.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2019

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