VwGH Ra 2019/20/0285

VwGHRa 2019/20/028526.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des U C O in K, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2019, I407 2209996-1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
BVwG-EVV 2014 §1
BVwG-EVV 2014 §1 Abs1 Z1
BVwG-EVV 2014 §1 Abs2
BVwGG 2014 §19
BVwGG 2014 §21
BVwGG 2014 §21 Abs6
GO BVwG 2014 §20 Abs2
GO BVwG 2014 §20 Abs7
VwGG §25a Abs5
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200285.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Oktober 2018 wurde der vom Revisionswerber, einem nigerianischen Staatsangehörigen, am 22. September 2015 nach dem Asylgesetz 2005 gestellte Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei, und die Frist für die freiwillige Ausreise mit drei Monaten ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis - ohne Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 Der Revisionswerber macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine Verhandlung durchführen müssen. Soweit er sich dabei auf Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG und die dazu ergangene Rechtsprechung bezieht, ist er darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung, die sich auf das Verfahren vor dem früher eingerichtet gewesen unabhängigen Bundesasylsenat bezogen hat, bereits seit 1. Juli 2008 nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (sh. die mit BGBl. I Nr. 4/2008 unter dessen Art. 6 kundgemachten Änderungen des EGVG).

7 Mit der vom Revisionswerber der Sache nach angesprochenen Bestimmung des (am 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen) § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG ("Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.") hat sich der Verwaltungsgerichtshof ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, auseinandergesetzt. Demnach sind für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen - und auch hier maßgeblichen - Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich:

8 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

9 Demnach entspricht die Ansicht des Revisionswerbers, eine Verhandlung dürfe stets dann nicht unterbleiben, wenn das Vorbringen als unglaubwürdig eingestuft worden sei, nicht dem Gesetz. Mit dem in der Revision unsubstantiiert gebliebenen Vorbringen, es hätte "bezüglich der drohenden Notlage laut Vorbringen" verhandelt werden müssen, zeigt der Revisionswerber nicht auf, weshalb die oben genannten Kriterien für die Zulässigkeit der Abstandnahme von der Verhandlung nicht erfüllt gewesen wären.

10 Schließlich behauptet der Revisionswerber, die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, es seien die vom Revisionswerber vorgelegten Urkunden nicht begutachtet worden, bleibt aber völlig unkonkretisiert. Das gilt auch für das bloß pauschale Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht hätte sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen müssen.

11 Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich die Revision in den Revisionsgründen darauf beschränkt, allgemeine Rechtsausführungen zu tätigen, ohne einen konkreten Bezug zum Fall des Revisionswerbers herzustellen.

12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

13 Bei diesem Ergebnis musste nicht mehr weiter darauf Bedacht genommen werden, dass die Revision durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Weg des Telefax ohne weitere technische Erläuterungen und ohne Vorlage von Bescheinigungsmitteln beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde, obwohl Rechtsanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gemäß § 21 Abs. 6 erster Satz Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet sind und diese Personen gemäß § 1 Abs. 2 BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung (BVwG-EVV) in der Eingabe zu bescheinigen haben, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr (iSd § 1 Abs. 1 Z 1 BVwG-EVV) nicht vorliegen, sofern sie Schriftsätze nicht im elektronischen Rechtsverkehr einbringen (vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Bestimmungen VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198, wonach, weil die Revision gemäß § 25a Abs. 5 VwGG beim Verwaltungsgericht einzubringen ist, deren elektronische Einbringung nicht nach dem VwGG, sondern nach den für die Verwaltungsgerichte geltenden Bestimmungen zur elektronischen Einbringung zu beurteilen ist).

 

 

Die gegenständliche Revision wäre nämlich auch nach einer dem Gesetz entsprechenden Einbringung (vgl. § 21 Abs. 6 zweiter Satz BVwGG, demzufolge ein Verstoß gegen den ersten Satz des § 21 Abs. 6 BVwGG wie ein Formmangel behandelt wird, der zu verbessern ist) mangels des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen, sodass sich im vorliegenden Fall die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages als entbehrlich erweist.

Wien, am 26. Juni 2019

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