VwGH Ro 2019/18/0001

VwGHRo 2019/18/000110.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2018, Zl. W234 2194681- 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: T K), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §18 Abs1
EURallg
32013L0032 IntSchutz-RL
62017CJ0297 Ibrahim VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019180001.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt A.I.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein georgischer Staatsangehöriger, stellte am 19. November 2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 6. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005; Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Mit Spruchpunkt VI. des Bescheides erkannte das BFA einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1245 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Überdies stellte das BFA fest, dass der Mitbeteiligte sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 verloren habe (Spruchpunkt VII.), dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VIII.) und dass gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren erlassen werde (Spruchpunkt IX.).

3 Die Entscheidung betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stützte das BFA unter anderem darauf, dass der Mitbeteiligte aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme und wegen einer strafrechtlichen Verurteilung aufgrund des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle.

4 Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten erließ das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das angefochtene (Teil‑)Erkenntnis, mit dem der Beschwerde in Bezug auf Spruchpunkt VI. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben wurde (Spruchpunkt A.I.). Gleichzeitig wies es einen Antrag des Mitbeteiligten auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurück (Spruchpunkt A.II.). Die Revision erklärte das BVwG für zulässig.

5 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde könne vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 19. Juni 2018, Gnandi, C-181/16 , keinen Bestand haben. Aus näher dargestellten Gründen müssten daher die Bestimmungen des § 18 Abs. 1 Z 1245 und 6 BFA-VG, auf die sich das BFA fallbezogen gestützt habe, unangewendet bleiben.

6 Gegen die ersatzlose Behebung von Spruchpunkt VI. des verwaltungsbehördlichen Bescheides wendet sich die vorliegende Amtsrevision, die zusammengefasst geltend macht, dass die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nach § 18 Abs. 1 BFA-VG mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

7 Der Mitbeteiligte erstattete dazu keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit den vom BVwG und der Amtsrevision angesprochenen Rechtsfragen in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2018, Ro 2018/18/0008, bereits auseinandergesetzt und gelangte zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass § 18 Abs. 1 BFA-VG entgegen der auch dort vertretenen Rechtsansicht des BVwG nicht generell unionsrechtswidrig ist und daher auch nicht unangewendet bleiben muss. Auf die nähere Begründung dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

10 Hervorzuheben ist lediglich, dass sich die rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis tragend auf die Regelungen der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) stützten, die nach ihrem Art. 51 Abs. 1 bis spätestens 20. Juli 2015 umzusetzen waren.

11 Diese Erwägungen sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz - anders als im oben zitierten Fall - schon vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden ist.

12 Mit Urteil vom 19. März 2019, Ibrahim, C-297/17  u.a., hat der EuGH nämlich klargestellt, dass es einem Mitgliedstaat gestattet ist, seine zur Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie) erlassenen Vorschriften mit sofortiger Wirkung (auch) auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, sofern dies vorhersehbar und einheitlich erfolgt (vgl. RNr. 60 bis 66 dieses Urteils). Das ist in Bezug auf die in Rede stehende Vorschrift des § 18 Abs. 1 BFA-VG der Fall.

13 Das angefochtene (Teil‑)Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 10. April 2019

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