VwGH Ra 2019/05/0032

VwGHRa 2019/05/003227.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der W GmbH in F, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 19. Juni 2018, Zl. LVwG 46.34-57/2018-15, betreffend einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Normen

AWG 2002 §15 Abs5a;
AWG 2002 §15 Abs5b;
AWG 2002 §73 Abs1 Z1;
AWG 2002 §73 Abs1;
AWGNov 2010;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019050032.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Darin ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0158, mwN).

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde unter Spruchpunkt I. die Revisionswerberin gemäß § 73 Abs. 1 Z 1 iVm § 15 Abs. 5a und 5b Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 verpflichtet, die auf dem Grundstück Nr. 170/1, KG W., nach Maßgabe einer (im Spruch des Erkenntnisses abgebildeten) Luftbildaufnahme lagernden, näher beschriebenen Abfälle der Schlüsselnummer 18407 (Rückstände aus der Altpapieraufbereitung) dem Behandlungsverfahren R1 nach Anhang 2 zum AWG 2002 (Hauptverwendung als Brennstoff oder als anderes Mittel der Energieerzeugung) zuzuführen, dies unter Setzung einer Reihe von Auflagen. Unter Spruchpunkt II. des Erkenntnisses wurde eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

6 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG sei, wie § 15 Abs. 5b (iVm Abs. 5a) iVm § 73 Abs. 1 AWG 2002 auszulegen sei. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) gehe offenkundig davon aus, dass bereits die Verletzung des § 15 Abs. 5a AWG 2002 aufgrund der hinzugetretenen Bestimmung des (§ 15) Abs. 5b leg. cit. aufgrund des Verursacherprinzips per se - also ohne Auseinandersetzung mit einem verursachten "Erfolg" - einen Behandlungsauftrag notwendig mache bzw. rechtfertige, wobei es sich auf das Erkenntnis VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0067, stütze. Diese Ansicht widerspreche jedoch gerade diesem Judikat. Dieses lege nämlich dar, dass sich die Verpflichtetenstellung im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 aus der Bestimmung des § 15 Abs. 5b (iVm Abs. 5a) leg. cit. ergeben könne, nicht jedoch umgekehrt. Voraussetzung - und Ausgangspunkt der weiteren Beurteilung - müsse immer erst das Zwischenergebnis sein, dass überhaupt nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 vorzugehen sei. Erst dann, wenn dies bejaht werde - also feststehe, dass ein Behandlungsauftrag zu erteilen sei -, sei zu ergründen, wer der Verpflichtete des konkreten Auftrags sein könne bzw. sei. Das Verwaltungsgericht habe also die Bestimmung des § 15 Abs. 5b iVm § 73 Abs. 1 leg. cit. "auf die dargestellte Art" unrichtig angewendet. Doch selbst wenn man einen Widerspruch "darin" nicht erkennen würde, fehle es zumindest an einer (hinreichend deutlichen) Rechtsprechung, ob bereits direkt aus § 15 Abs. 5b leg. cit. ein Vorgehen mittels Behandlungsauftrages (auch ohne die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 leg. cit. zu erfüllen und damit ohne überhaupt etwas "verursacht" zu haben) abgeleitet werden könne.

7 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

8 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ro 2016/05/0009, mwN).

9 Zu diesem Zeitpunkt stand das AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2018 in Geltung.

10 Die §§ 15 und 73 AWG 2002 lauten auszugsweise:

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

...

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1. hiefür genehmigten Anlagen oder

2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten

Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine

Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien

erfolgen.

...

(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

(5a) Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass

a) die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder

Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder -

behandler übergeben werden und

b) die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser

Abfälle explizit beauftragt wird.

(5b) Wer Abfälle nicht gemäß Abs. 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.

..."

"Behandlungsauftrag

§ 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses

Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen,

nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert,

befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von

Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3)

geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem

Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige

Handeln zu untersagen.

..."

11 Die Revision zieht die Abfalleigenschaft der im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses genannten Rückstände aus der Altpapieraufbereitung nicht in Zweifel und bestreitet in ihrer Zulässigkeitsbegründung auch nicht die im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen, dass die Revisionswerberin mit dem Kauf der Liegenschaft Nr. 951/5, Grundbuch ..., die Haftung für die Entsorgung der (zu diesem Zeitpunkt) auf dieser Liegenschaft gelagerten Rückstände aus der Altpapieraufbereitung ("Spuckstoffe") inklusive der gesamten dafür anfallenden Kosten übernommen hat (Kaufvertrag vom 4. Februar 2013). Ferner wendet sie sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht gegen die weiteren Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, dass die Revisionswerberin zwar mit Vertrag vom 27. März 2017 das Unternehmen G mit der Organisation (bzw. Vermittlung) der Entsorgung der "Spuckstoffe" beauftragt hat, wobei vereinbarungsgemäß durch das vom Unternehmen G (am selben Tag) beauftragte Unternehmen D (mit Sitz in Ungarn) die Entsorgung dieser Stoffe, und zwar nach Zwischenlagerung der Abfälle in einem österreichischen Lagerhaus in W. durch Export in einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (zwecks Weiterverkauf oder Verbrennung), durchgeführt werden sollte, dass jedoch die Revisionswerberin weiterhin Eigentümerin dieser Abfälle geblieben ist und sie auch die Transporte nach W. zur Übergabe der Abfälle an das Unternehmen D zur weiteren Behandlung (Lagerung, Export, Behandlung) selbst durchzuführen bzw. die LKWs zur Verfügung zu stellen hatte. Nach den unbestrittenen weiteren Feststellungen des Verwaltungsgerichtes wurden von Anfang April 2017 bis Mitte Mai 2017 mittels LKWs Abfälle ("Spuckstoffe") vom Grundstück Nr. 951/5 auf das Grundstück Nr. 170/1, das in einem Teilbereich das Unternehmen D von einem Dritten gemietet hatte, verbracht. Darüber hinaus wendet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung auch nicht gegen die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, dass das Unternehmen D, an das die Revisionswerberin als deren Eigentümerin die Abfälle übergeben hat, über keine Erlaubnis zur Sammlung und Behandlung der gegenständlichen Abfälle (gemeint: im Sinne des § 15 Abs. 5a lit. a bzw. des § 24a AWG 2002) verfügt und die Revisionswerberin es unterlassen hat, sich darüber zu vergewissern, ob das Unternehmen D zur Sammlung und Behandlung von Abfällen aus der Altpapieraufbereitung tatsächlich befugt ist.

12 Nach der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Z 1 AWG 2002, auf die der vorliegende Behandlungsauftrag im angefochtenen Erkenntnis (u.a.) gestützt wurde, zählen zu den die Verantwortlichkeit nach dieser Bestimmung auslösenden Handlungen das Sammeln, Lagern, Befördern, Verbringen oder Behandeln von Abfällen. Wie im genannten Erkenntnis VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0067, dargelegt wurde, kommt dazu seit der AWG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011, der ausdrückliche Verweis in § 15 Abs. 5b AWG 2002 auf ein Vorgehen nach § 73 Abs. 1 leg. cit., sodass auch bei Zuwiderhandeln gegen die in § 15 Abs. 5a leg. cit. genannten Verpflichtungen ein Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 leg. cit. erteilt werden kann. Eine Stellung als "Verpflichteter" kann damit im Falle des § 15 Abs. 5b leg. cit. mit der Verletzung der Verpflichtung zur Übergabe von Abfällen an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder -behandler gemäß § 15 Abs. 5a leg. cit. begründet werden.

13 Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung widerspricht daher die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes nicht dem Erkenntnis VwGH 26.3.2015, Ra 2014/07/0067, und ist die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage, wie § 15 Abs. 5b (iVm Abs. 5a) iVm § 73 Abs. 1 AWG 2002 auszulegen sei, in der hg. Judikatur bereits geklärt. Dass die Revisionswerberin gegen ihre Verpflichtung zur Übergabe von Abfällen an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder - behandler gemäß § 15 Abs. 5a AWG 2002 verstoßen hat, wurde im Übrigen - wie oben dargelegt - von der Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht konkretisiert in Abrede gestellt.

14 Wenn die Revision in der Zulässigkeitsbegründung vorbringt, dass die Annahmen des Verwaltungsgerichtes auf unzureichenden Ermittlungshandlungen, unzureichender Beweiswürdigung und Missachtung der Grundzüge zur Anwendung von Auswahlermessen sowie der Pflicht, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 VwGVG die Sache nach Aufhebung des Bescheids an die belangte Behörde zurückzuverweisen, basierten, wobei diese Häufung von Verfahrensfehlern, welche sich als Mängel in der Ermittlungspflicht und der Beweiswürdigung darstellten, deren Erheblichkeit zeigten, so legt sie damit bereits deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil dieses Vorbringen nicht einmal ansatzweise erkennen lässt, in Bezug auf welche konkreten Ermittlungen und auf welche im angefochtenen Erkenntnis getroffenen bzw. zu treffenden Feststellungen die behaupteten Ermittlungs- und Beweiswürdigungsmängel im Einzelnen vorliegen sollen.

15 Die Revision war daher, weil darin keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. Februar 2019

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