Normen
BFA-VG 2014 §18 Abs1 Z2
BFA-VG 2014 §18 Abs1 Z6
EURallg
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1
32005L0085 Verfahrens-RL Flüchtlingseigenschaft
32008L0115 Rückführungs-RL Art15
32013L0033 Aufnahme-RL
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210171.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte (nach einer erfolglosen Antragstellung vom 7. Dezember 2012) am 29. April 2015 einen Folge-Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 28. Februar 2018 zur Gänze abgewiesen; unter einem wurde dem Mitbeteiligten ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt; es ergingen gegen ihn u.a. eine Rückkehrentscheidung samt Ausspruch gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, sowie ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht erteilt. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 28. März 2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), das über den darin gestellten Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht absprach und die Beschwerde mit Erkenntnis vom 30. Juli 2018 als unbegründet abwies.
3 Bereits davor, nämlich mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Mandatsbescheid des BFA vom 27. Juni 2018 war über den Mitbeteiligten gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der bis 31. August 2018 geltenden Fassung des FrÄG 2015) die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung angeordnet worden.
4 Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde erklärte das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Juli 2018 die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft für rechtswidrig (Spruchpunkt A.I.). Es stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen (Spruchpunkt A.II.), traf einen entsprechenden Kostenzuspruch nach § 35 Abs. 2 VwGVG an den Mitbeteiligten (Spruchpunkt A.III.) und wies den Antrag des Mitbeteiligten auf Befreiung von der Eingabegebühr als unzulässig zurück (Spruchpunkt A.IV.). Die (ordentliche) Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B.). 5 Begründend führte das BVwG - soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung - unter Verweis auf das Erkenntnis VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, aus, auf den Mitbeteiligten, dessen Asylverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei, kämen die Bestimmungen der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Neufassung (im Folgenden: Aufnahme-RL) zur Anwendung. Der im Schubhaftbescheid vom 27. Juni 2018 herangezogene Tatbestand des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG, der als Haftgrund im Ergebnis nur auf das Vorliegen von Fluchtgefahr abstelle, lasse sich auf keinen der in Art. 8 Abs. 3 der Aufnahme-RL abschließend normierten, die Zulässigkeit von Haft gegenüber Asylwerbern erlaubenden "Ausnahmefälle" zurückführen. Die Verhängung der Schubhaft sowie die Anhaltung des Mitbeteiligten erweise sich damit als rechtswidrig. Hieraus folge auch die Unzulässigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision des BFA, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage ein Vorverfahren durchgeführt und der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat. Die Revision erweist sich als unzulässig. 7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Abspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht räumt das BFA in der Revision ein, die Anordnung von Schubhaft sei unzulässig, solange ein Fremder auf Grund eines Antrages auf internationalen Schutz "unter das Regime der Aufnahme-RL fällt". Allerdings sei dies beim Mitbeteiligten auf Grund der iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG gegebenen Durchführbarkeit der (in Rn. 1 erwähnten) Rückkehrentscheidung, die einen "Wechsel ins Regime der Rückführungs-RL" bewirke, zu verneinen, sodass sich die Anordnung von Schubhaft fallbezogen dennoch als zulässig erweise.
10 Dies trifft jedoch nicht zu, wobei im Einzelnen gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0177, verwiesen wird. Da dem Mitbeteiligten trotz Aberkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28. Februar 2018 (laut Rn. 1) vor dem Hintergrund der Verfahrens-RL ein Bleiberecht zukam, durfte er nicht nach Art. 15 der Rückführungs-RL in Haft genommen werden, was dann aber weiter bedeutet, dass die über ihn verhängte Schubhaft nur dann (und insoweit) rechtmäßig sein könnte, als die herangezogene innerstaatliche Rechtsgrundlage in der Aufnahme-RL Deckung findet. Das war in Bezug auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG idF des FrÄG 2015 aber nicht der Fall.
11 In der Revision werden insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Mai 2019
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