VwGH Ro 2018/13/0004

VwGHRo 2018/13/000427.3.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der A S.a.r.l. in L, vertreten durch Dr. Michael Sedlaczek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 4. Dezember 2017, Zl. RV/7106377/2016, betreffend Rückerstattung von Kapitalertragsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21
BAO §22
EStG 1988 §94 Z2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018130004.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist eine in Luxemburg

ansässige societe a responsabilite limitee (eine GmbH nach luxemburgischem Recht). Sie erwarb im Dezember 2014 eine Beteiligung von nicht ganz 30% an einer österreichischen Aktiengesellschaft, die einen Flughafen betreibt. Die Beteiligung erhöhte sich im Jahr 2016 auf nicht ganz 40%. Die Revisionswerberin hält keine anderen Beteiligungen. Sie beschäftigt kein Personal.

2 Muttergesellschaft der Revisionswerberin ist zu hundert Prozent eine ebenfalls in Luxemburg ansässige GmbH, die über Zwischenholdings wie die Revisionswerberin Beteiligungen im Infrastrukturbereich auch in Deutschland, Polen und Mexiko hält. Sie verfügt über Geschäftsräumlichkeiten in Luxemburg und beschäftigt Mitarbeiter.

3 Alle Anteile an der Muttergesellschaft der Revisionswerberin hält eine Gesellschaft auf den britischen Cayman Islands treuhändig für einen auf den Cayman Islands ansässigen Fonds ohne Rechtspersönlichkeit, in den vorwiegend institutionelle Pensionsfonds aus Australien, aber auch aus europäischen Ländern, den USA und Kanada investieren. Der Fonds auf den Cayman Islands wird von einer Gesellschaft mit Sitz in Australien beraten.

4 Im Zeitpunkt der Ausschüttung der verfahrensgegenständlichen

Dividende durch die österreichische Aktiengesellschaft im Mai 2015 war die Revisionswerberin noch nicht "während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr" (§ 94 Z 2 EStG 1988) an der österreichischen Aktiengesellschaft beteiligt. Es wurde (schon) aus diesem Grund Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt.

5 Nach Verstreichen der einjährigen Mindestbehaltedauer beantragte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 4. Jänner 2016 die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer gemäß § 240 in Verbindung mit § 240a BAO.

6 Über Aufforderung des Finanzamts ergänzte die Revisionswerberin den Antrag u.a. durch Vorlage des Formulars "Erklärung von Muttergesellschaften für Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten" sowie durch Angaben darüber, wer an ihrer Muttergesellschaft beteiligt sei.

7 Mit Bescheid vom 1. August 2016 wies das Finanzamt den Antrag ab.

8 In der Begründung wurde als "abgabenrechtlicher Sachverhalt" u.a. wiedergegeben, wie die Revisionswerberin die Frage nach dem wirtschaftlichen Hintergrund ihrer Muttergesellschaft beantwortet habe. Danach sei die Muttergesellschaft (verkürzt wiedergegeben) als "europäische Investitionsplattform" gegründet worden, die jeweils über Zwischenholdings wie die Revisionswerberin mehrere Investitionen vorgenommen und sich darüber hinaus erfolglos um bestimmte weitere Investitionen im Infrastrukturbereich bemüht habe. Im Fall der Beteiligung an der österreichischen Aktiengesellschaft habe die Einschaltung in Luxemburg ansässiger Gesellschaften erstens bewirkt, dass eine Vorabgenehmigung der Beteiligung durch den österreichischen Wirtschaftsminister, deren Einholung die Transaktion u.a. aus zeitlichen Gründen gefährdet hätte, nicht nötig gewesen sei. Zweitens entfalte die in Luxemburg ansässige Muttergesellschaft Aktivitäten für ihre Tochtergesellschaften und für eigene Zwecke. In den Geschäftsräumlichkeiten der Muttergesellschaft in Luxemburg seien im Jahr 2015 ein Geschäftsführer und ein Bilanzbuchhalter mit Vollzeitverträgen und ein mit 32 Wochenstunden beschäftigter Büroleiter tätig gewesen. Die Aktivitäten gliederten sich diesen Beschäftigungsverhältnissen entsprechend (jeweils näher dargestellt) in erstens strategische Initiativen betreffend die Geschäftsentwicklung und Umsetzung von Anlagemöglichkeiten, zweitens Finanzverwaltung, "Reporting" und "Compliance", wie Erstellung von Finanzberichten für die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaften sowie von aufsichtsrechtlich und steuerrechtlich vorgeschriebenen Erklärungen, und drittens Büroverwaltung betreffend Führung der Finanzkonten, Zahlungen, Vorbereitung der Geschäftsführungsunterlag en sowie Verwaltung und Aufbewahrung der Akten. Die Muttergesellschaft sei "als Plattform für eine Vielzahl von Transaktionen eingesetzt", und es sei geplant, ihre Funktionen "weiter zu entwickeln".

9 Die Revisionswerberin, so das Finanzamt, habe auch die Personalkosten nachgewiesen, wohingegen ein Aufwand für Büroräumlichkeiten in der vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2015 nicht aufgeschienen sei.

10 In rechtlicher Hinsicht stellte das Finanzamt dar, die Revisionswerberin als ausländische Muttergesellschaft der österreichischen Aktiengesellschaft sei nach Erreichen der Mindestbehaltedauer der Beteiligung grundsätzlich berechtigt, die Rückerstattung der davor einbehaltenen Kapitalertragsteuer zu verlangen. Auf das Rückerstattungsverfahren (statt einer sofortigen Quellensteuerbefreiung) sei die Revisionswerberin "nicht nur aufgrund der Nichteinhaltung der Mindestbehaltedauer" zu verweisen gewesen. Da die Revisionswerberin "als bloße Holding" fungiere, bestehe nämlich der Verdacht, dass sie nur zur Steuervermeidung zwischengeschaltet worden sei und daher Missbrauch im Sinne des § 22 BAO vorliege. Eine Rückerstattung habe nach den Ergebnissen des Salzburger Steuerdialogs 2009 nur zu erfolgen, "wenn der diesbezügliche Missbrauchsverdacht entkräftet werden kann und verlässlich ausgeschlossen werden kann, dass die Ausschüttungen nur durch Kapitalgesellschaften durchgeleitet werden soll(en)". Gewinne inländischer Gesellschaften sollten "nicht durch Zwischenschaltung von funktionslosen EU-Briefkastengesellschaften unter Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie steuerfrei unter Umgehung der österreichischen Steuerpflicht aus Österreich abgeleitet werden können". Im Rückerstattungsverfahren sei im Rahmen einer Einzelfallprüfung "das tatsächliche Vorliegen eines Missbrauchs nach § 22 BAO zu beurteilen", wobei sich "die Anwendung der Missbrauchsbestimmung des § 22 BAO innerhalb der Zielsetzung der Richtlinie sowie innerhalb der Grundfreiheiten bewegen" müsse. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne auch eine Holding ohne Personal und Betriebsräumlichkeiten sinnvolle Funktionen innehaben. Nur im Falle eines erwiesenen Missbrauchs im Sinne des § 22 BAO sei die Rückerstattung auf dieser Basis zu versagen.

11 Im vorliegenden Fall hätten die vorgelegten Unterlagen nicht ausgereicht, um den Missbrauchsverdacht zu entkräften. Es sei nämlich erstens "aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise" die Ausschüttung dem hinter der Muttergesellschaft stehenden, nicht in der EU ansässigen Fonds "zuzurechnen", dem die Privilegien der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht zustünden (Hinweis auf VwGH-Erkenntnisse zur

"Nichtanerkennung der Einkünftezurechnung an funktionslose Zwischengesellschaften", wenn die Holding-Gesellschaft am Erwerbsleben nicht in der erklärten Art und Weise teilnimmt "oder nicht zwischengeschaltet sinnvolle Funktionen erfüllt"). Zweitens liege nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Missbrauch im Sinne des § 22 BAO vor, wenn eine rechtliche Gestaltung im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen sei und nur auf Grund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich werde. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien steuerliche Vorteile kein wirtschaftlicher Grund für eine gewählte Gestaltung. Der EuGH habe deutlich gemacht, dass Gestaltungen, die "nur zum Zweck, von den vorgesehenen Steuervergünstigungen zu profitieren", gewählt würden, den Missbrauchstatbestand erfüllten.

12 Im vorliegenden Fall fehle es an Anhaltspunkten dafür, die Zwischenschaltung von Gesellschaften in Luxemburg "als wirtschaftlich sinnvoll erscheinen zu lassen". Es sei daher "keine ‚sinnvolle Funktion' für die gewählte Struktur feststellbar". Die geltend gemachten Gründe für die "Zwischenschaltung" der beiden Gesellschaften in Luxemburg seien "aus steuerlicher Sicht nicht nachvollziehbar". Ihre Zwischenschaltung erkläre sich "daher mit dem Zweck einer Vermeidung der sonst die Gewinnausschüttung treffenden Kapitalertragsteuerbelastung". Somit sei "in Österreich" die Gewinnausschüttung "unmittelbar" dem Fonds auf den Cayman Islands "zuzurechnen".

13 Der "einzig erkennbare Zweck der gewählten Gesellschaftsstruktur" sei "die Durchleitung von Gewinnausschüttungen" der österreichischen Aktiengesellschaft nach den Cayman Islands "möglichst unter Ausnutzung der Privilegien der Mutter-Tochter-Richtlinie". In "wirtschaftlicher Betrachtungsweise" sei die Ausschüttung "offensichtlich" der Treuhandgesellschaft auf den Cayman Islands "bzw. den dahinterstehenden Anteilsinhabern eines australischen Pensionsfonds zuzurechnen". Es spreche "daher alles dafür, dass iSd Directive Shopping, die ausgeschüttete Dividend(e) nicht dem zivilrechtlichen Eigentümer auch tatsächlich wirtschaftlich zugerechnet werden kann, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war".

14 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 22. September 2016 Beschwerde, worin sie zu den Sachverhaltsannahmen des Finanzamts u.a. darlegte, alle wesentlichen Entscheidungen der Revisionswerberin und ihrer Muttergesellschaft würden von der (personell identischen) Geschäftsführung in Luxemburg getroffen. Die Annahme einer Zwischenschaltung "funktionsloser" Gesellschaften in Luxemburg finde aber auch in dem vom Finanzamt dargestellten Sachverhalt keine Deckung. Wirtschaftlicher Zweck der gewählten Gestaltung sei es, wie nun noch näher dargelegt wurde, "die unterschiedlichen Beteiligungen nach Sektoren, Regionen und Geschäftsfeldern zu gliedern, wodurch erst eine professionelle Verwaltung der langfristigen Industriebeteiligungen und der sonstigen Firmenbeteiligungen gewährleistet ist". Die Ressourcen, die die Revisionswerberin zur Verwaltung der Beteiligung an der österreichischen Aktiengesellschaft benötige, beziehe sie auf Grund eines fremdüblichen Dienstleistungsvertrages entgeltlich von ihrer Muttergesellschaft. Von der nach Meinung des Finanzamts "durchgeleiteten" Dividende habe die Revisionswerberin zur Deckung ihres Aufwandes etwa 10% einbehalten. Dass es sich bei ihrer Muttergesellschaft um eine "funktional ökonomisch begründete Plattform für langfristige Investitionen in einem bestimmten Sektor" handle, zeige auch ihre Beteiligung an Unternehmen in Mexiko. Die Muttergesellschaft habe in den Jahren 2014 und 2015 neben dem Personalaufwand auch näher dargestellte und belegte Aufwendungen für Büroräumlichkeiten in Luxemburg gehabt.

15 Die Revisionswerberin und ihre Muttergesellschaft seien aus diesen Gründen keine "funktionslosen Briefkastenfirmen", und es liege keine "rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung" vor (Hinweis auf EuGH 12.9.2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04 , Rn. 55 und 68). Der Sachverhalt zeige vielmehr, "dass es einen genuinen Bezug zu Luxemburg gibt mit lokalen Mitarbeitern und Büroräumlichkeiten". Für einen Missbrauchsverdacht bestehe kein Raum.

16 In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht am 9. November 2017 führte der Vertreter der Revisionswerberin in Bezug auf diese ergänzend aus, die nicht unübliche Einschaltung von Zwischenholdinggesellschaften trage zur Transparenz bei der Beurteilung des Investments bei. Die Muttergesellschaft sei "eine operativ tätige gewerbliche Holding" und in Luxemburg auch umsatzsteuerpflichtig. Es handle sich um eine weltweit operierende Investitionsplattform mit jeweils über Zwischenholdinggesellschafte n gehaltenen, im Jahr 2017 weiter vermehrten Beteiligungen innerhalb und außerhalb des EU-Raumes.

17 Der Vertreter des Finanzamts erwiderte, die Frage einer operativen Tätigkeit sei "nicht das Problem". "Letztlich" stecke hinter der Muttergesellschaft der "letztlich" australische Fonds, der "über dieselben handelnden Personen" verfüge, sodass sich die Frage stelle, "warum nicht die Holding in Australien angesiedelt ist". Der Zweck liege "offensichtlich" in den Vorteilen der Mutter-Tochter-Richtlinie (Hinweis auf VwGH 26.6.2014, 2011/15/0080, VwSlg 8927/F).

18 Dem hielt der Vertreter der Revisionswerberin entgegen, der auf den Cayman Islands ansässige Fonds sei nicht australisch und auch die "ultimate shareholders" hätten ihren Sitz zum Teil in der EU. Personenidentität habe im Streitzeitraum zwischen den für die Revisionswerberin und für ihre Muttergesellschaft tätigen Personen bestanden. Die drei Mitarbeiter der Muttergesellschaft hätten aber keine Funktion beim Fonds. Ausschlaggebend sei, ob eine in Europa operativ tätige Holdinggesellschaft, die teilweise Drittstaatsangehörigen gehöre, "rein künstlich" sei. Der EuGH habe zuletzt entschieden, dass die Vermutung von rein künstlichen Sachverhalten bei Etablierung einer europäischen Holding durch Drittstaatsangehörige "nicht EG-konform" sei (Vorlage einer Kopie des Urteils EuGH 7.9.2017, Eqiom und Enka, C-6/16 ).

19 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

20 Es verwies nach einer kurzen Darstellung der Beteiligungsverhältnisse zunächst darauf, dass im Übernahmeangebot der Revisionswerberin zur Aufstockung der Beteiligung an der österreichischen Aktiengesellschaft im Jahr 2016 im Punkt "Künftige Unternehmenspolitik" von der "Investitionspolitik" des Fonds sowie davon die Rede gewesen sei, dass dieser die Mittel und "über" die ihn beratende (australische) Gesellschaft auch das Knowhow dafür habe, die Zielgesellschaft (österreichische Aktiengesellschaft) "über die Bieterin" (die Revisionswerberin) zu unterstützen. Die Bieterin beabsichtige derzeit, keinen Einfluss auf das Tagesgeschäft oder die zukünftige Strategie der Zielgesellschaft auszuüben. Der Fonds und die ihn beratende Gesellschaft seien "weiterhin bereit, der Zielgesellschaft (über die Bieterin) ihr Know-how im Flughafensektor zur Verfügung zu stellen", soweit dies gewünscht werde.

21 Dem folgte eine Darstellung des Verfahrensganges, wobei als "der Entscheidung" (gemeint offenbar: des Finanzamts) zugrunde liegender "Sachverhalt" im Anschluss an eine Wiedergabe der rechtlichen Würdigung des Finanzamts der in dessen Bescheid dargestellte "abgabenrechtliche Sachverhalt" (unter Einschluss des Vorbringens der Revisionswerberin über den "wirtschaftlichen Hintergrund") beschrieben wurde. Zum Vorbringen des Finanzamts in der Verhandlung wurde angemerkt, zwei für die Revisionswerberin und deren Muttergesellschaft tätige Personen seien den vorliegenden Unterlagen nach zwar nicht Funktionäre des Fonds, aber Geschäftsführer der ihn beratenden australischen Gesellschaft gewesen. Sonstige eigene Feststellungen zum Sachverhalt traf das Bundesfinanzgericht nicht.

22 In rechtlicher Hinsicht stellte das Bundesfinanzgericht zunächst dar, die Revisionswerberin sei eine ausländische Körperschaft, die die in der Anlage 2 zum EStG 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie 2011/96/EU über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (im Folgenden: Richtlinie) erfülle.

23 Gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 habe der Abzugsverpflichtete (im vorliegenden Fall: die österreichische Aktiengesellschaft) bei der Ausschüttung einer Dividende an eine solche Körperschaft keine Kapitalertragsteuer abzuziehen, wenn die Körperschaft mindestens zu einem Zehntel beteiligt sei und die Beteiligung während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestanden habe.

24 Davon abweichend sei Kapitalertragsteuer u.a. dann einzubehalten, wenn Gründe vorliegen, wegen derer der Bundesminister für Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerverkürzung und Missbrauch (§ 22 BAO) durch Verordnung anordne. In diesen Fällen sei gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 "eine der Richtlinie entsprechende Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Antrag der Muttergesellschaft durch ein Steuerrückerstattungsverfahren herbeizuführen".

25 Im vorliegenden Fall sei die Voraussetzung der einjährigen Mindestbehaltedauer im Zeitpunkt der Ausschüttung nicht erfüllt gewesen, sodass Kapitalertragsteuer einzubehalten gewesen sei. Eine Steuerrückerstattung für den Fall des späteren Erreichens der Mindestbehaltedauer sei im Gesetz (anders als im früheren § 94a EStG 1988) nicht ausdrücklich vorgesehen. Sie werde "aufgrund europarechtlicher Vorgaben" gewährt (Hinweis auf Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16, § 94 Tz 43 f).

26 Daran anschließend stellte das Bundesfinanzgericht Inhalte der noch zum früheren § 94a EStG 1988 erlassenen Verordnung dar, auf die der Verweis auf eine Verordnung in § 94 Z 2 EStG 1988 zu beziehen sei.

27 Dem folgten - ohne Bezugnahme auf die Richtlinie oder dazu ergangene Judikatur des EuGH - Ausführungen zu den Voraussetzungen eines Missbrauchs im Sinne des § 22 BAO nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes und eines Rechtsmissbrauchs nach der Rechtsprechung des deutschen BFH. Zu den Voraussetzungen einer Rückerstattung von Kapitalertragsteuer an eine ausländische Muttergesellschaft (in einem Fall, in dem die Entlastung an der Quelle in Anwendung der Verordnung unterblieben war) verwies das Bundesfinanzgericht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, 2011/15/0080, VwSlg 8927/F. Die Beherrschung einer Holdinggesellschaft (damals in Zypern) durch (damals in Russland ansässige) Personen, denen die Steuerentlastung nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, so wie dies im vorliegenden Fall auf den nicht in der EU ansässigen Fonds zutreffe, spreche nach diesem Erkenntnis "für das Vorliegen missbräuchlicher Rechtsgestaltung, wenn für die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet".

28 Auf dieser Grundlage beurteilte das Bundesfinanzgericht den Fall wie folgt:

"Als wirtschaftlicher Zweck der (Revisionswerberin und ihrer Muttergesellschaft) wird in der Beschwerde die Gliederung der unterschiedlichen Firmenbeteiligungen nach Sektoren, Regionen und Geschäftsfeldern, um eine professionelle Verwaltung der Beteiligungen zu gewährleisten, angeführt. Dies führe zu einer Optimierung der Verwaltungs- und Organisationstätigkeit in Form von Konzentration und Ergebnissteigerung. Die (Muttergesellschaft) diene als Plattform für eine Vielzahl von unterschiedlichen, jedoch langfristigen Investitionen im Infrastrukturbereich. - Mit diesen Ausführungen wird nicht das Erfordernis der Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft dargetan.

In der Beschwerde wird weiters ausgeführt, durch den Erwerb der wesentlichen Beteiligung an der (österreichischen Aktiengesellschaft) durch eine EU-Gesellschaft (die (Revisionswerberin)) habe eine Vorabgenehmigung durch den österreichischen Wirtschaftsminister unterbleiben können. Die Akquisition wäre u.U. aufgrund der generellen Sensibilität bei ‚listed transactions' und des engen Zeitrahmens sowie infolge des potentiellen Bekanntwerdens in der Öffentlichkeit und des Eintritts von ‚Trittbrettfahrern' gefährdet gewesen. - Damit wird nicht konkret dargetan, dass der Erwerb der Beteiligung ohne Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft gescheitert wäre.

Die wirtschaftliche Tätigkeit der (Revisionswerberin) hat unbestrittenermaßen allein im Halten und Verwalten der Beteiligung an der (österreichischen Aktiengesellschaft) bestanden. Es handelt sich um eine luxemburgische Holdinggesellschaft, die selbst keinerlei sonstige Tätigkeit entfaltet und nur Einkünfte aus der Beteiligung an der (österreichischen Aktiengesellschaft) erzielt. Die (Revisionswerberin) beschäftigt weder eigene Arbeitnehmer noch verfügt sie zur Betriebsausübung über eigene Betriebsräumlichkeiten.

Hinter der (Revisionswerberin) ist im Streitzeitraum keine operativ tätige, in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft gestanden.

Die ebenfalls in Luxemburg ansässige (Muttergesellschaft) verfügt zwar über eigene Betriebsräumlichkeiten und beschäftigt eigene Arbeitnehmer. Im Geschäftsjahr 2015 hat die (Muttergesellschaft) jedoch lediglich drei Mitarbeiter (einen Geschäftsführer, einen Bilanzbuchhalter und einen Büroleiter) beschäftigt. Davor (im Zeitraum September 2014 bis März 2015, während dem Angebot für eine Beteiligung in Höhe von 29,9% an der (österreichischen Aktiengesellschaft) und dem daran anschließenden Abschluss der Transaktion) hat die (Muttergesellschaft) nur einen Mitarbeiter (Geschäftsführer) beschäftigt, der im Büro der (Muttergesellschaft) in Luxemburg für zwei bis drei Tage pro Woche gearbeitet hat. Es hat sich zudem um einen (vom (Fonds)) entsandten Geschäftsführer gehandelt, während die (Muttergesellschaft) einen als ständigen Geschäftsführer geeigneten Kandidaten gesucht hat.

Die (Muttergesellschaft) hält zwar - zusätzlich zur Beteiligung an der (österreichischen Aktiengesellschaft) - weitere Beteiligungen, wurde jedoch seit ihrer Gründung im Jahr 2010 als Plattform für Infrastrukturinvestitionen des (Fonds) genutzt. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ist davon auszugehen, dass im Streitzeitraum nicht die (Muttergesellschaft) geschäftsleitend tätig geworden ist, sondern der (Fonds), welcher sowohl über die erforderlichen finanziellen Mittel als auch - über (die australische Beratungsgesellschaft) als ‚Principal Advisor' - über das nötige Industrie Know-how und das Know-how im Flughafensektor verfügt.

Somit ist kein vernünftiger außersteuerlicher Grund für die Zwischenschaltung der gegenständlichen Firmen erkennbar, weshalb Missbrauch iSd § 22 BAO gegeben ist.

Die Voraussetzungen für die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer liegen somit nicht vor."

29 Eine Revision gegen diese Entscheidung sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil "es zur gegenständlichen Rechtsfrage keine völlig einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gibt".

30 Die Revision macht geltend, das Bundesfinanzgericht sei sowohl von dem von ihm zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.6.2014, 2011/15/0080, VwSlg 8927/F) als auch von den in aktuellen Entscheidungen des EuGH erneut betonten unionsrechtlichen Vorgaben abgewichen, "ohne auch nur mit einem Wort auf diese Rechtsprechung des EuGH einzugehen". Nach den Maßstäben dieser Judikatur liege kein Missbrauch vor. Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung ergebe sich auch aus ihrer unzureichenden Begründung. So sei das Bundesfinanzgericht (u.a.) ohne nähere Begründung zum Ergebnis gekommen, die Muttergesellschaft der Revisionswerberin sei "nicht geschäftsleitend tätig geworden". Bei substantiierter Auseinandersetzung mit dem Vorbringen hätte das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss kommen müssen, dass "eine Vielzahl an wirtschaftlichen Gründen" für die gewählte Gestaltung bestünden und der Anspruch auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer daher zu Recht bestehe.

31 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es den Standpunkt vertritt, der Fonds hätte seine Holdinggesellschaft nicht in Luxemburg, sondern "etwa auf den Cayman Islands oder in Australien" etablieren sollen. Das Vorliegen einer "rein künstlichen, jeder wirtschaftlichen Realität baren Konstruktion" wird - ohne Bezugnahme auf die von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Entscheidungen des EuGH - in der Gründung der Muttergesellschaft der Revisionswerberin "ausgerechnet in einem EU-Mitgliedstaat" gesehen.

 

32 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

33 Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens ist nicht eine angestrebte Entlastung an der Quelle in der Form des Unterbleibens einer Einbehaltung und Abfuhr von Kapitalertragsteuer. Es geht daher auch nicht um die Voraussetzungen, unter denen die ursprünglich zu § 94a EStG 1988 ergangene Verordnung BGBl. Nr. 56/1995 bei Ausschüttungen an ausländische Muttergesellschaften eine Einbehaltung von Kapitalertragsteuer anordnet.

34 Revisionsgegenständlich ist ein Rückerstattungsverfahren, das im - hier nicht vorliegenden - Fall der Einbehaltung auf Grund der Verordnung "eine der Richtlinie entsprechende Entlastung (...) herbeizuführen" hat (§ 94 Z 2 letzter Satz EStG 1988) und sich bei Einbehaltung von Kapitalertragsteuer schon mangels rechtzeitigen Erreichens der Mindestdauer der Beteiligung unmittelbar auf "europarechtliche Vorgaben" gründet (vgl. dazu die Nachweise in der vom Bundesfinanzgericht zitierten Kommentarstelle).

35 Das Bundesfinanzgericht hat diesen rechtlichen Rahmen dargestellt, daraus aber nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen und die Rechtslage verkannt, indem es die Richtlinie nicht als Rechtsquelle heranzog und der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Judikatur des EuGH keinerlei Beachtung schenkte (vgl. zu dieser Judikatur zuletzt Fuchs, ÖStZ 2018/722, 559, mwN).

36 Die angefochtene Entscheidung findet auch nicht Deckung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, 2011/15/0080, VwSlg 8927/F. Nach diesem Erkenntnis spricht die Beherrschung durch in einem Drittstaat ansässige Personen für das Vorliegen missbräuchlicher Rechtsgestaltung, wenn für die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft "wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet".

37 Das Bundesfinanzgericht scheint anzunehmen, für die Einschaltung der beiden im EU-Raum ansässigen Gesellschaften bestehe kein "wirtschaftlicher Grund", wenn sie für die Gliederung der Beteiligungen u.a. nach Regionen kein "Erfordernis" darstelle und nicht konkret dargetan werde, dass die Beteiligung an der österreichischen Aktiengesellschaft sonst "gescheitert" wäre. Diese Betrachtungsweise ist verfehlt, weil ein wirtschaftlicher Grund für eine Gestaltung nicht nur dann vorliegen kann, wenn das angestrebte wirtschaftliche Ziel nicht anders erreichbar ist. Ein wirtschaftlicher Grund für eine Gestaltung liegt auch vor, wenn das Ziel damit, wie hier vorgebracht, besser und sicherer zu erreichen war.

38 Was die Wirtschaftstätigkeit anlangt, so hat das Bundesfinanzgericht im Prinzip richtig angenommen, dass das Fehlen einer solchen bei der in Luxemburg ansässigen Revisionswerberin nicht schädlich wäre, wenn ihre ebenfalls dort ansässige Muttergesellschaft in Luxemburg wirtschaftlich tätig ist. Das Fehlen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft lässt sich aus der Beschäftigung "lediglich" eines Geschäftsführers, eines Bilanzbuchhalters und eines Büroleiters im Luxemburger Büro, aus der Entsendung eines Geschäftsführers aus dem Umfeld der Anteilseigner während der Zeit der Suche nach einem ständigen Geschäftsführer, aus der Vorgabe einer bestimmten Investitionspolitik durch die Anteilseigner und aus der Zusammenfassung dieser Umstände mit dem Wort "Gesamtbild" aber nicht ableiten.

39 Dass die Muttergesellschaft der Revisionswerberin "nicht geschäftsleitend tätig" geworden sei, steht auch im Widerspruch zu den unwiderlegten, detaillierten Angaben über die Aufgabenbereiche der drei Mitarbeiter. "Geschäftsleitend" ist nach Meinung des Bundesfinanzgerichtes der Fonds auf den Cayman Islands (gemeint wohl: über die Treuhandgesellschaft), weil von ihm das Kapital für die Beteiligung stammt und er über die ihn beratende australische Gesellschaft die Zielgesellschaft fachlich beraten kann. Der geschäftsleitenden Tätigkeit einer Holdinggesellschaft von der Art der Muttergesellschaft der Revisionswerberin steht es aber nicht entgegen, wenn sie finanzkräftige Anteilseigner hat und sich die Tätigkeit der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter nicht auch auf die fachliche Beratung der Zielgesellschaft in der Führung eines Flughafens erstreckt (vgl. zur Verwaltung von Wirtschaftsgütern als wirtschaftlicher Tätigkeit jetzt EuGH 20.12.2017, Deister Holding und Juhler Holding, C-504/16 und C-613/16 , Rn. 73; 14.6.2018, GS, C-440/17 , Rn. 54; anders als in den dort angesprochenen Fällen war die Muttergesellschaft der Revisionswerberin nach dem Vorbringen in der Verhandlung auch umsatzsteuerpflichtig).

40 Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

41 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, zumal schon das Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

42 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 27. März 2019

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