Normen
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
AVG §58 Abs2
AVG §60
VStG §51g Abs3 Z1
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwGVG 2014 §46 Abs3 Z1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018090212.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Salzburg den Revisionswerber schuldig, einen namentlich genannten aserbaidschanischen Staatsangehörigen vom 11. Juli 2016 bis 15. August 2016 in seiner Pizzeria beschäftigt zu haben, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Wegen der dadurch begangenen Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgese tz (AuslBG) wurde über ihn gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a erster Strafsatz AuslBG eine Geldstrafe von 1 000 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, verhängt. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Nach Wiedergabe des Beschwerdevorbringens, der Aussagen des Revisionswerbers und eines Zeugen und des Inhalts einer schriftlichen Stellungnahme der Abgabenbehörde stellte das Verwaltungsgericht folgenden Sachverhalt fest (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Unstrittig ist, dass Herr H (Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: der beschäftigte Ausländer) im Tatzeitraum in der Pizzeria F, die vom (Revisionswerber) betrieben wird, beschäftigt war, ohne dass für ihn als aserbaidschanischer Staatsbürger hiefür eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung gemäß den Bestimmungen des AuslBG vorhanden war.
Der (Revisionswerber) bestreitet aber ein Verschulden an dieser Tat, da er von Herrn H über dessen persönliche Verhältnisse getäuscht worden sei: dieser habe beim Einstellungsgespräch einen lettischen Reisepass vorgelegt und sich als lettischer Staatsbürger ausgegeben."
3 Nach Darstellung maßgeblicher Gesetzesbestimmungen legte das Verwaltungsgericht anschließend folgende Erwägungen dar:
"Zur Klärung der hier relevanten Frage, ob Herr H beim Einstellungsgespräch den (Revisionswerber) hinsichtlich der Staatsangehörigkeit getäuscht hat, wurde versucht, den Zeugen zu laden. Dies war aber nicht möglich, da laut Meldeabfrage Herr H nur bis 16. März 2018 in Österreich gemeldet war und danach mit unbekannter Adresse nach Lettland verzogen ist.
Aus dieser Meldeanfrage ist aber auch ersichtlich, dass Herr H als aserbaidschanischer Staatsbürger in Besitz eines am 27. Mai 2010 ausgestellten aserbaidschanischen Reisepasses mit der Dokumentennummer (...) ist.
Wenn daher Herr H beim Einstellungsgespräch einen lettischen Reisepass vorzeigt hat (was sowohl der (Revisionswerber) als auch sein als Zeuge einvernommener Bruder A ausgesagt haben), so muss es sich um eine Fälschung gehandelt haben. Zudem wurde dieser Pass beim Einstellungsgespräch nicht kopiert, es liegen also auch keine Unterlagen zur Untermauerung dieser Angaben vor.
Wenn aber Herr H bei diesem Gespräch selbst von seinen aserbaidschanischen Wurzeln gesprochen hat, so wäre es wohl bei entsprechend sorgfältiger Vorgangsweise notwendig gewesen, nicht nur diesen Ausweis zu kopieren, sondern auch dessen Angaben zu überprüfen (zumal Herr H in der Folge auch laut Angaben des (Revisionswerbers) verhaltensauffällig geworden ist und ‚komische Geschichten erzählt' hat). Bei einer von jedermann durchführbaren Meldeabfrage wäre dann schon zutage getreten, dass Herr H eben nicht lettischer und somit EU-Staatsbürger ist und daher dessen Beschäftigung unter die Bestimmungen des AuslBG fällt.
Den (Revisionswerber) als Arbeitgeber treffen eben diesbezügliche Sorgfaltspflichten, zu denen auch gehört, sich über die sachlichen und rechtlichen Gegebenheiten einer Beschäftigung von Arbeitnehmern zu informieren. Tut er das nicht in ausreichendem Maß, indem er auf die mündlichen Angaben des potentiellen Arbeitnehmers bzw. die Richtigkeit vorgelegter Unterlagen vertraut, so beseitigt dies nicht das Verschulden seinerseits hinsichtlich der hier vorliegenden Tat (siehe etwa VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0007; 3.10.2013, 2012/09/0174).
Ob und bejahendenfalls welche Vorfälle sich bezüglich des Herrn H bei anderen Arbeitgebern ereignet haben, hat mit dem gegenständlichen Fall nichts zu tun und war daher dem Antrag auf Einvernahme eines solchen Arbeitgebers (Herrn C) keine Folge zu geben.
Der Schuldspruch des angefochtenen Bescheides war daher zu bestätigen."
4 Anschließend begründete das Verwaltungsgericht die Strafbemessung näher. Die Unzulässigkeit der Revision erklärte es ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall mit dem Fehlen einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, in der zu deren Zulässigkeit zusammengefasst ausgeführt wird, das Verwaltungsgericht sei von der (näher dargestellten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern abgewichen, als es weder versucht habe den ausländischen Zeugen zu laden noch mit diesem in Kontakt zu treten, zudem habe es den weiteren Zeugen in vorausgreifender Beweiswürdigung nicht geladen und keinerlei konkrete Sachverhaltsfeststellungen zur relevanten Frage, ob ein lettischer Reisepass vorgelegt worden sei, getroffen. 6 Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. 8 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen. 9 Die vorliegende Revision ist aus den in der Revision angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet. 10 Gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts zu begründen. Diese Begründung hat, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das Verwaltungsgericht im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091, mwN).
11 Im konkreten Fall gab das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Sachverhaltsfeststellungen - die nur unter Zusammenschau mit dem wiedergegebenen Spruch des behördlichen Straferkenntnisses die vorgeworfene Verwaltungsübertretung erkennen lassen - zur relevanten Frage der Vorlage eines lettischen Reisepasses beim Einstellungsgespräch bloß die Behauptung des Revisionswerbers im Konjunktiv wieder. Daraus lässt sich nicht mit Sicherheit ableiten, ob das Verwaltungsgericht dieser Verantwortung des Revisionswerbers folgte und sie dem festgestellten Sachverhalt zu Grunde legte. Mangels einer Beweiswürdigung ist auch nicht zu erkennen, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht den dahingehenden Beweismitteln allenfalls nicht hätte folgen wollen. 12 Die Frage des Vorzeigens eines Reisepasses kann im konkreten Fall auch nicht als unerheblich angesehen werden. Ginge das Verwaltungsgericht nämlich davon aus, dass ein lettischer Reisepass beim Einstellungsgespräch vorgelegt wurde, hätte sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Kontrollpflicht des Revisionswerbers als Arbeitgeber darauf beschränkt, unmittelbar sichtbare, ohne besondere Kenntnisse bzw. technische Hilfsmittel erkennbare Mängel, Verfälschungen oder Fälschungen der Urkunde aufzudecken bzw. wahrzunehmen (siehe VwGH 25.2.2005, 2003/09/0142). Auch zu diesen Umständen hätte das Verwaltungsgericht in diesem Fall Feststellungen zu treffen gehabt. Das vom Landesverwaltungsgericht ins Treffen geführte Unterlassen der Anfertigung einer Kopie eines vorgelegten Reisepasses mag zwar in einem Verfahren zu Beweisschwierigkeiten führen, es rechtfertigt für sich jedoch keinen Verschuldensvorwurf, sofern der Reisepass keine Mängel im vorgenannten Sinn aufgewiesen hätte. Die Ableitung einer weitergehenden Nachforschungspflicht ausschließlich aus der Bekanntgabe der Abstammung aus einem Drittstaat ("aserbaidschanische Wurzeln") würde in diesem Zusammenhang hingegen eine Überspannung der Sorgfaltspflicht eines Beschäftigers bedeuten. Ebenso wenig lassen sich aus dem Umstand, dass der Ausländer nach Beschäftigungsbeginn "komische Geschichten erzählt" habe, rückwirkend auf den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses erhöhte Sorgfaltspflichten ableiten. 13 Wenn das Verwaltungsgericht - aufgrund festzustellender, substanzieller Bedenken gegen die Echtheit des Reisepasses - weiterhin das Einholen einer Meldeauskunft vor einer Beschäftigung durch den Revisionswerber für erforderlich halten sollte, hat es ferner auf dessen Einwand, dass der von einer Privatperson eingeholten Meldeauskunft die Staatsangehörigkeit nicht zu entnehmen sei, einzugehen.
14 Das Verwaltungsgericht hätte daher konkrete Feststellungen zum Sachverhalt des Einstellungsgesprächs, insbesondere zur behaupteten Vorlage eines lettischen Reisepasses, zu treffen und die zu seinen Tatsachenannahmen führende Beweiswürdigung darzulegen gehabt.
15 Hiezu wären - wie die Revision in diesem Zusammenhang weiters zu Recht hervorhebt - gegebenenfalls weitere Beweisaufnahmen erforderlich.
16 Gemäß der Verweisungsbestimmung des § 38 VwGVG gilt im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 25 Abs. 1 VStG das Amtswegigkeitsprinzip und gemäß § 25 Abs. 2 VStG der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, wonach vom Verwaltungsgericht von Amts wegen unabhängig von Parteivorbringen und -anträgen der wahre Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln ist. Das Verwaltungsgericht hat aber neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist dem AVG (vgl. zur Anwendbarkeit im vorliegenden Fall § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 45 Abs. 2 AVG) eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (vgl. zum Ganzen VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0041, mwN).
17 Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu der durch BGBl. I Nr. 33/2013 aufgehobenen Bestimmung des § 51g Abs. 3 Z 1 VStG festgehalten, dass ein Zeuge im Ausland zwar in der Regel nicht zum persönlichen Erscheinen verhalten werden kann, der unabhängige Verwaltungssenat aber - etwa durch schriftliche Anfragen - Bemühungen anzustellen hat, mit dem Zeugen in Kontakt zu treten und ein Erscheinen oder zumindest eine schriftliche Stellungnahme von ihm zu erreichen (VwGH 22.3.2012, 2009/09/0214, uva). Diese Rechtsprechung ist angesichts des mit jener Bestimmung wortgleichen § 46 Abs. 3 Z 1 VwGVG auch auf das Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu übertragen.
18 Das Landesverwaltungsgericht hätte daher nicht bloß deshalb, weil der Zeuge ins Ausland verzogen sei und eine ladungsfähige Adresse in Österreich nicht mehr aufweise, von seiner Einvernahme absehen dürfen, ohne zumindest den Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Ausländer an der im Verwaltungsakt aufscheinenden Adresse unternommen zu haben. Auch einer Einvernahme des vom Revisionswerber genannten weiteren Zeugen - einem vormaligen Arbeitgeber des Ausländers - kann im Hinblick auf das Beweisthema nicht von vornherein der Beweiswert abgesprochen werden, wurde dieser doch zum Beweis dafür geführt, dass auch jener vom Ausländer über seine Nationalität - durch Vorlage eines gefälschten lettischen Reisepasses - getäuscht worden sein soll. Wenn dem Verwaltungsgericht auch zuzugestehen ist, dass dieser Zeuge keine unmittelbaren Wahrnehmungen zu dem hier in Rede stehenden Einstellungsgespräch hat, kann die Relevanz dieses Beweismittels nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden.
19 Im Hinblick auf die dargestellten Feststellungs- und Verfahrensmängel war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
20 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. April 2019
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)