VwGH Ro 2017/13/0021

VwGHRo 2017/13/002125.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 19. April 2017, Zl. RV/7103086/2011, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 und Einkommensteuer für die Jahre 2005 bis 2007 (mitbeteiligte Partei:

R in K, vertreten durch die LMG Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 2512 Oeynhausen, Sochorgasse 3), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115
BAO §269 Abs1
BAO §269 Abs2
UStG 1994 §12 Abs1 Z1
62014CJ0516 Barlis 06 VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017130021.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Anfechtungsumfang, somit betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2008, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Beim Mitbeteiligten, der ein Einzelunternehmen mit dem Betriebsgegenstand "Lastfuhrwerksverkehr" betreibt und seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt, wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, der Mitbeteiligte sei im Streitzeitraum hauptsächlich als Subunternehmer für einen Paketdienst tätig gewesen. Für die Auslieferung der Pakete habe er sich selbst mehrerer Subunternehmer bedient, an welche er - gegen Entgelt - auch die für die Paketauslieferung erforderlichen Kraftfahrzeuge verliehen habe. Die Abrechnung mit den Subunternehmern sei mittels Gutschriften erfolgt, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen worden sei. Die in den Gutschriften ausgewiesenen Bruttobeträge seien in bar an die Subunternehmer ausbezahlt worden. Die Gutschriften des Mitbeteiligten enthielten teilweise ungültige UID-Nummern und falsche Adressen von Subunternehmern, weshalb die darin ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar sei. Bei einem Teil der Gutschriften handle es sich zudem um "Deckungsrechnungen".

2 Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ - teilweise nach Wiederaufnahme der Verfahren - u. a. entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2008.

3 Der Mitbeteiligte brachte gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide das Rechtmittel der Berufung (nunmehr Beschwerde) ein.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge, wobei es in Bezug auf die vom Mitbeteiligten beschäftigten Subunternehmer LB, SC, SC KEG, T KEG, D KEG, J KG, PC KEG und T GmbH folgende Feststellungen traf:

5 In den Gutschriften an LB werde für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2005 Umsatzsteuer in Höhe von 5.162,92 EUR ausgewiesen. Die in den Gutschriften angeführte Adresse und UID-Nummer sei jene der B GmbH und nicht jene von LB, der erst ab 12. Jänner 2006 über eine gültige UID-Nummer verfügt habe. LB habe dem Mitbeteiligten einen Auszug aus dem Gewerberegister vorgelegt, laut welchem er am 27. September 2004 an der in den Gutschriften angeführten Adresse ein Gewerbe angemeldet habe. Dass LB die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen erbracht und die dort ausgewiesenen Bruttobeträge in bar erhalten habe, sei unstrittig. 6 Auf SC seien vom 29. Oktober 2007 bis zum 28. Jänner 2008 Gutschriften ausgestellt worden. Die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer habe im Jahr 2007 10.119,28 EUR und im Jahr 2008 (Nachschauzeitraum) 1.848,54 EUR betragen. In den Gutschriften werde die UID-Nummer von SC angeführt, die nur vom 29. September 1994 bis zum 13. November 1998 und vom 30. März 2007 bis zum 22. Oktober 2007 gültig gewesen sei. Dass SC die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen erbracht und die dort ausgewiesenen Bruttobeträge in bar erhalten habe, sei unstrittig. 7 Auf die SC KEG seien vom 29. Juli 2005 bis zum 28. März 2006 Gutschriften ausgestellt worden. Die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer habe im Jahr 2005 15.251,38 EUR und im Jahr 2006 10.420,82 EUR betragen. In den Gutschriften werde die UID-Nummer von SC angeführt, die nur vom 29. September 1994 bis zum 13. November 1998 und vom 30. März 2007 bis zum 22. Oktober 2007 gültig gewesen sei. Dass die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen von der SC KEG erbracht worden seien und diese die dort ausgewiesenen Bruttobeträge in bar erhalten habe, sei unstrittig.

8 In den Gutschriften an die T KEG werde für den Zeitraum Juni bis Oktober 2005 Umsatzsteuer in Höhe von 9.248,26 EUR ausgewiesen. Die in den Gutschriften angeführte UID-Nummer sei nur vom 6. November 2000 bis zum 25. Juli 2005 gültig gewesen und die in den Gutschriften ausgewiesene Adresse stimme nicht mit der im Firmenbuch angeführten Adresse der T KEG überein. Vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung sei dem Mitbeteiligten eine Bestätigung des Magistrats der Stadt W vorgelegt worden, wonach der Betriebsstandort der T KEG an die in den Gutschriften angeführte Adresse verlegt worden sei. Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass die in den Gutschriften angeführte Adresse richtig und die Änderung im Firmenbuch nicht "abgebildet" worden sei. Dass die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen von der T KEG erbracht worden seien und die T KEG die in den Gutschriften ausgewiesenen Bruttobeträge in bar erhalten habe, sei unstrittig. 9 Auf die D KEG seien vom 30. Dezember 2005 bis zum 15. Februar 2007 Gutschriften ausgestellt worden. Die in den Gutschriften ausgewiesenen Nettobeträge hätten im Jahr 2005 9.895,11 EUR, im Jahr 2006 183.426,12 EUR und im Jahr  2007 15.257,20 EUR betragen, die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer habe sich im Jahr 2005 auf 1.979,02 EUR, im Jahr 2006 auf 36.685,23 EUR und im Jahr 2007 auf 3.051,44 EUR belaufen. In allen Gutschriften werde eine UID-Nummer angeführt, die nur vom 23. Februar 2006 bis zum 13. März 2006 gültig gewesen sei. Alle Gutschriften wiesen zudem die Adresse L Gasse auf, obwohl die D KEG ihren Firmensitz nach Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit dem Mitbeteiligten in die I Straße verlegt habe. Dem Mitbeteiligten sei vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung ein Auszug aus dem Gewerberegister und ein Firmenbuchauszug der D KEG mit der Adresse L Gasse übergeben worden. Zudem habe er einen Meldezettel des persönlich haftenden Gesellschafters BD erhalten. Aktenkundig sei auch, dass dem Finanzamt Name und Adresse des gewerblichen Buchhalters der D KEG bekanntgegeben worden seien. Das Bundesfinanzgericht ging - anders als zuvor das Finanzamt - davon aus, dass die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen von der D KEG erbracht worden seien, und begründete dies wie folgt:

"Die nur teilweise Gültigkeit der UID-Nummer und die Adressen der (D KEG) sind aktenkundig. Die Rechnungsmängel bezüglich der UID-Nummer und der Anschrift sind unbestritten. Dass die Verlegung des Firmensitzes dem (Mitbeteiligten) nicht bekannt war, ergibt sich aus der vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung übergebenen Unterlagen mit der Adresse (L Gasse). Dass (BD) die Kassa-Ausgangsbelege unterfertigte und die Beträge entgegennahm, wird in freier Beweiswürdigung vom BFG erkannt. Dass Unterschriften nicht exakt ident sind, ist allgemein bekannt. Die Ähnlichkeit der Unterschriften und der Name (BD) sind erkennbar. Die vom FA geäußerten Zweifel am Empfänger der Beträge iZm der Zuordnung der Unterschriftsleistungen hätten die Abgabenbehörde zu weiteren Ermittlungen veranlassen müssen, wurde doch dem FA der Name des gewerblichen Buchhalters der (D KEG) bekannt gegeben. Da das FA offenbar von Scheinrechnungen ausgeht, liegt die Beweislast bei der Behörde (...). Diese hätte auch, wie vom (Mitbeteiligten) in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG dargestellt, entsprechende Ermittlungen bei der Fa (ABC) (Anm: Auftraggeber des Mitbeteiligten) durchführen können, ob (BD) Leistungen erbracht (Pakete übernommen) hat. Die geäußerten Verdachtsmomente (Zweifel an der Echtheit der Unterschrift des (BD)) werden vom BFG als nicht ausreichend für die Feststellung, dass die Leistungen gar nicht erbracht wurden, erachtet."

10 In den Gutschriften an die J KG werde für den Zeitraum Juli bis Dezember 2008 Umsatzsteuer in Höhe von 4.060,34 EUR ausgewiesen. Die J KG sei am 5. März 2008 gegründet worden. Ihr Sitz habe sich an der Adresse S Gasse, dem Hauptwohnsitz des unbeschränkt haftenden Gesellschafters JS, befunden. JS sei dort allerdings nur bis 16. Juli 2008 gemeldet und danach in der Q Straße wohnhaft gewesen, am 28. Oktober 2008 habe er sich amtlich abgemeldet. Vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung seien dem Mitbeteiligten ein Auszug aus dem Gewerberegister, ein Antrag auf Eintragung im Firmenbuch, ein Bescheid über die Erteilung der UID-Nummer und die Bekanntgabe der Steuernummer vorgelegt worden. Auf allen Dokumenten scheine als Firmensitz der J KG die Adresse S Gasse auf. Das Bundesfinanzgericht ging - anders als zuvor das Finanzamt - davon aus, dass die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen von der J KG erbracht worden seien, und begründete dies wie folgt:

"Die Feststellungen sind weitgehend unbestritten. Es liegt eine korrekte UID-Nummer vor. Die mögliche Unrichtigkeit der Rechnungsanschrift war vom (Mitbeteiligten) nicht erkennbar, wurden ihm doch entsprechende Dokumente mit der Adresse (S Gasse) vorgelegt. Die vom FA angeführten Erhebungen der Steuerfahndung (Anm: wonach weder an der Adresse S Gasse noch an der Adresse Q Straße Hinweise auf die J KG feststellbar gewesen seien) waren dem Bf nicht bekannt und wurden ihm auch nicht vorgehalten, sodass das Ergebnis dieser Erhebungen kein tauglicher Beweis für die Nichtexistenz ggstdl Subfirma ist. Auch die Tatsache, dass der Firmenname auf den Firmenstempeln (falsch) dokumentiert wird, ist kein Beweis für die Nichtexistenz ggstdl Subfirma. (...). Ein Beweis für das Vorliegen von Scheinrechnungen konnte vom FA nicht erbracht werden."

11 Auf die PC KEG seien vom 14. August 2006 bis zum 9. Oktober 2007 Gutschriften ausgestellt worden. Die in den Gutschriften ausgewiesenen Nettobeträge hätten im Jahr 2006 61.897,07 EUR und im Jahr 2007 222.191,18 EUR betragen, die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer habe sich im Jahr 2006 auf 12.379,42 EUR und im Jahr 2007 auf 44.438,24 EUR belaufen. Die PC KEG sei am 19. April 2006 gegründet worden. Ihr Sitz habe sich an der Adresse N Gasse, dem Hauptwohnsitz des unbeschränkt haftenden Gesellschafters SC, befunden. SC sei dort vom 19. Jänner 2006 bis zum 21. November 2006 gemeldet gewesen und danach in die Q Straße verzogen. Das Bundesfinanzgericht ging - anders als zuvor das Finanzamt - davon aus, dass die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen von der PC KEG erbracht worden seien, und begründete dies wie folgt:

"Die Gültigkeit der UID-Nummer ist unstrittig. Für die Annahme des FA, dass der Firmensitz am 22.11.2006 an den nunmehrigen Hautwohnsitz des (SC) verlegt wurde, gibt es keine ausreichenden Beweise. Der Firmensitz wurde auch im Firmenbuch nicht geändert, sodass der (Mitbeteiligte) von einer allfälligen Verlegung des Firmensitzes jedenfalls nichts wissen konnte. Da (SC) notariell beglaubigt bestätigte, die Beträge übernommen zu haben, geht das BFG von diesem Sachverhalt aus. Dass es sich bei der Aussage der (...), ein Hr (PC) habe sämtliche Belege unterfertigt, um einen Irrtum handelt, ist glaubwürdig, da ein Hr (PC) gar nicht existiert, sondern lediglich ggstdl KEG diesen Namen führt. Die vom FA geäußerte Ansicht, dass die Unterschriften auf den Kassa Ausgangsbelegen nicht die des (SC) sind, konnte nicht erhärtet werden, da keine weiteren Ermittlungen durchgeführt wurden, obwohl dies zumutbar gewesen wäre (...) und, da das FA offenbar davon ausgeht, dass die Leistungen nicht erbracht wurden und es sich um Scheinrechnungen handelt, dieses die Beweislast trägt. Der entsprechende Beweis wurde nicht erbracht."

12 Auf die T GmbH sei am 28. Juni 2005 eine Gutschrift ausgestellt worden. Der darin ausgewiesene Nettobetrag habe 4.113,62 EUR und die auf diesen Betrag entfallende Umsatzsteuer 822,72 EUR betragen. Die Gutschrift weise keine UID-Nummer auf. Laut Firmenbuch sei die T GmbH im Juni 2005 von den Geschäftsführern HK und VS vertreten worden. Deren Unterschriften stimmten mit der Unterschrift auf dem Kassaausgangsbeleg des Mitbeteiligten nicht überein. Wer den in der Gutschrift ausgewiesenen Bruttobetrag übernommen habe, sei nicht bekannt. Dies habe auch der Mitbeteiligte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht bestätigt. "Weitere Ermittlungen des FA wären daher in diesem Fall nicht zweckmäßig gewesen und es durfte zu Recht von einer Scheinrechnung ausgehen." Auch das Bundesfinanzgericht gehe in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die T GmbH die in der Gutschrift ausgewiesene Leistung nicht erbracht habe.

13 In rechtlicher Hinsicht ging das Bundesfinanzgericht davon aus, dass die in Rede stehenden Gutschriften als Rechnungen iSd UStG 1994 anzusehen seien und dass der Vorsteuerabzug bei fehlenden Rechnungsmerkmalen auch dann zustehe, wenn die Steuerverwaltung über alle Angaben verfüge, um feststellen zu können, dass die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorlägen. Hinsichtlich der Subunternehmer LB, SC, SC KEG, T KEG, D KEG, J KG und PC KEG habe das Finanzamt über die dafür erforderlichen Angaben verfügt, weshalb die in den Gutschriften an diese Subunternehmer ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehbar sei. Die in der Gutschrift an die T GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer sei hingegen nicht abziehbar. 14 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, "da zu der im gegenständlichen Fall uA zu beurteilenden Rechtsfrage, ob das Fehlen eines Rechnungsmerkmales im Sinne des § 11 Abs 1 UStG 1994 die Versagung des Vorsteuerabzuges auch dann rechtfertigt, wenn die Abgabenbehörde über alle Angaben verfügt, die für die Feststellung erforderlich sind, dass die materiellen Anforderungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt". 15 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision des Finanzamtes, die das Erkenntnis laut Anfechtungserklärung insoweit anficht, als der Vorsteuerabzug betroffen ist, wird (auch im Zulässigkeitsvorbringen) u.a. gerügt, dass das Bundesfinanzgericht entgegen §§ 115 iVm 269 Abs. 1 BAO nicht die ihm obliegenden Erhebungen hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens der materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorgenommen habe und bei Einhaltung dieser Verpflichtung ein im Spruch anders lautendes Erkenntnis möglich gewesen wäre.

16 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

19 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher vom Verwaltungsgerichtshof - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wegen Fehlens von Rechtsprechung grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 21.11.2018, Ro 2016/13/0020, mwN).

20 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 29. Mai 2018, Ra 2016/15/0068, unter Bezugnahme insbesondere auf das Urteil des EuGH vom 15. September 2016, C-516/14 , Barlis 06, Rn. 42 bis 44, zum Ausdruck gebracht hat, folgt aus dem Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt. Daher darf die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug in einem solchen Fall nicht verweigern, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für das Vorsteuerabzugsrecht geltenden materiellen Voraussetzungen vorliegen. Dabei darf sich die Steuerverwaltung nicht auf die Prüfung der Rechnung selbst beschränken. Sie hat auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen.

21 Die in der Revisionszulassung durch das Bundesfinanzgericht aufgeworfene Rechtsfrage ist daher bereits durch die - vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH ergangene - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes geklärt.

22 Im Revisionsfall ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Finanzamt die Versagung des Vorsteuerabzugs nicht nur damit begründet hat, dass die hier in Rede stehenden Rechnungen (Gutschriften) bestimmten formellen Anforderungen nicht genügen. Teilweise war (in allen Streitjahren) auch strittig, ob die in den Gutschriften ausgewiesenen Leistungen überhaupt erbracht worden sind.

23 Das Bundesfinanzgericht hat die diesbezüglich bestehenden Zweifel unter Hinweis auf fehlende Ermittlungen des Finanzamtes "als nicht ausreichend für die Feststellung, dass die Leistungen gar nicht erbracht wurden", erachtet. Dabei übersieht das Bundesfinanzgericht, dass es nach § 115 iVm § 269 Abs. 1 BAO grundsätzlich seine Aufgabe ist, auch die sachverhaltsmäßigen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung zu ermitteln (vgl. z.B. VwGH 18.10.2018, Ro 2017/15/0022, mwN). Das Bundesfinanzgericht konnte sich daher nicht auf fehlende Ermittlungen und allfällige Beweislasten des Finanzamtes zurückziehen. Es war vielmehr seine Aufgabe, die Erhebungen des Finanzamtes zu ergänzen (oder nach § 269 Abs. 2 BAO ergänzen zu lassen) und sodann alle erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, die für eine abschließende Beurteilung der Frage erforderlich sind, ob und wenn ja von wem die in den Gutschrift abgerechneten Leistungen erbracht wurden.

24 Das angefochtene Erkenntnis, das insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es - im Anfechtungsumfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 25. April 2019

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