VwGH Ra 2016/08/0086

VwGHRa 2016/08/008612.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Dipl. Ing. H U, vertreten durch die Schulyok Unger & Partner Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 50, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 17. März 2016, LVwG-S-154/001-2015, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2016080086.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG in 18 Fällen zu Geldstrafen von jeweils EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 112 Stunden), weil dieser es als Dienstgeber unterlassen habe, die betreffenden der Pflichtversicherung (Vollversicherung) nach dem ASVG unterliegenden Dienstnehmer rechtzeitig vor Arbeitsantritt in seinem landwirtschaftlichen Betrieb beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden (in 17 Fällen sei die Anmeldung nach Arbeitsantritt um 7.00 Uhr jeweils erst im Verlauf des betreffenden Tages, in einem Fall erst sechs Tage nach Arbeitsantritt erfolgt). In weiteren vier Fällen hob das Verwaltungsgericht in Stattgebung der Beschwerde den bekämpften Bescheid auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein.

Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig sei.

2.2. Gegen dieses Erkenntnis - soweit es um die Bestrafung in 17 Fällen geht (die Bestrafung in einem Fall wegen der um sechs Tage verspäteten Anmeldung blieb unbekämpft) - wendet sich die außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.

3.1. Der Revisionswerber macht unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend, das Verwaltungsgericht habe die Tatfrage unrichtig gelöst, indem es davon ausgegangen sei, dass die Anmeldung der Dienstnehmer jeweils erst nach Arbeitsantritt erfolgt sei. Richtiger Weise habe die Anmeldung jeweils unmittelbar nach dem (erstmaligen) Eintreffen der Dienstnehmer im Betrieb und jedenfalls noch vor der - regelmäßig erst am Morgen des nächsten Tages erfolgenden - faktischen Arbeitsaufnahme stattgefunden. Die dazwischen liegende Zeit sei für "Vorbereitungstätigkeiten" (Feststellung der Identität und Aufnahme der Personendaten, Bezug der Quartiere, Einkauf von Lebensmitteln und Arbeitskleidung) verwendet worden.

3.2. Mit diesen Ausführungen wendet sich der Revisionswerber im Ergebnis gegen die - den getroffenen Feststellungen zugrunde liegende - Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Die Beweiswürdigung ist freilich einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen - im Sinn ihrer Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut (vgl. zu diesem bei der Schlüssigkeitsprüfung anzulegenden Maßstab etwa VwGH 19.12.2014, Ra 2014/08/0058, mwN) - geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 16.8.2016, Ra 2015/08/0074).

3.3. Vorliegend hält die Beweiswürdigung den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht ermittelte die Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren (unter anderem im Rahmen einer mündlichen Verhandlung). Es traf die Feststellungen auf Basis der abgelegten Beweisaussagen sowie der vorliegenden Urkunden und nahm dabei eine gründliche und schlüssige Beweiswürdigung vor. Der Revisionswerber vermag keine stichhältigen Gründe aufzuzeigen, aus denen die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

4.1. Das Verwaltungsgericht gelangte insbesondere auf Grund der als zuverlässig erachteten Angaben der (an der finanzpolizeilichen Kontrolle am 19. Mai 2014 mitwirkenden) Zeugen A G und Mag. S F auf nachvollziehbare Weise zur Überzeugung, dass laut den plausiblen Erstangaben des Revisionswerbers und vor allem seiner Ehefrau der tatsächliche Arbeitsantritt (auf den Feldern) an den betreffenden Tagen jeweils in der Früh (um 7.00 Uhr) erfolgt ist und jeweils erst im Tagesverlauf die Daten an den Steuerberater übermittelt und die (nicht rückwirkenden) Anmeldungen durch diesen erstattet wurden.

Der Zuverlässigkeit dieser Darstellung steht auch nicht entgegen, dass im Zuge der Kontrolle keine förmlichen Niederschriften mit dem Revisionswerber und seiner Ehefrau aufgenommen wurden, sondern die Angaben anderweitig in den Akten dokumentiert wurden. Auch eine besondere Belehrung, wonach zwischen dem erstmaligen Eintreffen und der tatsächlichen Arbeitsaufnahme der Dienstnehmer zu unterscheiden sei, war im Hinblick darauf, dass die Erstangaben des Revisionswerbers und seiner Ehefrau insofern nicht unklar waren, nicht geboten.

4.2. Das Verwaltungsgericht sah die Zuverlässigkeit der (soeben erörterten) Darstellung aus nachvollziehbaren Erwägungen vor allem auch durch das vom Dienstnehmer I G ausgefüllte Personenblatt bestätigt, in dem ausdrücklich festgehalten wurde, dass die tatsächliche Arbeitsaufnahme jeweils um 7.00 Uhr morgens - auch bereits am ersten Arbeitstag, in dessen weiterem Verlauf erst die Anmeldungen erfolgt sind - stattgefunden hat.

Dabei waren - wie das Verwaltungsgericht nicht unvertretbar würdigte - Bedenken wegen allfälliger mangelnder Sprachkenntnisse des I G schon im Hinblick auf die problemlose Ausfüllung des Personenblatts (ohne jegliche Hinweise auf Verständnisschwierigkeiten) nicht indiziert. Im Übrigen legten die Zeugen A G und Mag. S F sowie auch die Zeugin D B-M dar, dass den zu befragenden Personen üblicherweise Personenblätter in verschiedenen Sprachen angeboten werden, woraus zu schließen ist, dass I G (obwohl rumänischer Staatsangehöriger) offenbar ein Personenblatt in bulgarischer Sprache gewählt hat.

Durch die Angaben im Personenblatt des I G ist ferner widerlegt, dass - wie der Revisionswerber glauben machen will - am ersten Arbeitstag des I G zunächst stundenlang die Daten der Dienstnehmer erfasst worden wären. Was die weiteren behaupteten "Vorbereitungstätigkeiten" betrifft, so hat das Verwaltungsgericht auch diese nicht unvertretbar außer Acht gelassen, konnte doch - schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung - der Bezug der Unterkünfte und die allfällige Besorgung von Verpflegung entweder bereits vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme in der Früh oder auch erst nach Arbeitsschluss am Nachmittag bzw. Abend des ersten Arbeitstages erfolgen. Über eine ausreichende Bekleidung für die Feldarbeit sollten die Dienstnehmer bereits verfügt haben, die Notwendigkeit für eine vorangehende Einkleidung erscheint - auch mangels spezieller Erfordernisse - nicht nachvollziehbar.

4.3. Das Verwaltungsgericht sah die Darstellung der Zeugen A G und Mag. S F ferner aus schlüssigen Erwägungen durch die Darstellung der Zeugin U W bestätigt, räumte diese doch im Zuge der Kontrolle bzw. im Personenblatt ein, dass sie die Arbeit an einem bestimmten Tag angetreten hat, wohingegen die Anmeldung erst sechs Tage später erfolgt ist.

4.4. Dem Umstand, dass der Revisionswerber und seine Ehefrau sowie die Zeugin U W ihre Erstangaben in weiterer Folge in Abrede stellten bzw. inhaltlich relativierten, maß das Verwaltungsgericht aus nachvollziehbaren Erwägungen im Hinblick auf die besondere Zuverlässigkeit der Erstangaben keine erhebliche Bedeutung bei.

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt hervorgehoben, dass es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben ohne Kenntnis eines Verfahrens bzw. die ersten Angaben in einem laufenden Verfahren in der Regel der Wahrheit am Nächsten kommen (vgl. VwGH 20.4.2006, 2005/15/0147; 11.5.2017, Ro 2014/08/0021).

4.5. Zusammengefasst bestehen daher gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts keine Bedenken, sondern beruht die Würdigung auf durchwegs nachvollziehbaren und überzeugenden Erwägungen. Vom Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - infolge Vornahme der Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise - kann jedenfalls keine Rede sein.

5.1. Der Revisionswerber macht unter dem Gesichtspunkt eines Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geltend, bei richtiger Lösung der Tatfrage stelle sich die noch ungeklärte Rechtsfrage, inwieweit eine Pflicht zur Anmeldung für vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn liegende Zeiten mit "Vorbereitungstätigkeiten" bestehe.

5.2. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen ist der tatsächliche Arbeitsantritt der Dienstnehmer im Betrieb (auf den Feldern) jeweils um 7.00 Uhr morgens erfolgt und wurden die Daten der Dienstnehmer erst in Verlauf des jeweiligen Tages an den Steuerberater übermittelt und die Anmeldungen durch diesen vorgenommen. Davon ausgehend haben aber die Anmeldungen jedenfalls erst nach dem tatsächlichen Arbeitsantritt stattgefunden und lag deshalb eine Meldepflichtverletzung im Sinn des § 33 Abs. 1 ASVG vor (vgl. etwa VwGH 11.12.2013, 2011/08/0154).

5.3. Auf die aufgeworfene Rechtsfrage, inwieweit die behaupteten "Vorbereitungstätigkeiten" einem tatsächlichen Arbeitsantritt gleichzuhalten wären, kommt es fallbezogen nicht an, hängt doch - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Frage nicht ab. Für die Beurteilung bloß abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. VwGH 19.1.2017, Ra 2014/08/0059).

6. Insgesamt vermochte der Revisionswerber daher in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2015/08/0098) keine Rechtsfrage aufzuzeigen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Juli 2019

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