Normen
AVG §58;
AVG §60;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §64;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §29;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220027.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Mai 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen Kasachstans, vom 10. November 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Studierender" gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen Fehlen ausreichender finanzieller Mittel abgewiesen.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis statt und sprach aus, dass dem Mitbeteiligten der Aufenthaltstitel "Studierender" für die Dauer eines Jahres "auf Basis seines gültigen kasachischen Reisepasses erteilt (werde), auszustellen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses". Weiters sprach es aus, dass eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis unzulässig sei.
3 Nach Darlegung des Verfahrensganges führte das Verwaltungsgericht in seiner Begründung lediglich aus, es habe auf Basis der Aktenlage entschieden und es lägen alle erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 2 NAG vor. Der Landeshauptmann habe sich mit den Unterlagen zu den Vermögens- und Einkommensnachweisen der Eltern des Mitbeteiligten nicht auseinandergesetzt und diese nicht bewertet. Die Dokumente seien geordnet, gut lesbar und vollständig dem Landeshauptmann vorgelegt worden und könnten durch das erkennende Gericht bedenkenlos der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Zitierung der §§ 11 Abs. 2 und 64 NAG aus, dass "zufolge der getroffenen Sachverhaltsfeststellung, wonach der (Mitbeteiligte) die Voraussetzungen zur Erteilung des Aufenthaltstitels" erfülle, dem Antrag spruchgemäß stattzugeben gewesen sei. Die Unterlagen seien vom Verwaltungsgericht inhaltlich und rechnerisch geprüft worden und würden "alle aus § 11 Abs. 2 und § 64 NAG erfließenden Voraussetzungen" erfüllen.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Die Revision rügt in der Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen fehlende Feststellungen zu einer ortsüblichen Unterkunft und zu einer ausreichenden Krankenversicherung, sowie eine Verletzung der Begründungspflicht des Verwaltungsgerichtes. Der im Akt erliegende Benützungsvertrag für einen Heimplatz in einem Studentenwohnheim sei von 1. Jänner 2017 bis 1. September 2017 befristet gewesen. Die vom Mitbeteiligten vorgelegte Krankenversicherung habe lediglich für die Versicherungsdauer von 1. Jänner 2017 bis 31. März 2017 gegolten und sei darüber hinaus mit dem Betrag von EUR 30.000 gedeckelt gewesen. Mit diesem Akteninhalt habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung eines Vorverfahrens - der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2017/20/0059, Rn. 11, unter Hinweis auf 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).
10 Wie die Revision zutreffend ausführt, enthält das angefochtene Erkenntnis keine Feststellungen und keine Beweiswürdigung im Sinn der angeführten Rechtsprechung. Es lässt sich weder dem kursorisch dargestellten Verfahrensgang noch den rechtlichen Erwägungen entnehmen, dass sich das Verwaltungsgericht mit den entscheidungsrelevanten Umständen auseinandergesetzt hätte. Das Verwaltungsgericht verweist lediglich auf im Akt erliegende "Unterlagen" ohne sich inhaltlich mit diesen auseinander zu setzen. Es legt nicht dar, welcher entscheidungsrelevante Sachverhalt den Unterlagen zu entnehmen sei. Die (fälschlicherweise als Tatsachenfeststellung bezeichnete) rechtliche Schlussfolgerung, wonach alle Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 und des § 64 NAG erfüllt seien, entzieht sich somit einer nachprüfenden Kontrolle.
11 Schon aus diesen Erwägungen war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am 23. Mai 2018
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