VwGH Ra 2018/20/0165

VwGHRa 2018/20/016513.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Revisionssache des H H in S, vertreten durch Mag. Irene Oberschlick, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Weyrgasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2018, Zl. W265 2150014- 1/10E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200165.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 5. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. Februar 2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Revisionswerber nicht erteilt. Unter einem wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen festgelegt (Spruchpunkt IV.).

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde in der er im Wesentlichen ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, unrichtige Beweiswürdigung, Tatsachenfeststellung und rechtliche Beurteilung vorbrachte.

3 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und schriftliche Stellungnahme des Revisionswerbers hinsichtlich des im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichtsmaterials wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte eine Revision für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst Folgendes geltend:

9 Das BVwG sei mit seinem Erkenntnis von der - näher zitierten -Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Anforderungen an die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen sowie zum gebotenen Eingehen auf Parteivorbringen abgegangen. Das BVwG habe sich mit dem im Rahmen der schriftlichen Stellungnahme erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers zur Situation in Afghanistan und insbesondere in Kabul nicht ausreichend auseinandergesetzt. Die vom BVwG angenommene Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in der Stadt Kabul sei dem Revisionswerber aufgrund individueller Umstände nicht zumutbar. In diesem Zusammenhang habe das BVwG jegliche Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul verabsäumt.

10 Des Weiteren bestehe eine uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich der Rechtsfrage, welcher Maßstab bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative anzuwenden sei. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob der - bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu prüfende - Maßstab dem aus Art. 3 EMRK erfließenden Schutzgehalt entspreche, sei uneinheitlich. Nach Ansicht des Revisionswerbers sei der bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu prüfende Maßstab nicht mit dem aus Art. 3 EMRK erfließenden Schutzgehalt gleichgesetzt.

11 Überdies sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Durchführung eines rechtskonformen Ermittlungsverfahrens abgewichen, weil es dem Erkenntnis die großteils nicht mehr aktuelle Staatendokumentation zugrunde gelegt habe. Die Sicherheitslage habe sich - so das Vorbringen unter Verweis auf aktuelles Berichtsmaterial - seit Herbst und insbesondere in den ersten beiden Monaten des Jahres 2018 besonders verschlechtert. Wäre das BVwG seinen Ermittlungspflichten nachgekommen, hätte es vom UNHCR aktuelle Informationen zu Afghanistan erhalten. Insbesondere werde auf einen Vortrag der stellvertretenden Leiterin des UNHCR Afghanistan verwiesen, die in ihrem Vortrag vom 12. März 2018 ausgeführt habe, dass in ganz Afghanistan keine Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative bestehe. Zwar sei dieser Vortrag im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG noch nicht veröffentlicht gewesen, es sei aber Aufgabe des BVwG gewesen, in Hinblick auf das Vorbringen zur Sicherheitslage in Kabul von Amts wegen Ermittlungen anzustellen. Zu dem erstatteten Zulässigkeitsvorbringen ist Folgendes festzuhalten:

12 Das BVwG hat in seinem Erkenntnis die für die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative relevanten Feststellungen getroffen und in weiterer Folge eine - auf den Einzelfall Bedacht nehmende - Zumutbarkeitsprüfung der Inanspruchnahme derselben in Kabul durchgeführt. Zudem hat das BVwG ausgeführt, dass der Revisionswerber mit seiner Stellungnahme den getroffenen Länderfeststellungen nicht substantiiert entgegengetreten sei und die Korrektheit der Erkenntnisquellen nicht habe in Zweifel ziehen können. Auch die in der Beschwerde auszugsweise wiedergegebenen Berichte hätten nicht zu anderslautenden Feststellungen geführt. Das BVwG hat im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. ua. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017) die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul bejaht. Dass das BVwG in diesem Zusammenhang von der Rechtsprechung zur Begründungspflicht oder zur Würdigung des Parteivorbringens abgewichen ist, vermag der Revisionswerber nicht darzulegen.

13 Hinsichtlich des Vorbringens zur "Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich der Rechtsfrage, welcher Maßstab bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer IFA anzuwenden sei" ist auszuführen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, mit den Kriterien zur Prüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative - unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung - näher befasst hat. Entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers ist vor diesem Hintergrund eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nicht zu sehen.

14 Zum Vorbringen hinsichtlich - vermeintlich - veralteter Länderberichte ist Folgendes auszuführen:

15 Jenes sachverhaltsbezogene Vorbringen wird weder in der Beschwerde noch in der schriftlichen Stellungnahme zu den Länderberichten, sondern erstmals in der vorliegenden Revision erstattet. Dieses kann vor dem Verwaltungsgerichtshof keine Beachtung finden, zumal damit gegen das in § 41 Abs. 1 VwGG enthaltene Neuerungsverbot verstoßen wird.

16 Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 14.9.2016, Ra 2016/18/0222, mwN).

17 Insgesamt wird in der Revision somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. April 2018

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