VwGH Ra 2018/18/0343

VwGHRa 2018/18/034321.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M M, in Graz, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B, 1. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2018, Zl. W230 2160786-1/23E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §8 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
EMRK Art8;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180343.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. Jänner 2014 aufgrund seiner damaligen Minderjährigkeit und der zu diesem Zeitpunkt drohenden Gefahr, dass er bei Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose Lebenssituation geraten könnte, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die zuletzt mit Bescheid vom 20. Jänner 2015 bis 7. Jänner 2017 verlängert wurde. Der Status des Asylberechtigten wurde ihm nicht zuerkannt.

2 Mit Bescheid vom 17. Mai 2017 erkannte das BFA dem Revisionswerber den zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I.), entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage vierzehn Tage (Spruchpunkt IV.).

3 Der gegen Spruchpunkt I. bis III. erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) insoweit statt, als es Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides ersatzlos behob. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte es - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber stamme aus der Provinz Ghazni und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er befinde sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassungen aus den Jahren 2014 und 2015 in einer anderen Situation, weil es zwar nicht in Zweifel stehe, dass die Herkunftsprovinz des Revisionswerbers als unsicher gelte, er jedoch nunmehr eine innerstaatliche Schutzalternative insbesondere in Kabul in Anspruch nehmen könne. Er sei nämlich nicht mehr als Kind oder Jugendlicher, sondern vielmehr als alleinstehender Mann im arbeitsfähigen Alter anzusehen, spreche Landessprachen und habe an Erfahrungen gewonnen. Zudem habe er bereits in Afghanistan Arbeitserfahrungen in der Landwirtschaft sammeln können und mittlerweile ergänzende Bildungsschritte unternommen. Bei einer Rückkehr könne er die Unterstützung seiner Familienangehörigen oder auch seiner Freunde im Ausland in Anspruch nehmen. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung führte das BVwG aus, der Revisionswerber verfüge zwar über Deutschkenntnisse auf einem nicht feststellbaren Niveau, ein gesellschaftliches Engagement, gemeinnützige Arbeiten, eine regelmäßige Erwerbstätigkeit oder sonstige Integrationsbemühungen seien jedoch nicht ersichtlich. Es bestehe seit über zwei Jahren eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, ohne dass eine Wohn- oder Wirtschaftsgemeinschaft vorliege. Im Herkunftsstaat lebten noch Angehörige des Revisionswerbers. Es wiege besonders schwer, dass er wiederholt im Bereich der Suchtmittel- und Eigentumskriminalität straffällig geworden sei, sodass die Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK in einer Gesamtschau zu seinen Ungunsten ausfalle.

5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, das BVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, indem es zu Unrecht von der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgehe. Zudem sei im Rahmen der Rückkehrentscheidung das Privat- und Familienleben des Revisionswerbers weitgehend außer Acht gelassen worden.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die vorliegende Revision vermag nicht darzutun, dass die Beurteilung des BVwG hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig wäre. Diesbezüglich begegnet insbesondere die Einschätzung des BVwG, der Revisionswerber finde aufgrund der aufgezeigten Umstände des Einzelfalls in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vor, im Ergebnis keinen Bedenken (vgl. zur insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, und VfGH 12.12.2017, E 2068/2017, mwN).

11 Soweit die Revision darüber hinaus die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 21.3.2018, Ra 2017/18/0416, mwN). Eine solche Mangelhaftigkeit der vom BVwG fallbezogen vorgenommenen Interessenabwägung hat die Revision jedoch nicht aufgezeigt.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juni 2018

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