VwGH Ra 2018/17/0172

VwGHRa 2018/17/017213.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der D M in M, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. Juli 2018, LVwG-S-756/004-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §31 Abs2 Z4;
VStG §31 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170172.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 28. Februar 2017 wurden über die Revisionswerberin wegen zweier Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) näher bezeichnete Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).

3 Mit Erkenntnis des LVwG vom 29. Jänner 2018 wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Revisionswerberin ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerber außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 2018 wurde das angefochtene Erkenntnis im Umfang seines Ausspruches über die Strafe und die Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen wurde die Revision zurückgewiesen.

5 Im fortgesetzten Verfahren wurde mit Erkenntnis des LVwG vom 26. Juli 2018 der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die für den Fall der Uneinbringlichkeit der verhängten Geldstrafen festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen von zweimal 200 Stunden auf zweimal einen Tag herabgesetzt wurden. Die Strafsanktionsnorm laute § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG. Kosten des Beschwerdeverfahrens seien nicht aufzuerlegen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

6 Dieses Erkenntnis wurde dem Inhalt der vorgelegten Verfahrensakten zufolge der belangten Behörde vor dem LVwG sowie dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin jeweils am 27. Juli 2018 zugestellt.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revisionswerberin führt in der Zulässigkeitsbegründung der Revision unter anderem aus, das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zu (näher genannten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erlassung eines Straferkenntnisses nach Ablauf der in § 31 Abs. 2 VStG geregelten Frist und damit nach Eintritt der Strafbarkeitsverjährung unzulässig sei und ein dennoch erlassenes Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sei. Die Frist des § 31 Abs. 2 VStG sei nur dann gewahrt, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten erlassen worden sei, was hier nicht der Fall sei: Die der Revisionswerberin zur Last gelegte Tat umfasse den 7. April 2015; selbst unter Berücksichtigung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof (vom etwa 28. März 2018 bis 19. Juni 2018) sei Strafbarkeitsverjährung eingetreten, weil das Erkenntnis des LVwG erst am 27. Juli 2018 zugestellt worden sei.

9 Die Revision ist aus diesen in der Zulässigkeitsbegründung angeführten Gründen zulässig und berechtigt:

10 Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

11 Gemäß § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nicht eingerechnet (Z 4 leg. cit.).

12 Nach der ständigen Rechtsprechung ist die Frist des § 31 Abs. 2 VStG nur dann gewahrt, wenn die Rechtsmittelentscheidung innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde. Hinsichtlich des Beginns und des Endes der Fristenhemmung nach § 31 Abs. 2 Z 4 VStG sind einerseits der Zeitpunkt des Einlangens der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und andererseits der Zeitpunkt der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses an die belangte Behörde und nicht an die revisionswerbende Partei maßgebend (VwGH 9.10.2017, Ra 2017/02/0115, mwH).

13 Im Revisionsfall umfasst das strafbare Verhalten der Revisionswerberin, das der Bestrafung zu Grunde gelegt wurde, den 7. April 2015. Die dreijährige Frist für die Verjährung der Strafbarkeit endete somit gemäß § 31 Abs. 2 VStG am 7. April 2018.

14 Nach der Aktenlage im Verfahren Ra 2018/17/0081 (erster Rechtsgang) langte die Revision der Revisionswerberin gegen das Erkenntnis des LVwG vom 29. Jänner 2018 am 15. März 2018 beim LVwG und am 20. März 2018 beim Verwaltungsgerichtshof ein. Das aufhebende Erkenntnis vom 28. Mai 2018, Ra 2018/17/0081, wurde dem LVwG am 19. Juni 2018 zugestellt.

15 Der Ablauf der Verjährungsfrist am 7. April 2018 wurde demnach gemäß § 31 Abs. 2 Z 4 VStG während der Zeit des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof (20. März 2018 bis 19. Juni 2018) gehemmt.

16 Nach Wegfall der Hemmung am 19. Juni 2018 begann die verbleibende Frist (20. März bis 7. April 2018, somit 19 Tage) am 20. Juni 2018 wieder zu laufen. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung endete demnach am 9. Juli 2018 (vgl. zur Berechnung der Fristen VwSlg. 12.570 A/1987).

17 Das nunmehr angefochtene Erkenntnis des LVwG vom 26. Juli 2018 wurde der Aktenlage des LVwG folgend den Parteien am 27. Juli 2018 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die Strafbarkeit der der Revisionswerberin angelasteten Übertretungen jedoch bereits verjährt.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. November 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte