VwGH Ra 2018/14/0213

VwGHRa 2018/14/021327.11.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofrätin Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des A, in B, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Postgasse 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2018, Zl. W134 2146465-2/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140213.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 1. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Als Begründung brachte er vor, dass er außerehelichen Geschlechtsverkehr mit seiner Cousine gehabt hätte und ihm deswegen Verfolgung drohe.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Antrag des Revisionswerbers mit Bescheid vom 11. Jänner 2017 vollumfänglich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit am 26. April 2018 mündlich verkündetem Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Es stellte fest, dass der Revisionswerber eine außereheliche sexuelle Beziehung mit seiner Cousine geführt habe, jedoch könne nicht festgestellt werden, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer aktuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. Dazu hob das BVwG vor allem hervor, dass der Revisionswerber circa sechs bis sieben Monate unbehelligt von seinen beziehungsweise den Familienangehörigen seiner Cousine im Herkunftsstaat gelebt habe. Zudem sei von der Schutzfähigkeit und - willigkeit des afghanischen Staates auszugehen. Darüber hinaus stehe dem Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in den afghanischen Städten Herat und Mazar-e Sharif offen.

4 In weiterer Folge wies auch der Verwaltungsgerichtshof die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 12. Juli 2018, Ra 2018/18/0376, zurück.

5 Am 1. Juni 2018 stellte der Revisionswerber einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte als Begründung zusammengefasst vor, dass die im Erstverfahren geschilderte Bedrohung in Afghanistan weiter aufrecht sei. Er könne aber nunmehr durch Urkunden belegen, dass ihm kein Schutz durch afghanische Behörden gewährt werde. Weiters erstattete der Revisionswerber Vorbringen, dass sich die allgemeine Situation in Afghanistan maßgeblich verändert habe.

6 Das BFA wies den Folgeantrag mit Bescheid vom 25. August 2018 wegen entschiedener Sache zurück. Es sprach ferner aus, dass kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt werde. Weiters erließ die Verwaltungsbehörde eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Sie erließ ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot und sprach aus, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend macht, dass sich die Rechtsfrage stelle, ob eine entschiedene Rechtssache vorliege, da der Revisionswerber unter Beweis gestellt habe, dass ihm von Seiten des Staates Afghanistan kein Schutz gewährt werden könne. Damit habe er einen neuen Sachverhalt nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen. Das BVwG sei weiters von den in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren abgewichen. Der Revisionswerber habe vorgebracht, dass sich seit seinem ersten Antrag die politische Situation und die Sicherheit in Afghanistan verschlechtert hätten. Dazu habe er die aktuellen Länderberichte zu Afghanistan angeführt. Es stelle sich auch die Rechtsfrage, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben habe dürfen. Zudem habe das BVwG nicht sämtliche Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet berücksichtigt und liege auch in diesem entscheidungswesentlichen Punkt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

9 Damit zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0187 bis 0189, vgl. auch die grundlegenden Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 19.2.2009, 2008/01/0344).

14 "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0198, mwN).

15 Soweit der Revisionswerber behauptet, ein geänderter Sachverhalt läge nun wegen der Schutzunfähigkeit des Herkunftsstaates - untermauert unter anderem durch die Vorlage des Schreibens eines afghanischen Sicherheitsdirektors - vor, übersieht er, dass sich die belangte Behörde mit diesem Schreiben auseinandersetzte und diesem Beweismittel letztlich mit näherer Begründung die Beweiskraft absprach. Im Ergebnis verneinte die belangte Behörde den glaubhaften Kern des Antragsvorbringens im Folgeantrag.

16 Der Beurteilung des BVwG, wonach im Folgeantrag kein neuer Sachverhalt behauptet worden sei, die maßgeblichen Fluchtgründe sich somit seit der ersten Asylantragstellung nicht verändert hätten und vielmehr ein "Fortbestehen und Weiterwirken" des schon im ersten Asylverfahren erstatteten Vorbringens behauptet werde, hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen.

17 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hart (vgl. VwGH 12.10.2018, Ra 2018/14/0097 bis 0099, mwN).

18 Die in der Zulässigkeitsbegründung der gegenständlichen Revision allgemein gehaltene Behauptung des Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil das Ermittlungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre, aktuelle Länderberichte nicht herangezogen worden wären, obwohl sich die Sicherheitslage verschlechtert habe, vermag im Sinn der eben zitierten Rechtsprechung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht darzutun.

19 Soweit sich die Revision - erkennbar hinsichtlich der Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz - gegen den Entfall der mündlichen Verhandlung wendet, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der auch in nach dem BFA-VG zu führenden Verfahren die Abs. 1 bis 3 und der Abs. 5 des § 24 VwGVG anzuwenden sind. Soweit es die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG betrifft, ist auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu verweisen, wonach die Verhandlung (u.a. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK zu handhaben. Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (VwGH 26.9.2018, Ra 2018/14/0084 bis 0088, mwN). Dass das Verfahren insoweit fehlerhaft gewesen wäre, zeigt die Revision fallbezogen nicht auf.

20 Im Übrigen ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 29.4.2015, Ra 2014/20/0093; VwGH 12.10.2018, Ra 2018/14/0097 bis 0099, mwN).

21 Das BVwG hat die Integrationsbemühungen des Revisionswerbers entgegen dem Vorbringen in der Revision in seiner Abwägung berücksichtigt und nicht ausschließlich auf die Aufenthaltsdauer abgestellt. Dass die Interessenabwägung nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage gründen würde, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

22 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückweisen.

Wien, am 27. November 2018

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