VwGH Ro 2018/03/0018

VwGHRo 2018/03/00185.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 22. Februar 2018, Zl. LVwG-AV-985/001-2017, betreffend die Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (mitbeteiligte Partei: Ö AG in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11), den Beschluss gefasst:

Normen

EisbKrV 2012 §32;
EisbKrV 2012 §38 Abs3;
EisbKrV 2012 §5 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018030018.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 25. Juli 2017 ordnete die Landeshauptfrau von Niederösterreich an, dass eine näher bezeichnete Eisenbahnkreuzung an der ÖBB-Strecke Wien Praterstern-Rennweg-Wolfsthal in km 23,260 gemäß § 4 Abs. 1 Z 4 EisbKrV durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern sei, wobei der Schranken gemäß § 4 Abs. 2 EisbKrV als Vollschranken mit gleichzeitigem Schließen der Schrankenbäume auszuführen sei. Die Inbetriebnahme der Sicherung durch Lichtzeichen mit Schranken habe spätestens innerhalb von zwei Jahren nach Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen.

2 Dagegen erhoben der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz und die Ö Aktiengesellschaft (mitbeteiligte Partei) Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).

3 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das LVwG den verwaltungsbehördlichen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Landeshauptfrau von Niederösterreich zurück. Die Revision erklärte das LVwG für zulässig.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, es bestünden grundsätzlich keine Zweifel, dass für die gegenständliche Eisenbahnkreuzung eine Sicherung durch Lichtzeichen mit (vierteiligen Voll‑)Schranken geboten sei. Die Mitbeteiligte mache aber geltend, dass im vorliegenden Fall ein gleichzeitiges Schließen der Schrankenbäume nicht zulässig sei (§ 38 Abs. 3 EisbKrV). Außerdem dürfe die bestehende Anlage gemäß § 102 Abs. 3 EisbKrV bis zum Ende der technischen Nutzungsdauer beibehalten werden, zumal die Anlage an die Bestimmungen der EisbKrV angepasst werden könne. Zum Beleg dieses Vorbringens habe die Mitbeteiligte im Beschwerdeverfahren ein Privatgutachten eines Ingenieurbüros für Eisenbahnbetrieb, Eisenbahnsicherungstechnik und Eisenbahnkreuzungen vorgelegt.

5 Rechtlich folgerte das LVwG, § 38 Abs. 3 2. Satz EisbKrV ordne zwingend an, dass bei Vorliegen der in § 32 Abs. 1 EisbKrV bestimmten Mindestbreite der Fahrbahn von 5,8 m die Schrankenbäume über die Fahrbahn versetzt zu schließen seien. Dies habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt. In ähnlicher Weise habe sie verkannt, dass auch die Übergangsbestimmung des § 102 Abs. 3 EisbKrV bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen (Möglichkeit der Anpassung der Eisenbahnkreuzung an näher genannte Vorschriften der EisbKrV) zwingend anzuwenden sei.

6 Ausgehend davon habe die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt nicht festgestellt. Während es für die Festlegung der Sicherungsart nach den §§ 4 ff EisbKrV nur relativ einfacher nachzuholender Ermittlungen (konkret nur der Feststellung der Fahrbahnbreite im Bereich der gegenständlichen Eisenbahnkreuzung) bedürfte, seien für die Prüfung der Voraussetzungen des § 102 Abs. 3 EisbKrV umfangreiche Ermittlungen über die technische Ausgestaltung der bestehenden Lichtzeichenanlage mit Schranken notwendig. Die belangte Behörde habe dazu wegen ihrer verfehlten Rechtsauffassung bisher gar keine Ermittlungen getätigt. Diese Ermittlungslücken des verwaltungsbehördlichen Verfahrens seien so krass, dass sie im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (Hinweis insbesondere auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) eine Aufhebung des Bescheides nach § 28 Abs. 3 zweiter Fall VwGVG rechtfertigten.

7 Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil zur Frage der Auslegung des § 102 Abs. 1 letzter Satz EisbKrV noch keine (ausreichende) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Auch lasse der Wortlaut des § 5 Abs. 1 2. Satz EisbKrV entgegen der vom LVwG vertretenen Auffassung auch die Auslegung zu, dass eine Abweichung von den zwingenden Bestimmungen des 6. Abschnittes der EisbKrV (im vorliegenden Fall von § 38 Abs. 3 2. Satz iVm § 32 Abs. 1 1. Satz EisbKrV) ermögliche. Dazu gebe es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

8 Dagegen richtete sich die Amtsrevision der Landeshauptfrau von Niederösterreich, in der im Wesentlichen geltend gemacht wird, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es nicht meritorisch entschieden habe. Gravierende Ermittlungslücken, die eine Aufhebung des Bescheides nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG erlaubt hätten, lägen fallbezogen nicht vor. Im Verfahren sei nämlich ein Gutachten eines Amtssachverständigen für Eisenbahntechnik und -betrieb zur Frage eingeholt worden, wie die gegenständliche Eisenbahnkreuzung aus fachlicher Sicht zu sichern sei. Dementsprechend habe die Revisionswerberin weder jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen noch zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Schritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt.

9 Die mitbeteiligte Partei (Ö AG) hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie beantragt, die Amtsrevision zurückzuweisen, hilfsweise sie als nicht berechtigt abzuweisen.

10 Die Revision ist entgegen dem Zulassungsausspruch des LVwG nicht zulässig.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichts oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH 29.11.2016, Ro 2016/06/0013, u.a.).

14 Im vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof die vom LVwG vermisste Auslegung des § 102 Abs. 1 und 3 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012, BGBl. II Nr. 216/2012 (EisbKrV), in seinem zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2018/03/0017, vorgenommen und damit die Rechtslage hinreichend geklärt. Zur Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

15 Auf dieser rechtlichen Grundlage wäre auch der vorliegende Fall zu entscheiden gewesen. Dem LVwG ist darin zuzustimmen, dass sich die Landeshauptfrau von Niederösterreich in ihrer Entscheidung lediglich mit der künftig erforderlichen Sicherung der Eisenbahnkreuzung nach den Bestimmungen der EisbKrV beschäftigt hat.

16 Mit den weiteren wesentlichen Entscheidungsteilen, auf die sich der Bescheid nach § 102 Abs. 1 und 3 EisbKrV beziehen muss (nämlich der Frage, ob bzw. wie lange und mit welcher Anpassung die bestehende Sicherung beibehalten werden kann), hat sie sich nicht auseinander gesetzt und es wurden dazu - wenn überhaupt - nur ansatzweise Ermittlungen getätigt.

17 Das LVwG hat davon ausgehend nachvollziehbar und vertretbar dargelegt, dass am Maßstab der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 28 VwGVG (vgl. dazu grundlegend VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) eine Ausnahme von seiner meritorischen Entscheidungspflicht gegeben ist. Die Amtsrevision vermag daher nicht aufzuzeigen, dass das LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

18 Die von der Amtsrevision geltend gemachten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liegen somit nicht vor.

19 Bei diesem Ergebnis muss auf die weitere Rechtsfrage, mit der das LVwG die Zulassung der Revision begründet hat, die jedoch von der Amtsrevision nicht geltend gemacht wird, nicht näher eingegangen werden. Für das fortgesetzte Verfahren wird allerdings zu beachten sein, dass § 38 Abs. 3 letzter Satz EisbKrV bei Vorliegen der in § 32 EisbKrV normierten Voraussetzungen (Feststellungen, ob diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall vorliegen, wurden bislang nicht getroffen) ein versetztes Schließen der Schrankenbäume anordnet. Dass § 5 Abs. 1 EisbKrV eine davon abweichende Sicherung zuließe, vermag der Verwaltungsgerichtshof - in Übereinstimmung mit dem LVwG - nicht zu erkennen.

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.

21 Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, insbesondere auf § 51 VwGG.

Wien, am 5. September 2018

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