VwGH Ra 2018/01/0032

VwGHRa 2018/01/003222.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wech, über die Revision der Wiener Landesregierung, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 16. November 2017, Zlen. VGW-152/071/9517/2017-3, VGW-152/071/9631/2017-2, VGW- 152/071/9519/2017-2, VGW-152/071/9522/2017-2, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Parteien: 1. M K, 2. N K, 3. D K, 4. I K, alle in W, alle vertreten durch Mag. Albin Maric, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelder Straße 39), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z3;
B-VG Art133 Abs4;
StbG 1985 §10a Abs1;
StbG 1985 §17 Abs1;
StbG 1985 §18;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs7;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010032.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstmitbeteiligte, eine serbische Staatsangehörige, ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertmitbeteiligten. Sie beantragte mit dem Schreiben vom 21. September 2016, am selben Tag bei der revisionswerbenden Behörde eingelangt, die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die Erstreckung derselben auf ihre mitbeteiligten Kinder.

2 Mit dem am 8. Juni 2017 bei der revisionswerbenden Behörde eingelangten Schriftsatz erhoben die Mitbeteiligten Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die revisionswerbende Behörde, die mit Schreiben vom 6. Juli 2017 die Säumnisbeschwerde unter Anschluss der bezughabenden Akten dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorlegte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis beauftragte das Verwaltungsgericht Wien die revisionswerbende Behörde gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG, den versäumten Bescheid unter Bindung an die Rechtsansicht, dass die Voraussetzungen gemäß § 10a Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017 betreffend die Erstmitbeteiligte sowie die Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 1 StbG betreffend die Zweit- bis Viertmitbeteiligten vorliegen, zu erlassen, und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ist in Bezug auf die darin angeführte und gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG der revisionswerbenden Behörde überbundene Rechtsansicht, "dass die Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 idF. vor dem BGBl. I Nr. 68/2017 betreffend die Kinder vorliegen", in Verbindung mit der überbundenen Rechtsansicht, dass betreffend der Erstmitbeteiligten die Voraussetzungen gemäß § 10a Abs. 1 StbG vorliegen, zweifellos so zu verstehen, dass für den Fall der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Erstmitbeteiligte die österreichische Staatsbürgerschaft auf deren mitbeteiligte Kinder ohne weitere Prüfung der sonstigen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 StbG zu erstrecken ist.

8 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der revisionswerbenden Behörde hat das Verwaltungsgericht mit seinem Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG nicht die Rechtsansicht, dass die österreichische Staatsbürgerschaft unabhängig von deren Verleihung an die Erstmitbeteiligte gemäß § 17 Abs. 1 StbG auf ihre mitbeteiligten Kinder zu erstrecken sei, überbunden. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Abweichung der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 StbG liegt daher nicht vor.

9 § 28 Abs. 7 VwGVG stellt es ins Ermessen des Verwaltungsgerichts, entweder in der Sache selbst zu entscheiden oder sich auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen zu beschränken und gleichzeitig das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückzuverweisen, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts innerhalb einer Frist von höchstens acht Wochen nachzuholen (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023; 20.6.2017, Ra 2017/01/0029, jeweils mwN). Auch wenn das Gesetz nicht explizit Determinanten für die Ausübung dieses Ermessens nennt, ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung in erster Linie die Grundsätze der Verfahrensökonomie zu beachten hat (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0023, mwN). Eine weitere wesentliche Voraussetzung für eine Zurückverweisung des Verfahrens an die Behörde mit dem Auftrag, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts innerhalb einer Frist von maximal acht Wochen nachzuholen, ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0208, mwN).

10 Zu den in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Fragen betreffend die Ermessensausübung des Verwaltungsgerichts bei der Wahlmöglichkeit über die Vorgangsweise im Säumnisbeschwerdeverfahren gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG ist auszuführen, dass eine Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unterliegt, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Sofern weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalles nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. VwGH 2.8.2017, Ra 2017/05/0202, mwN). Eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vermag die revisionswerbende Behörde, die ihrerseits die Entscheidungspflicht verletzt und insoweit gegen das Gebot der Verfahrensökonomie verstoßen hat unter Berücksichtigung der zu § 28 Abs. 7 VwGVG dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufzuzeigen.

11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2018

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