VwGH Ra 2017/21/0185

VwGHRa 2017/21/018525.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision der A P in P, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 7. August 2017, Zl. LVwG-700187/5/MZ, betreffend Bestrafung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
VStG §45;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
VwGVG 2014 §50;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: LPD) vom 7. Juni 2016 wurde über die Revisionswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- verhängt, wobei ihr wörtlich folgende Tat angelastet wurde: "Sie haben sich als Fremder (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG), wie am 17.5.2016 bei der Fremdenpolizei in 4020 Linz (...) festgestellt wurde, seit 30.5.2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, da Sie keine der in § 31 FPG normierten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfüllen". Sie habe dadurch § 120 Abs. 1a FPG iVm § 31 Abs. 1 FPG verletzt.

2 Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde sprach das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: LVwG) mit Erkenntnis vom 22. Juli 2016 aus, dass der Bescheid aufgehoben werde. Begründend führte das LVwG aus, die Tatanlastung im Bescheid der LPD habe sich nur auf die Feststellung beschränkt, dass die Revisionswerberin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, weil sie keine der in § 31 FPG normierten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfülle; auf die Alternativen des § 31 Abs. 1 FPG sei jedoch nicht konkret eingegangen bzw. seien diese nicht explizit verneint worden. Es mangle dem Spruch daher insgesamt an der erforderlichen Konkretisierung.

3 Die LPD erließ daraufhin den Bescheid vom 9. August 2016, mit dem sie neuerlich eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- über die Revisionswerberin verhängte. Sie lastete ihr spruchgemäß abermals an, sich seit 30. Mai 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten zu haben, da sie keine der in § 31 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfülle; zusätzlich wurden im Spruch die einzelnen Ziffern des § 31 Abs. 1 FPG wörtlich wiedergegeben, und es wurde die Erfüllung der entsprechenden Tatbestände durch die Revisionswerberin jeweils ausdrücklich verneint.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das LVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 7. August 2017 als unbegründet ab. In der Begründung hielt es insbesondere fest, dass zwar mit dem Erkenntnis des LVwG vom 22. Juli 2016 der erste Strafbescheid der LPD wegen Verletzung des § 44a VStG behoben worden sei. Der nunmehrige Strafbescheid verletze aber nicht das in der Beschwerde relevierte Doppelbestrafungsverbot, weil der nunmehrige Tatvorwurf eben gerade nicht mit dem unzureichenden Vorwurf im ersten Strafbescheid ident sei. Das Strafverfahren sei mit dem Erkenntnis des LVwG vom 22. Juli 2016 nicht eingestellt worden.

5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das LVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die LPD eine Revisionsbeantwortung erstattete, in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

6 Die Revisionswerberin erblickt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG unter anderem darin, dass nach der Aufhebung des ersten Strafbescheides mit Erkenntnis des LVwG vom 22. Juli 2016 nicht neuerlich ein Strafbescheid in derselben Sache hätte ergehen dürfen. Damit ist sie im Recht, weshalb sich die Revision als zulässig und berechtigt erweist.

7 Das LVwG hat mit seinem Erkenntnis vom 22. Juli 2016 den erstinstanzlichen Strafbescheid "aufgehoben". Eine gleichzeitige - im Übrigen in Form eines Beschlusses vorzunehmende - Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ist nicht erfolgt; sie wäre auch nicht gesetzmäßig gewesen, hat doch das Verwaltungsgericht gemäß § 50 VwGVG stets in der Sache selbst zu entscheiden, wenn nicht die Beschwerde zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, wobei hier die Einstellung des Beschwerdeverfahrens nach dem VwGVG und nicht die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 VStG gemeint ist; letztere ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0137). Die vom LVwG vorgenommene Aufhebung kann daher nur als ersatzlose, die Sache endgültig erledigende Aufhebung gedeutet werden (vgl. dazu VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003); eine Aufhebung, mit der die Sache weder zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zurückverwiesen noch endgültig erledigt wird, ist dem VwGVG nämlich - anders als dem VwGG in Bezug auf die nicht meritorischen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes - fremd. Aus der Bindungswirkung einer ersatzlosen Aufhebung folgt aber - auch ohne gleichzeitige Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 VStG -, dass in derselben Sache grundsätzlich kein neuer Bescheid ergehen darf (vgl. nochmals VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003).

8 Das LVwG vertritt nun den Standpunkt, dass mit dem Bescheid vom 9. August 2016 über eine andere Sache abgesprochen worden sei als mit jenem vom 7. Juni 2016, den das LVwG aufgehoben hatte. Das trifft jedoch nicht zu: Mit beiden Bescheiden wurde die Revisionswerberin gemäß § 120 Abs. 1a iVm § 31 Abs. 1 FPG bestraft, weil sie sich seit dem 30. Mai 2012 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, da sie keine der in § 31 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt erfüllt habe. Dass in der Tatumschreibung des Bescheides vom 9. August 2016 die Ziffern des § 31 Abs. 1 FPG einzeln aufgelistet und inhaltlich wiedergegeben wurden (wie es der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den Fremdengesetzen aus 1992 und 1997 verlangt hatte), vermochte keine neue Sache zu konstituieren (vielmehr hätte diese Konkretisierung auch durch das LVwG selbst in Form einer Maßgabebestätigung erfolgen können, zumal die LPD - in Form der ausdrücklich alle Varianten des § 31 Abs. 1 FPG enthaltenden Strafverfügung - jedenfalls eine ausreichende Verfolgungshandlung gesetzt hatte). Es handelte sich daher um eine Entscheidung in derselben Sache, die nach der ersatzlosen Aufhebung des ersten Bescheides durch das LVwG mit Erkenntnis vom 22. Juli 2016 nicht hätte ergehen dürfen.

9 Schon aus diesem Grund hätte das LVwG diesen zweiten Bescheid nicht bestätigen dürfen.

10 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

11 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Jänner 2018

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