Normen
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5
VStG §19
VStG §19 Abs1
VStG §44a
VStG §44a Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170804.L00
Spruch:
1. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 23. September 2015 wurde die Revisionswerberin wegen der Verletzung der Duldungs‑ und Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt, weil sie in ihrer Eigenschaft als Lokalverantwortliche den Organen der Abgabenbehörde als Organe der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 GSpG den Zutritt zu der Betriebsstätte und zu den Betriebsräumen nicht ermöglicht habe. Über sie wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 10.000,‑ ‑ (sowie eine Ersatzfreiheitstrafe von 152 Stunden) verhängt. Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, dass die Revisionswerberin keine Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen gemacht habe, weshalb von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen und keinen außergewöhnlichen Sorgepflichten auszugehen sei. Als Verschuldensform sei vorsätzliches Verhalten anzunehmen. Mildernd sei zu werten gewesen, dass die Revisionswerberin nicht einschlägig verwaltungsrechtlich vorgemerkt sei. Sowohl aus general‑ aber insbesondere spezialpräventiven Gründen sei die Höhe der Strafe notwendig, um sie von weiteren, auf derselben schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen abzuhalten.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 8.000,‑ ‑ (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 Stunden) herabgesetzt wurde. Im Übrigen bestätigte es das Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die Umschreibung der Tathandlung um die Wortfolge „... und Person, die Glücksspieleinrichtungen bereit gehalten hat“ ergänzt wurde.
3 Zur Strafbemessung führte das LVwG aus, erschwerend sei die vorsätzliche Tatbegehung, mildernd die Unbescholtenheit zu werten. Die Strafe sei aufgrund der ungünstigen persönlichen Verhältnisse der Revisionswerberin herabzusetzen, weil die Revisionswerberin im Verfahren nunmehr nachgewiesen habe, dass sie seit November 2016 Notstandshilfe beziehe und Taggeld von EUR 25,‑ ‑ erhalte. Aus spezial‑ und generalpräventiven Gründen sei eine weitere Herabsetzung der Strafe nicht möglich.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Liegen ‑ wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe ‑ trennbare Absprüche vor (vgl. VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108, mwN), so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 28.5.2018, Ra 2018/17/0081, mwN).
9 Gemäß § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach dem Glücksspielgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegen Kontrollorganen nachkommt.
10 Eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG dient nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur ausschließlich der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des Glücksspielgesetzes und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden (vgl. VwGH 8.3.2018, Ra 2017/17/0323, mwN).
11 Die von der Revisionswerberin behauptete Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols des Bundes und eine etwa daraus folgende Unanwendbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des Glücksspielgesetzes, insbesondere der sich darauf beziehenden Strafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG bewirkt daher nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG und ein unionsrechtlich begründetes Anwendungsverbot des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG (vgl. VwGH 19.12.2016, Ra 2016/17/0034; 30.6.2017, Ra 2017/17/0205). Mit ihren unionsrechtlichen Ausführungen und dem damit in Verbindung stehenden Zulässigkeitsvorbringen zum Widerspruch des für die Verwaltungsgerichte anzuwendenden Amtswegigkeitsprinzips zu der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes vermag die Revisionswerberin daher keine Rechtsfrage darzulegen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
12 Die Revision rügt überdies, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG, ohne darzulegen, dass die Tatumschreibung nicht so präzise gewesen wäre, dass die Revisionswerberin ihre Verteidigungsrechte nicht hätte wahren können und sie der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/0787 bis 0788; 8.3.2018, Ra 2017/17/0323, jeweils mwN). Dies gilt auch für das Revisionsvorbringen bezüglich der Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/09/0009). Ebenso wenig stellt die vom LVwG vorgenommene Präzisierung des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses einen unzulässigen „Austausch der Tat“ dar, weil durch die Präzisierung kein anderer als der ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegte Sachverhalt herangezogen wurde.
13 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Die Revision erweist sich hingegen in ihrem Zulässigkeitsvorbringen in Bezug auf die Strafbemessung als zulässig und berechtigt:
15 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. VwGH 25.1.2018, Ra 2016/06/0025, mwN).
16 Nach § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im für den Revisionsfall maßgeblichen ordentlichen Verfahren sind § 19 Abs. 2 VStG zufolge überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs‑ und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Entscheidend für die Beurteilung des Unrechtsgehalts der Tat im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG ist nicht die abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts ‑ diese findet ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens ‑ sondern das Ausmaß, in dem dieses Rechtsgut durch die in Rede stehende Tat konkret beeinträchtigt wurde (vgl. VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108, mwN).
17 Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (vgl. VwGH 11.1.2018, Ra 2017/02/0136, mwN).
18 Diesen Anforderungen ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht ausreichend nachgekommen. Das Verwaltungsgericht begründete die Herabsetzung der gegenüber der Revisionswerberin verhängten Geldstrafe von EUR 10.000,‑ ‑ auf EUR 8.000,‑ ‑ (samt Reduzierung der Ersatzfreiheitsstrafe von 156 Stunden auf 120 Stunden) mit dem Nachweis der Revisionswerberin im Beschwerdeverfahren, dass sie seit 24. November 2016 Notstandshilfe in der Höhe von EUR 25,‑ ‑ Taggeld beziehe, während die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis von durchschnittlichen Einkommensverhältnissen ausgegangen sei. Im Übrigen verwies das LVwG darauf, dass die Revisionswerberin dem Schutzzweck der in § 50 Abs. 4 GSpG normierten Duldungs‑ und Mitwirkungspflichten, und zwar dem Verschaffen eines ausreichenden Informationsstandes über glücksspielrechtlich relevante Sachverhalte zur Wahrung der aufsichtsrechtlichen Aufgaben durch ihr Verhalten in nicht unerheblichem Ausmaß zuwidergehandelt habe, ohne jedoch näher auf den vorliegenden Fall einzugehen. Als erschwerend wertete das LVwG die vorsätzliche Begehung, während esdie verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Revisionswerberin als mildernd beurteilte. Schließlich sei aus spezial‑ und generalpräventiven Gründen eine weitere Herabsetzung der Strafe nicht möglich.
19 Bei einer Übertretung des § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG ist eine Geldstrafe mit bis zu EUR 22.000,‑ ‑ zu verhängen. Die auf EUR 8.000,‑ ‑ herabgesetzte Geldstrafe beträgt somit immer noch mehr als ein Drittel der möglichen Höchststrafe. Ausgehend von der Unbescholtenheit der Revisionswerberin und ihren Einkommensverhältnissen und zwar Notstandshilfebezug von durchschnittlich EUR 750,‑ ‑ monatlich (Tagsatzhöhe EUR 25,‑ ‑) muss das Verschulden der Revisionswerberin erheblich sein, um eine Geldstrafe auch in der herabgesetzten Höhe nachvollziehbar zu begründen. Der bloße Hinweis auf nicht näher dargelegte spezial‑ und generalpräventive Gründe ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ reicht dazu nicht. Überdies hat das Verwaltungsgericht die Schwere der Tat nicht ausreichend individuell begründet.
20 Mangels Nachvollziehbarkeit der Strafbemessung war das angefochtene Erkenntnis im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrensgemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
21 Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 26. Juli 2018
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