Normen
GSpG 1989 §50 Abs10;
GSpG 1989 §50 Abs4;
GSpG 1989 §52;
GSpG 1989 §53;
GSpG 1989 §54;
VStG §64 Abs3;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170322.L00
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Ausspruch im angefochtenen Erkenntnis wendet, dass die Vorschreibung von Barauslagen (Kosten der Türöffnung) in Höhe von EUR 188,40 gegenüber der mitbeteiligten Partei im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 14. Oktober 2015, Zl. X-9- 2015/46443, zu entfallen habe, als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (Revisionswerberin) vom 14. Oktober 2015 wurde die Mitbeteiligte einer Übertretung des § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt; sie habe gegen eine Duldungs- und Mitwirkungspflicht gemäß der genannten Bestimmung verstoßen, da sie zu einer näher genannten Tatzeit an einem näher bezeichneten Ort in ihrer Eigenschaft als anwesende Lokalverantwortliche den Organen der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 2 GSpG den Zutritt zur Betriebsstätte und zu den Betriebsräumen nicht ermöglicht habe. Im selben Straferkenntnis wurde der Mitbeteiligten "gemäß § 50 Abs. 10 GSpG iVm. § 64 Abs. 3 VStG und § 76/1 AVG" der Ersatz von Barauslagen in der Höhe von EUR 188,40 als Kosten für die Türöffnung auferlegt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der von der Mitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als die Vorschreibung der Barauslagen zu entfallen habe. Im Übrigen gab das LVwG der Beschwerde gegen das Straferkenntnis mit einer näher ausgeführten Spruchmodifikation keine Folge, erlegte der Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG die Bezahlung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und sprach aus, dass eine Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei. Im Zusammenhang mit der Aufhebung der Barauslagenvorschreibung führte das LVwG aus, gemäß § 50 Abs. 10 GSpG seien Barauslagen nur dann aufzuerlegen, wenn diese einer Behörde in Zusammenhang mit einem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren erwüchsen, was vorliegendenfalls nicht der Fall sei. Auch könne die Vorschreibung der Barauslagen aus näher genannten Gründen nicht auf § 64 Abs. 3 VStG iVm § 76 AVG gestützt werden.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag auf dessen kostenpflichtige Aufhebung oder Abänderung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Zur Zulässigkeit bringt die Revisionswerberin vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche der Behörde erwachsenen Barauslagen den Bestraften im Strafbescheid gemäß § 50 Abs. 10 GSpG auferlegt werden dürften. Vorliegend seien der Behörde Barauslagen, nämlich die vom Schlüsseldienst in Rechnung gestellten Kosten für die Türöffnung, erwachsen. Diese Barauslagen seien auch im Zusammenhang mit einem Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG entstanden, da unmittelbar im Anschluss an die Türöffnung im Zuge derselben Kontrolle Glücksspielautomaten gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig beschlagnahmt worden seien. Mit Bescheid der Revisionswerberin vom 23. März 2016 seien die im Zuge der Kontrolle vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgeräte zur Sicherung der Einziehung in Beschlag genommen worden; einer dagegen erhobenen Beschwerde sei durch das LVwG mit Erkenntnis vom 3. März 2017 keine Folge gegeben worden.
Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit einem Antrag auf Kostenersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Die Revision erweist sich hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des § 50 Abs. 10 GSpG, insbesondere zur Frage, welche der Behörde erwachsenen Barauslagen den Bestraften im Strafbescheid auferlegt werden dürfen, als zulässig.
Sie ist jedoch nicht berechtigt.
§ 50 Abs. 10 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung
BGBl. I Nr. 118/2016, lautet:
"(10) Erwachsen einer Behörde bei einer Amtshandlung im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren Barauslagen, so sind diese den Bestraften zur ungeteilten Hand im Strafbescheid, allenfalls mittels gesonderten Bescheids, aufzuerlegen."
5 Den Erläuterungen (RV 1960 BlgNR 24. GP , 51, 52) ist betreffend die Einfügung von § 50 Abs. 10 in das GSpG durch die Novelle BGBl. I Nr. 112/2012 Folgendes zu entnehmen:
"Die Gewährleistung eines besonders hohen Schutzniveaus im Glücksspielsektor ist nur durch intensive und strenge Kontrollen möglich. Die Bedeutung einer genauen Aufsicht in einem sensiblen Bereich wie dem des Glücksspiels ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund der mit illegalem Glücksspiel einhergehenden Probleme mit kriminellen und betrügerischen Aktivitäten und dem Umstand, dass in diesem Bereich hohe Profite insbesondere bei verbotenen Ausspielungen durch gleichzeitigen Einsatz mehrerer Glücksspielgeräte erzielt werden können. Diesem Umstand wurde mit intensiven Kontrollen im Bereich illegaler Glücksspieleinrichtungen begegnet, die zu zahlreichen Strafverfahren geführt haben. Im Zuge dieser Verfahren entstehen regelmäßig Barauslagen, die Kosten für den Abtransport von Eingriffsgegenständen sowie für deren Lagerung und Vernichtung umfassen. Die Vorschreibung dieser Kosten ist den allgemeinen Bestimmungen (§ 64 Abs. 3 VStG) folgend grundsätzlich im Spruch des Strafbescheides aufzuerlegen. Es soll jedoch möglich sein, Barauslagen in einem gesonderten Bescheid festzusetzen.
Für eine effektive Geltendmachung ist aber die einfache, rasche und mit möglichst geringem Aufwand verbundene Hereinbringung der entstandenen Kosten von großer Bedeutung, da dies vor allem in Anbetracht der Vielzahl an abzuwickelnden Verfahren einen sehr hohen Verwaltungsaufwand verursacht, der einer Aufrechterhaltung oder Erhöhung der bestehenden Kontrollen zuwiderläuft. Die Solidarverpflichtung stellt diesbezüglich ein geeignetes und unbedingt notwendiges Mittel dar um den derzeit bestehenden hohen Kontrolldruck zu gewährleisten und nach Möglichkeit weiter zu erhöhen. Derzeit ist in Verfahren, die mehrere Bestrafte betreffen, regelmäßig schwer möglich die jeweiligen Anteile der Ersatzpflichtigen am Gesamtbetrag zu bestimmen und läuft - selbst bei Auferlegung zu gleichen Teilen - die in der Vollzugspraxis häufig anzutreffende Uneinbringlichkeit von Teilbeträgen einer effizienten und kostendeckenden Vollziehung zuwider. Durch die gewählte Regelung soll der ungewünscht hohe Verwaltungsaufwand in diesem Bereich verringert werden und die volle Kostentragung durch die Ersatzpflichtigen gesichert werden, sodass eine effiziente Vollziehung in einem sensiblen Bereich wie dem vorliegenden ermöglicht wird, die gemessen an den verfolgten ordnungspolitischen Zielen dieses Gesetzes und deren Bedeutung auch als unerlässlich anzusehen ist um das Angebot an illegalem Glücksspiel unattraktiv zu machen und weiter einzuschränken.
(...)"
6 Die Revision wirft mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bislang unbeantwortete Rechtsfrage auf, ob die der Behörde erwachsenen Kosten, welche durch eine - im Zuge einer Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG erfolgte - Türöffnung mithilfe eines Schlüsseldienstes entstanden sind, einem in der Folge wegen Verweigerung der Mitwirkungspflicht durch Nicht-Öffnen der Türe gemäß § 50 Abs. 4 GSpG Bestraften gemäß § 50 Abs. 10 GSpG zur Bezahlung im Wege des Barauslagenersatzes auferlegt werden dürfen.
7 Die Amtsrevisionswerberin bringt dazu vor, die verfahrensgegenständlichen Barauslagen seien im Zusammenhang mit einem Beschlagnahmeverfahren nach dem GSpG entstanden, da unmittelbar im Anschluss an die Türöffnung im Zuge derselben glücksspielrechtlichen Kontrolle Glücksspielautomaten gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig beschlagnahmt worden seien; in der Folge sei die Beschlagnahme zunächst mit Bescheid und sodann mit Erkenntnis des LVwG rechtskräftig verfügt worden.
8 Wie die revisionswerbende Partei dabei richtig erkennt, kommt es nach dem Gesetzeswortlaut für die Rechtmäßigkeit einer Barauslagenvorschreibung nach § 50 Abs. 10 GSpG zum einen darauf an, dass die betreffenden Kosten "im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren" nach GSpG erwachsen sein müssen. Den zitierten Gesetzesmaterialien zur Einführung der in Rede stehenden Bestimmung ist hierzu zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dabei in erster Linie etwa Kosten für den Abtransport von Eingriffsgegenständen sowie für deren Lagerung und Vernichtung vor Augen hatte. Auch wenn es sich bei dieser Aufzählung offensichtlich um keine abschließende Anführung jener Kosten handelt, welche nach dem Willen des Gesetzgebers nach § 50 Abs. 10 GSpG auferlegbar sein sollen, so ist bei einer Kostenvorschreibung nach dieser Bestimmung jedoch zum anderen zu beachten, wem, dh. welchen nach welcher Bestimmung des GSpG Bestraften Kosten nach § 50 Abs. 10 GSpG auferlegt werden dürfen. Im vorliegenden Fall liegen überhaupt keine Kosten eines Strafverfahrens vor, sondern solche eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Angesichts der gewählten Gesetzesformulierung ist bei Auslegung von § 50 Abs. 10 GSpG jedoch davon auszugehen, dass es sich auch bei der Bestrafung nach dem GSpG um eine solche handeln muss, welche im "Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- bzw. Einziehungsverfahren" erfolgt ist, dass daher also nach dem Willen des Gesetzgebers Kosten nach § 50 Abs. 10 GSpG nur in jenen Strafverfahren auferlegt werden dürfen, in denen eine Bestrafung wegen einer Tatbegehung unter Verwendung von der Beschlagnahme oder Einziehung unterliegenden Glücksspielgeräten erfolgt ist. Eine Bestrafung wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG scheidet damit als taugliche Grundlage für die Auferlegung eines Barauslagenersatzes gemäß § 50 Abs. 10 leg. cit. aus.
9 Aufgrund obiger Ausführungen durften daher der Mitbeteiligten vorliegend die der Behörde für die Türöffnung entstandenen Kosten nicht nach § 50 Abs. 10 GSpG als Barauslagen zur Bezahlung auferlegt werden.
10 Auch eine Barauslagenvorschreibung gemäß § 64 Abs. 3 VStG kam im Revisionsfall, wie das LVwG im Ergebnis richtig erkannt hat, nicht in Betracht.
11 Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2017/17/0026, 0027, auf das in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, stellt § 50 Abs. 10 GSpG eine lex specialis zu § 64 Abs. 3 VStG dar. Sofern gegenständlich die Vorschreibung von Barauslagen daher nicht auf § 50 Abs. 10 GSpG gestützt werden kann, ist subsidiär die Anwendbarkeit von § 64 Abs. 3 VStG zu prüfen. Die Revisionswerberin hat die Kostenvorschreibung für die Kosten der Türöffnung durch den Schlüsseldienst im vor dem LVwG bekämpften Straferkenntnis - auch - auf § 64 Abs. 3 VStG gestützt.
12 Diese Bestimmung lautet:
"Kosten des Strafverfahrens
§ 64. (...)
(3) Sind im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen
(§ 76 AVG), so ist dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind; der hienach zu ersetzende Betrag ist, wenn tunlich, im Erkenntnis (der Strafverfügung), sonst durch besonderen Bescheid ziffernmäßig festzusetzen. Dies gilt nicht für Gebühren, die dem Dolmetscher zustehen, der dem Beschuldigten beigestellt wurde.
(...)"
13 Das LVwG argumentiert im Zusammenhang mit § 64 Abs. 3 VStG, eine Kostenvorschreibung der angefallenen Barauslagen gemäß dieser Bestimmung sei im Revisionsfall nicht zulässig, da die Kosten für die Türöffnung durch den Schlüsseldienst nicht im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens, sondern noch vor dessen Einleitung entstanden seien. Es sei nicht zulässig, den Ersatz dieser Kosten einem Beschuldigten als der Behörde erwachsene Barauslagen im Sinne von § 64 Abs. 3 VStG aufzuerlegen.
14 Mit dieser Argumentation ist das LVwG im Ergebnis im Recht. Im Revisionsfall kann schon deshalb nicht davon gesprochen werden, die Kosten für die Türöffnung seien "im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens" angefallen, weil es sich bei diesen Kosten nicht um solche handelt, welche im Zuge einer zu dem Zweck durchgeführten Überprüfung, ob eine strafbare Handlung der Mitbeteiligten vorliegt, entstanden sind (vgl. in diesem Sinne etwa VwGH 29.3.1995, 92/10/0463). Die Kosten für die Türöffnung durch den Schlüsseldienst waren vielmehr unabhängig von dem Verwaltungsstrafverfahren gegen die Mitbeteiligte wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht solche, die zur Durchsetzung der den Organen der öffentlichen Aufsicht gemäß § 50 Abs. 4 GSpG zustehenden Kontrollbefugnisse angefallen sind. Es handelt sich daher um Kosten eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
15 Die Revision war daher insoweit, als sie sich gegen den Ausspruch im angefochtenen Erkenntnis wendet, dass die Vorschreibung der Kosten der Türöffnung gegenüber der mitbeteiligten Partei im Bescheid der Amtsrevisionswerberin zu entfallen habe, aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
16 Im Übrigen war die Revision, die zwar den Antrag auf Aufhebung des gesamten angefochtenen Erkenntnisses stellt, jedoch zu dessen übrigen Aussprüchen kein Vorbringen enthält, mangels diesbezüglicher Darlegung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückzuweisen.
17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. November 2018
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