VwGH Ra 2017/13/0027

VwGHRa 2017/13/002712.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 20. März 2017, Zl. RV/7105109/2016, betreffend Aufhebung von Körperschaftsteuerbescheiden für die Jahre 2001 und 2002 gemäß § 299 Abs. 1 BAO (mitbeteiligte Partei: H Privatstiftung in W, vertreten durch die Grant Thornton Unitreu GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1200 Wien, Rivergate, Handelskai 92, Gate 2, 7A), zu Recht erkannt:

Normen

11997E056 EG Art56;
11997E058 EG Art58;
12010E063 AEUV Art63;
12010E065 AEUV Art65;
62012CJ0326 van Caster VORAB;
InvFG 1993 §40;
InvFG 1993 §42 Abs1;
InvFG 2011 §186;
InvFG 2011 §188;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017130027.L00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Streitpunkt des Revisionsverfahrens ist die vom Finanzamt für die Streitjahre 2001 und 2002 gemäß § 42 Abs. 1 InvFG 1993 vorgenommene, nach dem angefochtenen Erkenntnis aber nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbare Behandlung liechtensteinischer Kapitalgesellschaften als ausländische Kapitalanlagefonds.

2 Die mitbeteiligte Privatstiftung war in den beiden Streitjahren zu jeweils 100% an zwei liechtensteinischen Aktiengesellschaften beteiligt, die ihr Vermögen nach dem Grundsatz der Risikostreuung veranlagten.

3 Auf Grund einer vom Bundesministerium für Finanzen erteilten Auskunft über § 42 Abs. 1 InvFG 1993 in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung erklärte die Mitbeteiligte Investmentfondserträge aus ihren Beteiligungen an den beiden Aktiengesellschaften. Mit Bescheiden vom April und vom November 2003 wurde sie für die Jahre 2001 und 2002 erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer veranlagt.

4 Gestützt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, 99/14/0081, VwSlg 7885/F, beantragte die Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 17. August 2004 die Aufhebung der beiden Bescheide gemäß § 299 BAO "wegen EWR- bzw EG-Rechtswidrigkeit des Inhaltes".

5 Mit Bescheiden vom 14. Februar 2007 wies das Finanzamt den Antrag in Bezug auf beide Streitjahre ab. Der behauptete Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit liege nicht vor, weshalb der Antrag in Bezug auf den Bescheid vom November 2003 abzuweisen und in Bezug auf den Bescheid vom April 2003 mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 302 Abs. 2 lit. c BAO in der damals geltenden Fassung "als verspätet abzuweisen" sei.

6 Zu den gegen diese Bescheide mit Schriftsätzen vom 16. Mai 2007 erhobenen und dem unabhängigen Finanzsenat im Juni 2007 vorgelegten Berufungen der Mitbeteiligten nahm das Finanzamt mit Schreiben vom 16. Juli 2013 Stellung.

7 Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 17. Oktober 2013 gab der unabhängige Finanzsenat den Berufungen mit Bescheid vom 21. Oktober 2013, RV/1703-W/07, miterledigt RV/1728-W/07, Folge. Er sprach aus, die "angefochtenen Bescheide" vom Februar 2007 würden "aufgehoben".

8 In der Amtsbeschwerde gegen diesen Bescheid machte das Finanzamt u.a. geltend, die bloße Aufhebung der Bescheide, mit denen der Antrag vom August 2004 abgewiesen worden sei, belaste die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Da dies zutraf, wurde die Entscheidung mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 2016, 2013/13/0116, aufgehoben.

9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hob das inzwischen zuständig gewordene Bundesfinanzgericht die Bescheide vom April und November 2003 gemäß § 299 BAO auf. Die Entscheidungsgründe wiederholten in den revisionsgegenständlichen Punkten unverändert und ohne Auseinandersetzung mit der dagegen erhobenen Amtsbeschwerde die Begründung der Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates.

10 Dargelegt wurde - unter Bezugnahme u.a. auf Art. 56 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) über den freien Kapitalverkehr und Art. 58 EGV (jetzt Art. 65 AEUV) über zulässige nationale Beschränkungen - im Wesentlichen, bei einer inländischen Kapitalgesellschaft, die Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlege, würden die Anteilsinhaber nur besteuert, soweit eine Ausschüttung erfolge. Es erfolge eine formale Anknüpfung, nach der die besonderen (dem "Transparenzprinzip" folgenden) Besteuerungsregeln des InvFG 1993 nur zur Anwendung kämen, wenn ein nach diesem Gesetz aufgelegter Investmentfonds vorliege. Für eine ausländische Kapitalgesellschaft, die Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlege, sehe § 42 Abs. 1 InvFG 1993 jedoch die im vorliegenden Fall strittige Besteuerung (der Anteilsinhaber) "nach dem Transparenzprinzip" vor.

11 Der zu beurteilende Sachverhalt falle aus näher dargestellten (nicht strittigen) Gründen in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, der hier mit Rücksicht darauf, dass § 42 Abs. 1 InvFG 1993 nicht nach dem Ausmaß der Beteiligung differenziere, gegenüber der Niederlassungsfreiheit der Vorrang zukomme. Die Stillhalteklausel des Art. 57 Abs. 1 EGV (jetzt Art. 64 Abs. 1 AEUV) komme aus ebenfalls näher dargestellten Gründen nicht zur Anwendung.

12 Das Fehlen einer vergleichbaren Regelung für inländische Kapitalgesellschaften, die Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung anlegen, bedeute eine Ungleichbehandlung. § 42 Abs. 1 InvFG 1993 bewirke dabei über die Durchbrechung der Abschirmwirkung und eine unter Umständen zeitlich vorgezogene Besteuerung hinaus auch eine Besteuerung auf der Ebene des Anteilsinhabers, die bei Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften nicht stattfinde. So unterlägen ausschüttungsgleiche Erträge von ausländischen Kapitalgesellschaften, die nach dieser Bestimmung als ausländische Investmentfonds gälten, nicht der Steuerbefreiung des § 10 KStG 1988, während Beteiligungserträge aufgrund Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften bei den Anteilsinhabern regelmäßig steuerfrei seien. Die Veräußerung von Anteilen an thesaurierenden inländischen Kapitalgesellschaften im Privatvermögen sei im Streitzeitraum nach dem Ablauf der Spekulationsfrist gänzlich ohne Besteuerung möglich gewesen. Dagegen seien bei Anteilen an ausländischen thesaurierenden Kapitalgesellschaften, die unter § 42 Abs. 1 InvFG 1993 fielen, laufende Erträge zumindest als ausschüttungsgleiche Erträge zu versteuern oder die ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 42 Abs. 2 InvFG 1993 pauschal festzustellen gewesen. Die Ungleichbehandlung stelle "offensichtlich" ein Hindernis hinsichtlich der Kapitalanlage in ausländische Kapitalgesellschaften dar, die ihr Vermögen risikogestreut veranlagen.

13 Liege eine Beeinträchtigung des freien Kapitalverkehrs vor, so sei zu prüfen, ob diese durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, wie die Bekämpfung der Steuerhinterziehung, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle und die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu gewährleisten, gerechtfertigt sei. Auf die gegenständliche Beschränkung des freien Kapitalverkehrs treffe dies nicht zu. Zwar würden inländische Investmentfonds - abgesehen von der Pauschalbesteuerung nach § 42 Abs. 2 InvFG 1993 - in derselben Weise besteuert, doch seien diese als Miteigentumsgemeinschaft ausgestaltet und inländische Kapitalgesellschaften von den steuerlichen Bestimmungen der §§ 40 ff InvFG 1993 nicht erfasst. Es könnte versucht werden, die "Durchgriffsbesteuerung ausländischer Kapitalgesellschaften gem. § 42 Abs. 2" (gemeint wohl: Abs. 1) InvFG 1993 mit der "möglicherweise fehlenden Körperschaftsbesteuerung" zu rechtfertigen. Der EuGH habe aber in ständiger Rechtsprechung, zuletzt im Urteil vom 15. Juli 2004, Lenz, C-315/02 , festgestellt, "dass weder die kompensatorische Besteuerung als Rechtfertigungsgrund gilt noch mit dem Argument der Gewährleistung der Kohärenz der Besteuerung dies rechtfertigbar ist".

14 Im Ergebnis sei festzuhalten, dass die Bestimmung des § 42 Abs. 1 InvFG 1993, soweit sie die Besteuerung nach dem Transparenzprinzip auch für ausländische Kapitalgesellschaften vorsehe, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoße, weil eine vergleichbare Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung in Österreich keiner derartigen Besteuerung unterliege und auch keine Rechtfertigung für diese Diskriminierung bestehe.

15 Die vom Finanzamt ins Treffen geführte Regelung des § 188 InvFG 2011, die in ihrer nunmehrigen Fassung (in Abs. 1 Z 3) die materiell-rechtliche Anknüpfung auf bestimmte definierte Fälle mit Missbrauchsverdacht beschränke, finde im Streitfall noch keine Anwendung.

16 Eine "EU-widrige Diskriminierung" sei auch im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 14. September 2006, Centro di Musicologia Walter Stauffer, C-386/04 , festzustellen, weil eine solche danach vorliege, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt würden. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, eine Beteiligung an einer österreichischen Aktiengesellschaft steuerlich anders zu beurteilen als eine Beteiligung an einer ausländischen Aktiengesellschaft.

17 Da die Diskriminierung offenkundig sei, bedürfe es keiner Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens.

18 Eine den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes beachtende gemeinschaftsrechtkonforme Auslegung gebiete es, Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften, die nicht "bei enger Auslegung einem inländischen Investmentfonds vergleichbar" seien, nicht als solche an einem Investmentfonds anzusehen. Der Spruch der Bescheide vom April und November 2003 erweise sich daher - wegen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht - als nicht richtig, weshalb die Bescheide gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufzuheben seien. Die Erlassung neuer Körperschaftsteuerbescheide falle in die Zuständigkeit des Finanzamtes.

19 Eine Revision sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil "die gegenständliche Entscheidung" sich "nicht auf die zugrundeliegenden Sachbescheide" bezogen habe, sondern "lediglich" zu der Frage ergangen sei, "ob einem Antrag auf Aufhebung von Bescheiden nach § 299 BAO zu entsprechen war".

20 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes insoweit, als das Bundesfinanzgericht "von einer offenkundigen EU/EWR-Widrigkeit des § 42 Abs. 1 InvFG 1993 ausgeht und nicht untersucht hat, ob die offenkundige EU/EWR-Widrigkeit zur Verhinderung von Missbrauch bzw. aufgrund eines fehlenden Amtshilfeabkommens mit Liechtenstein gerechtfertigt war".

21 Die Mitbeteiligte hat eine nicht mit einem Antrag auf Aufwandersatz verbundene Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.

 

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

23 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. 24 Die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes zur Unzulässigkeit einer Revision sind nicht nachvollziehbar, weil die "zugrundeliegenden Sachbescheide" mit dem angefochtenen Erkenntnis aufgehoben wurden, es dazu einer Auseinandersetzung mit Fragen der Kapitalverkehrsfreiheit bedurfte und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu einem ausreichend ähnlichen Fall nicht vorliegt.

25 In der Begründung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses wendet sich das Finanzamt nicht gegen die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes über die - auch im Verkehr mit "dritten Ländern" wie Liechtenstein wirksame - Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 Abs. 1 EGV (Art. 63 Abs. 1 AEUV) als hier maßgebliche Grundfreiheit, über die Nichtanwendbarkeit der Stillhalteklausel und über das Vorliegen einer Beschränkung des freien Kapitalverkehrs.

26 Bestritten wird das Vorliegen einer "offenkundigen EWR/EU-Rechtswidrigkeit" (in Punkt 4.1. der Revision) zunächst mit Hinweisen darauf, dass die Rechtsfrage nicht schon durch das Erkenntnis der Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 2003, 99/14/0081, VwSlg 7885/F, im Sinne des Rechtsstandpunktes der Mitbeteiligten geklärt sei und die Aufhebung des damaligen § 42 Abs. 2 InvFG 1993 mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2004, G 49/04 u.a., VfSlg 17.342, darauf hindeute, dass der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung nicht wegen offenkundiger Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des (vorgeschalteten) § 42 Abs. 1 InvFG 1993 für unanwendbar gehalten habe. Das Bundesfinanzgericht hat sich aber nicht auf das Erkenntnis vom 11. Dezember 2003 gestützt, das der Mitbeteiligten Anlass zur Antragstellung gegeben hatte, und der Verfassungsgerichtshof war in seinem Erkenntnis zu "sog. schwarzen (Investment)Fonds" (wie auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 26.1.2017, Ro 2015/15/0022) mit deren Behandlung und nicht mit der hier verfahrensgegenständlichen Frage der Umqualifizierung von Kapitalgesellschaften in Fonds befasst. Nur in der Anwendung auch auf ausländische Kapitalgesellschaften hat das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Fall eine offensichtliche Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gesehen.

27 Im Vordergrund der Revision (deren Punkt 4.2.) steht jedoch die Behauptung der Rechtfertigung der vom Bundesfinanzgericht festgestellten Beschränkung des freien Kapitalverkehrs mit Gesichtspunkten der Missbrauchsabwehr (Punkt 4.2.1.) und des Fehlens geeigneter Amtshilfevereinbarungen mit Liechtenstein für die beiden Streitjahre (Punkt 4.2.2.).

28 Die für den Revisionsfall noch maßgeblichen Bestimmungen des § 40 InvFG 1993 über die Besteuerung der Inhaber von Anteilen an Kapitalanlagefonds sind gemäß § 42 Abs. 1 erster Satz InvFG 1993 (wie nunmehr diejenigen des § 186 InvFG 2011 nach dessen § 188) auch für ausländische Kapitalanlagefonds anzuwenden. Als ausländischer Kapitalanlagefonds gilt nach dem hier strittigen zweiten Satz des § 42 Abs. 1 InvFG 1993 (wie nach § 188 InvFG 2011 bis zu dessen Änderung durch BGBl. I Nr. 135/2013, die auf unionsrechtliche Bedenken reagierte) "ungeachtet der Rechtsform, jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist".

29 Der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes, die durch diese Regelung im Streitfall bewirkte und mit steuerlichen Nachteilen für die Anteilsinhaberin verbundene Behandlung liechtensteinischer Aktiengesellschaften als Kapitalanlagefonds bedeute eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, tritt das Finanzamt nicht entgegen.

30 Nationale Maßnahmen dieser Art können nach ständiger Rechtsprechung des EuGH jedoch zulässig sein, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 26.1.2017, Ro 2015/15/0022, Rn. 34, mit Hinweis auf EuGH 9.10.2014, van Caster, C- 326/12 , Rn. 39).

31 Mit den Ausführungen zur Missbrauchsabwehr (Punkt 4.2.1.) zeigt das Finanzamt keine solche Rechtfertigung der Beschränkung auf. Sie bestehen im Wesentlichen aus Kritik daran, dass sich das Bundesfinanzgericht "mit der Prüfung von § 42 Abs. 1 InvFG vor dem Hintergrund der Missbrauchsabwehr als Rechtfertigungsgrund nicht auseinander" gesetzt habe, und im Hinweis darauf, dass die Nichtanerkennung der steuerlichen Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft "durchaus aufgrund der Anwendung nationaler Missbrauchsbestimmungen - wie etwa § 22 BAO - im Einzelfall auch im Geltungsbereich unionsrechtlicher Normen nach der Judikatur des VwGH gerechtfertigt sein" könne. Dass ein solcher Fall hier vorliege, wird damit nicht dargetan.

32 In den Ausführungen zur fehlenden Amtshilfe (Punkt 4.2.2.) macht das Finanzamt geltend, eine diesbezügliche Vereinbarung mit Liechtenstein (gemeint: Art. 25a DBA-Liechtenstein) sei erst im Jahr 2013 zustande gekommen und finde erstmals für das Steuerjahr 2014 Anwendung. In der Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf EuGH 18.12.2007, A, C-101/05 ; 19.11.2009, Kommission/Italien, C-540/07 ; 28.10.2010, Etablissements Rimbaud, C-72/09 ; 10.2.2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, C-436/08 und C-437/08 ) und des VwGH (Hinweis auf VwGH 26.1.2017, Ro 2015/15/0022) werde "eine Durchbrechung der Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten ohne Amtshilfeabkommen als gerechtfertigt" angesehen.

33 Das angefochtene Erkenntnis enthält - trotz des Hinweises auf das Fehlen einer Amtshilfevereinbarung mit Liechtenstein für den Streitzeitraum in Besprechungen der Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates (Pinetz, ecolex 2014, 277; Blum/Pinetz, RdW 2014, 303 ff) - keine Auseinandersetzung mit der Frage einer Rechtfertigung der festgestellten Beschränkung unter diesem Gesichtspunkt.

34 Dem steht jedoch gegenüber, dass eine Notwendigkeit der strittigen Umqualifizierung von Kapitalgesellschaften zur Gewährleistung der Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen vom Finanzamt erstmals in der vorliegenden Amtsrevision behauptet wird. Derartiges wurde weder in den Bescheiden vom 14. Februar 2007 noch in der Stellungnahme des Finanzamtes vom 16. Juli 2013 oder in der Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Finanzsenat und auch noch nicht in der Amtsbeschwerde gegen dessen Entscheidung ins Treffen geführt.

35 Die auf der Rechtsprechung des EuGH beruhenden Erwägungen des Erkenntnisses vom 26. Jänner 2017, Ro 2015/15/0022, aus denen die Amtsrevision in diesem Zusammenhang zitiert, lassen sich auch nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Es ist nämlich evident, dass die im Erkenntnis vom 26. Jänner 2017 - im Verhältnis zu Drittstaaten ohne ausreichende Vereinbarungen über Amtshilfe - als gerechtfertigt beurteilte Pauschalbesteuerung geeignet ist, das Problem des fehlenden Zugangs zu ausländischen Schätzungsgrundlagen und der mangelnden Überprüfbarkeit von Parteiangaben zu lösen, wohingegen sich ohne näheres Vorbringen zum Sachverhalt nicht erschließt, wie die Behandlung einer Kapitalgesellschaft als Miteigentumsgemeinschaft in Fällen wie dem vorliegenden eine geeignete und einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhaltende Reaktion auf das Fehlen einer Amtshilfevereinbarung sein soll (vgl. zu dem auch diesbezüglich erforderlichen Zusammenhang etwa EuGH 11.6.2009, Kommission/Niederlande, C- 521/07 , Rn. 48 f). Ausführungen dazu sind auch in der Amtsrevision nicht enthalten, womit es an einer ausreichenden Darstellung der Relevanz des dem Bundesfinanzgericht in diesem Punkt vorgeworfenen Begründungsmangels fehlt.

36 Die Revision enthält schließlich noch einen Abschnitt (Punkt 4.3.) über die "Auflösung einer allfälligen Kollision (...) im Wege des geringsten Eingriffs". Geltend gemacht wird hier, selbst für den Fall des grundsätzlichen Zutreffens der Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichtes hätte die Verdrängung des nationalen Rechts im konkreten Fall nicht angenommen werden dürfen, weil erstens "zu untersuchen gewesen" wäre, "ob bzw. inwieweit" die zwei liechtensteinischen Aktiengesellschaften (mit jeweils der Mitbeteiligten als einziger Gesellschafterin) von ihrer Tätigkeit her einem "Organismus zur gemeinsamen Veranlagung in Wertpapieren (OGAW) vergleichbar" gewesen seien, und weil es sich bei ihnen zweitens um "substanzlose Briefkastengesellschaften" zu handeln "scheine", sodass ein Missbrauch vorliege und es "auch im Inland" zu einer "transparenten Behandlung bzw. einem Durchgriff" gekommen wäre. Dieses Vorbringen ist so unkonkret, dass sich eine nähere Prüfung seiner Widerspruchsfreiheit und eines Verstoßes gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot erübrigt und die Relevanz allfälliger Begründungsmängel des angefochtenen Erkenntnisses auch in diesem Punkt nicht aufgezeigt wird.

37 Der Verwaltungsgerichtshof folgt aus diesen Gründen auch nicht der Anregung des Finanzamtes, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die strittige Umqualifizierung ist offenkundig, und zu den in Frage kommenden Rechtfertigungsgründen liegen auch in der Revision keine zielführenden Behauptungen vor.

38 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 12. September 2018

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