Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
HundehalteG NÖ 2010 §1 Abs1;
HundehalteG NÖ 2010 §10 Abs1 Z1;
HundehalteG NÖ 2010 §10 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §17;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020159.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 14. Juni 2016 wurde der Revisionswerber schuldig befunden, er habe am 29. Dezember 2015 um 9.10 Uhr in L als Halter eines näher bezeichneten Hundes diesen nicht in einer Weise verwahrt, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden könnten, weil der Hund den Gartenzaun übersprungen, in den Garten des Nachbarn gelaufen sei und ihn aggressiv bellend und knurrend gestellt habe, wodurch der Nachbar Angst bekommen habe, vom Hund gebissen zu werden. Über den Revisionswerber wurde gemäß § 10 Abs. 2 erster Strafsatz iVm § 10 Abs. 1 Z 1 NÖ Hundehaltegesetz eine Geldstrafe von EUR 200,-
(Ersatzfreiheitsstrafe 13 Stunden) verhängt.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde bestritt der Revisionswerber u.a., dass der Hund über eine 1,25 m hohe Einfriedung springen könne und beantragte dazu die Durchführung eines Lokalaugenscheins sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht dem Rechtsmittel insofern statt, als es die Geldstrafe auf EUR 100,- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabsetzte. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Begründend führte es - soweit für die Revision von Bedeutung -
aus, den Sachverhalt auf Grund der glaubwürdigen und schlüssigen Aussagen des Zeugen, an deren Richtigkeit zu zweifeln es keinen Anlass finde, als erwiesen anzusehen. Es sei von einer nicht ordentlichen Verwahrung auszugehen, denn "größere Hunde - und um einen derartigen hat es sich hier offensichtlich gehandelt - sind zweifellos in der Lage, derartige Zäune zu überwinden, worüber sich der (Revisionswerber) bei gehöriger Aufmerksamkeit auch im Klaren hätte sein müssen."
4 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
5 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit den Anträgen auf Zurück- in eventu auf Abweisung der Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Für zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision vor allem deswegen, weil das Verwaltungsgericht in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von ihm beantragten Beweise, ob sein Hund über eine 1,25 m hohe Einfriedung springen könne, nicht aufgenommen habe.
7 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
8 Gemäß § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz hat, wer einen Hund hält, diesen in einer Weise zu führen und zu verwahren, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden können. Eine Übertretung dieser Bestimmung ist nach § 10 Abs. 1 Z 1 NÖ Hundehaltegesetz iVm § 10 Abs. 2 leg. cit. von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu EUR 10.000,--
und im Fall der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu 4 Wochen zu bestrafen.
9 Das Verwaltungsgericht sah es als erwiesen an, dass der vom Revisionswerber gehaltene Hund den Gartenzaun übersprungen habe, und sah darin eine unzureichende Verwahrung des Tieres. Damit ist die vom Verwaltungsgericht angenommene Möglichkeit, dass der Hund die Einfriedung überwinden konnte, wesentlich für den dem Revisionswerber angelasteten Tatvorwurf. Die vom Revisionswerber zum Nachweis des Gegenteils beantragten Beweismittel nahm das Verwaltungsgericht ohne Begründung nicht auf.
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Es ist nicht zulässig, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen. Das Vorliegen von - nach Meinung des Verwaltungsgerichtes - ausreichenden und eindeutigen Beweisergebnissen für die Annahme einer bestimmten Tatsache rechtfertigt nicht die Auffassung, die zum Beweis des Gegenteils beantragte Durchführung eines Lokalaugenscheins und die Einholung eines Sachverständigengutachtens seien nicht geeignet, zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen (vgl. etwa VwGH 15.10.2015, Ra 2014/20/0052, mwN).
11 Unter der Annahme der Richtigkeit des Vorbringens des Revisionswerbers, wonach sein Hund nicht in der Lage sei, den Zaun der Liegenschaft zu überspringen, läge der damit angelastete Verstoß gegen das NÖ Hundehaltegesetz nicht vor.
12 Durch die Unterlassung der Aufnahme der genannten Beweismittel ließ das Verwaltungsgericht Verfahrensvorschriften außer Acht, bei deren Einhaltung es zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
14 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer abgegolten wird (vgl. VwGH 5.5.2017, Ra 2016/02/0036). Wien, am 4. Juli 2018
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