VwGH Ra 2016/01/0317

VwGHRa 2016/01/031730.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der P O J in S, vertreten durch Dr. Stefan Müller, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Oktober 2016, Zl. W205 2137393-1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56;
AVG §62 Abs1;
VwGG §41;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin ist Staatsangehörige von Nigeria und stellte am 16. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2 Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. September 2016 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) Italien zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass demzufolge die Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), in welcher sie die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das BFA geltend machte und dazu ua. "fehlende Länderberichte, fehlende Feststellungen und Beweiswürdigung, und unvollständige rechtliche Beurteilung" vorbrachte.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG diese Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte des BVwG dazu zusammengefasst aus, die Revisionswerberin sei über Italien in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist. Von Italien sei für sie ein gültiges Schengen-Visum der Kategorie B ausgestellt worden. Dem am 31. Mai 2015 vom BFA an Italien gerichteten Aufnahmeersuchen hätten die italienischen Behörden mit am 21. Juli 2016 eingelangtem Schreiben gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO ausdrücklich zugestimmt.

6 Das BVwG schließe sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Situation im Mitgliedstaat Italien an. Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien resultiere aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides. "Entgegen dem Beschwerdevorwurf" habe das BFA in seiner Entscheidung ausdrücklich Feststellungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien und Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen getroffen und eine vom BVwG nicht zu beanstandende Beweiswürdigung vorgenommen. Im vorliegenden Fall sei keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten, weshalb keine Veranlassung bestanden habe, von einem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben können.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Revision ist als Beilage die Ausfertigung des an die Revisionswerberin adressierten Bescheides des BFA vom 30. September 2016 angeschlossen (und zwar mit jener Bescheidzahl, über die mit dem angefochtenen Erkenntnis des BVwG abgesprochen wurde). Diese Bescheidausfertigung trägt eine Amtssignatur des BFA und enthält bis auf die Adressierung an die Revisionswerberin sowie den Spruch nur allgemeine Muster-Textbausteine; sie lässt sowohl Länderfeststellungen, als auch eine fallspezifische Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Sachverhalt im Hinblick auf Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung zur Gänze vermissen. An den diesbezüglich wesentlichen Bescheidstellen findet sich jeweils nur das Wort

"TEXTFELD".

8 In der Revision wird zur Zulässigkeit (durch teilweise wörtliche Wiedergabe des vor dem BVwG bekämpften Bescheides) unter anderem vorgebracht, der vor dem BVwG angefochtene Bescheid gliedere sich in die Abschnitte A) Verfahrensgang, B) Beweismittel, C) Feststellungen, D) Beweiswürdigung und E) Rechtliche Beurteilung, wobei die Abschnitte A) bis D) bis auf die Formulierung "Textfeld" keinerlei Inhalte aufwiesen. Das BVwG weiche im angefochtenen Erkenntnis von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht sowie zur Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen ab. Das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt und die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung nicht in gesetzmäßiger Weise offengelegt. Im angefochtenen Erkenntnis habe sich das BVwG auf eine "vom Bundesverwaltungsgericht nicht zu beanstandende Beweiswürdigung" des BFA gestützt; der angefochtene Bescheid enthalte jedoch keinerlei Feststellungen oder Beweiswürdigung, auf die sich das BVwG habe stützen können, weshalb das angefochtene Erkenntnis an einem schwerwiegenden Begründungsmangel leide. In der Beschwerde sei ausdrücklich auf die Mangelhaftigkeit des Bescheides hingewiesen worden, weil dieser keinerlei Inhalt aufweise und somit einer Kontrolle nicht zugänglich sei.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die an die Revisionswerberin adressierte Bescheidausfertigung trägt jene Geschäftszahl, über die mit dem angefochtenen Erkenntnis des BVwG abgesprochen wurde, sowie eine Amtssignatur des BFA. Abgesehen von der Adressierung an die Revisionswerberin sowie dem Bescheidspruch enthält der Bescheid keine auf das konkrete Verfahren bezogenen Elemente, somit weder Länderfeststellungen, noch eine fallbezogene Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Sachverhalt im Bereich sonstiger Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung. An den wesentlichen, zu individualisierenden Bescheidstellen findet sich jeweils lediglich das Wort "TEXTFELD".

13 Im Verwaltungsakt des BFA, welcher dem Verwaltungsgerichtshof im Zuge des Vorverfahrens übermittelt wurde, findet sich zur selben Bescheidzahl und mit derselben Datierung eine an die Revisionswerberin adressierte Bescheidurschrift des BFA, welche handschriftlich unterfertigt ist und sowohl Länderfeststellungen als auch fallbezogene Feststellungen, eine Beweiswürdigung sowie eine rechtliche Beurteilung enthält.

14 Ein schriftlicher Bescheid wird für den Empfänger in der Form rechtswirksam, die dem Inhalt der zugestellten Bescheidausfertigung entspricht, auch wenn diese mit dem in den Akten befindlichen Originalbescheid nicht übereinstimmt (vgl. VwGH 16.12.1987, 87/01/0051).

15 Im vorliegenden Fall leidet die erwähnte Bescheidausfertigung an einer offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhenden Unrichtigkeit (was sich aus der mehrmaligen Einfügung des Begriffes "TEXTFELD" anstelle der jeweiligen Begründungselemente ergibt).

16 Darauf hat die Revisionswerberin in ihrer an das BVwG gerichteten Beschwerde jedoch nicht hingewiesen, sondern die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides des BFA lediglich mit dem (allgemein gehaltenen) Vorbringen bestritten, dass dem verwaltungsbehördlichen Bescheid sämtliche Länderfeststellungen sowie jegliche fallbezogene Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Verfahren fehlten.

17 Ausgehend von der im Verwaltungsakt des BFA erliegenden, handschriftlich unterfertigten Bescheidurschrift, die eine vollständige - insbesondere auch Länderfeststellungen zu Italien sowie eine nicht zu beanstandende Beweiswürdigung umfassende - Begründung beinhaltete, traf das BVwG im vorliegenden Einzelfall keine Verpflichtung, von Amts wegen zu ermitteln, ob der Revisionswerberin allenfalls eine andere Bescheidversion als die im Akt befindliche zugestellt worden sei. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines EDV-technischen Versehens der Ausfertigung ergaben sich für das BVwG nach der Aktenlage nicht.

18 Dieser die Revisionswerberin betreffende Umstand wurde dem BVwG von der Revisionswerberin nicht zur Kenntnis gebracht; dies erfolgte - unter Vorlage der erwähnten Bescheidausfertigung - erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, weshalb dieses Vorbringen fallbezogen gegen das Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 12.10.2010, 2010/21/0335; und VwGH 25.3.2015, Ra 2014/12/0020, betreffend unterlassenes Beschwerdevorbringen zum Fehlen der Amtssignatur des angefochtenen Bescheides).

19 Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann jedoch nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/17/0035, mwN).

20 Die Revision war daher - in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. Jänner 2018

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