VwGH Ra 2017/20/0002

VwGHRa 2017/20/000226.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Ortner, in der Rechtssache der Revision des F H in L, vertreten durch Mag. Ulrich Bernhard, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Deuringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2016, Zl. L512 2125289- 1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §8 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Pakistan, stellte am 27. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er im Wesentlichen damit, dass seine Familie und er, als er neun Jahre alt gewesen sei, Pakistan aus Angst vor den Taliban verlassen und dann im Iran gelebt hätten.

2 Mit Bescheid vom 6. April 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Unter einem erteilte die Behörde dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den §§ 57 und 55 AsylG 2005, erließ gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Pakistan zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

In seiner Begründung ging das Bundesverwaltungsgericht entscheidungswesentlich davon aus, dass der Revisionswerber keine gegen ihn gerichtete persönliche Bedrohung oder Verfolgung geltend gemacht habe und er nicht aus politischen oder religiösen Gründen oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden sei. Weiters traf das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich Feststellungen zur Lage im Herkunftsort des Revisionswerbers und stütze sich in der Folge auf das Vorliegen der staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit Pakistans.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Oktober 2016, E 2414/2016-8, ablehnte und die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 14. November 2016, E 2414/2016-11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der nach Zustellung des oben genannten Abtretungsbeschlusses erhobenen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, dass der Revisionswerber "als Schiit in Pakistan Gefahr laufen würde, verfolgt oder zumindest unmenschlich behandelt zu werden." Das Bundesverwaltungsgericht sei entgegen der von ihm getroffenen Feststellungen vom Vorliegen der staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des pakistanischen Staates ausgegangen und daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Aus den Feststellungen ergebe sich, dass die Polizei oft nicht in der Lage sei, Schiiten vor Angriffen zu beschützen, und sich auch oft um Drohungen gegen religiöse Minderheiten nicht kümmere. Weiters habe der Revisionswerber in der Beschwerde vorgebracht, dass er Pakistan seit 1999 nicht mehr "besucht" habe. Dies habe das Bundesverwaltungsgericht nicht in seine Feststellungen aufgenommen, obwohl dies für die nach Art. 8 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung relevant gewesen wäre. Da insoweit der maßgebliche Sachverhalt nicht geklärt sei, wäre das Verwaltungsgericht auch verpflichtet gewesen, eine Verhandlung durchzuführen.

9 Der Revision gelingt es mit ihrem Hinweis auf einzelne Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht, die Beurteilung dieses Gerichts, es sei fallbezogen von staatlicher Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit auszugehen, als rechtswidrig erscheinen zulassen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich, was die Revision verschweigt, ausdrücklich nähere Feststellungen, die sich auf die Lage sowohl in der Heimatregion als auch im Herkunftsort des Revisionswerbers beziehen, getroffen. Dass der aus diesen Feststellungen vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Schluss unzutreffend wäre, ist nicht zu sehen. Es wird zudem in der Revision nicht behauptet, dass diese Feststellungen nicht den Tatsachen entsprechen würden.

10 Vor diesem Hintergrund hängt das Schicksal der Revision nicht von der weiters in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Frage zur Interpretation der dort genannten unionsrechtlichen Bestimmung ab.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. den hg. Beschluss vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074).

12 Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Interessenabwägung die lange Abwesenheit des Revisionswerbers von Pakistan berücksichtigt. Es trifft zwar zu, dass das Verwaltungsgericht dazu unter der Überschrift "1. Feststellungen" keine Ausführungen getätigt hat. Im Rahmen der rechtlichen Erwägungen ging das Bundesverwaltungsgericht allerdings davon aus, dass der Revisionswerber "den überwiegenden Teil seines Lebens im Iran, jedoch im Kreise seiner pakistanischen Familie" verbracht habe (S. 77 des angefochtenen Erkenntnisses). Vor dem Hintergrund, dass weiters das Bundesverwaltungsgericht - unbestritten - ausführt, der Revisionswerber sei mit der Sprache seines Heimatlandes auf "muttersprachlichem Niveau" vertraut und verfüge in seinem Heimatort in Pakistan über nahe Verwandte, die bereits dorthin zurückgekehrt seien und dort mittlerweile seit drei Jahren lebten, ist die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dem (erst seit 2015 in Österreich aufhältigen) Revisionswerber sei es möglich, in seinen Heimatort zurückzukehren und sich dort (zudem mit Hilfe seiner dort lebenden Verwandten) wieder zu integrieren, nicht zu beanstanden. Insgesamt erweist sich die vom Verwaltungsgericht nach § 9 BFA-VG vorgenommene Beurteilung jedenfalls als vertretbar. Dass in diesem Zusammenhang fallbezogen die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG rechtswidrig gewesen wäre, kann nicht erkannt werden (vgl. zur Frage der Zulässigkeit des Unterbleibens einer Verhandlung, wenn bei der Interessenabwägung ohnedies vom Vorbringen ausgegangen wird, den hg. Beschluss vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0277 bis 0280).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 26. Jänner 2017

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