VwGH Ra 2017/19/0355

VwGHRa 2017/19/035522.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des A M in N, vertreten durch Mag. Günther Kieberger, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Hauptplatz 79, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2017, W255 2149908-1/10E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

32003L0086 Familienzusammenführung-RL;
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22;
AsylG 2005 §35 Abs5;
EURallg;
FrÄG 2017;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der aus Afghanistan stammende Revisionswerber, dem der Status des subsidiären Schutzberechtigten zuerkannt wurde, macht geltend, es sei - bezogen auf die hier anzuwendende Rechtslage des AsylG 2005 vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017, BGBl. I Nr. 145/2017) - verfassungswidrig gewesen, wenn im Rahmen des Familienverfahrens nach § 34 Abs. 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 darauf abgestellt werde, dass die Ehe mit seiner Ehefrau, der der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, bereits im Herkunftsland bestanden haben müsse. Es sei ihm daher zu Unrecht der Status des Asylberechtigten wegen der im Iran erfolgten Eheschließung versagt worden.

5 Die Zulässigkeit einer Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof kann allerdings nicht mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit genereller Normen begründet werden (vgl. etwa VwGH 19.10.2016, Ra 2016/12/0091, mwN; sh. auch Art. 133 Abs. 5 B-VG).

6 Der Revisionswerber fordert zudem eine verfassungskonforme Interpretation ein und verweist dazu auf die mit dem FrÄG 2017 (mit 1. November 2017) erfolgte Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 und die diesbezüglichen Materialien, die nur von einer sprachlichen Anpassung sprechen würden, sodass die neue Rechtslage zu keiner inhaltlichen Veränderung geführt habe. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass auch schon bisher die im neuen § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 abgebildete Rechtslage gegolten habe.

7 Einer solchen Interpretation des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG idF vor dem FrÄG 2017, die im Übrigen nicht auf Überlegungen zur Verfassungskonformität beruhen würde, steht zunächst der klare Wortlaut dieser Bestimmung (arg.: "sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat") entgegen (gemäß der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist "ein Herkunftsstaat: der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes").

Dass der Gesetzgeber den in § 34 Abs. 2 AsylG 2005 verwendeten Begriff des Familienangehörigen aber im Sinn der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 verstanden wissen wollte (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 17.2.2015, Ra 2014/01/0137; 9.4.2008, 2008/19/0205), räumt der Revisionswerber selbst ein.

8 Der Revisionswerber missversteht zudem die Erläuterungen zum FrÄG 2017. Zur Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 und des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 wird dort (auszugsweise) ausgeführt (IA 2285/A 25. GP  75 und 83):

"Zu Z 2 (§ 2 Abs. 1 Z 22):

Die vorgeschlagene Änderung dient der Anpassung an die Änderung des § 35 Abs. 5, auf die verwiesen wird."

"Zu Z 15 (§ 35 Abs. 5):

Es handelt sich hiebei um eine sprachliche Anpassung der Definition des Familienangehörigen für die Anwendung des § 35 vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Familienzusammenführungs-RL zum Recht auf Familienzusammenführung.

(...)"

9 Damit wird bezüglich der Änderung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 nur zum Ausdruck gebracht, dass infolge der Änderung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005, die ihrerseits im Hinblick auf Vorschriften der RL 2003/86/EG

("Familienzusammenführungsrichtlinie") vorgenommen wurde, auch die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 anzupassen gewesen sei. Es ist aber den Materialien - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 und des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 davon ausgegangen wäre, schon die zuvor geltenden Bestimmungen wären im Sinn der mit dem FrÄG 2017 geänderten Rechtslage zu verstehen gewesen.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 22. November 2017

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