VwGH Ra 2017/17/0800

VwGHRa 2017/17/080015.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der L Handelsund Betriebsgesellschaft mbH in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 24. Jänner 2017, LVwG 41.23-1873/2016-5, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
GSpG 1989 §53 Abs2;
MRK Art6 Abs1;
VwGVG 2014 §37;
VwGVG 2014 §44 Abs4;
VwGVG 2014 §44;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170800.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 11. Mai 2016 wurde gegenüber der revisionswerbenden Partei gemäß § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme näher bezeichneter Glücksspielgeräte und sonstiger Eingriffsgegenstände angeordnet.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Steiermark, in welcher sie unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision erweist sich in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen gerügte Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.

6 Das Verwaltungsgericht begründete das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung damit, dass die entscheidungswesentlichen Sachverhalte und Elemente bereits durch den vorgelegten Akt der belangten Behörde ausreichend dargelegt und geklärt seien. Die mündliche Erörterung hätte damit zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage geführt. Vom Rechtsvertreter seien auch keine konkreten Beweisanträge in der Beschwerde gestellt worden.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 53 Abs. 2 GSpG bereits mehrmals ausgesprochen, dass die Bestimmungen über die Beschlagnahme im Glücksspielgesetz als Regelungen des Verwaltungsstrafverfahrens zu verstehen sind, weshalb die Vorschriften über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen des VwGVG (§§ 37ff VwGVG) zur Anwendung zu gelangen haben. Im Hinblick auf die in Frage stehende Verhandlungspflicht bedeutet dies im vorliegenden Fall, dass § 44 VwGVG anzuwenden gewesen wäre (vgl. VwGH vom 1.6.2017, Ra 2016/17/0200, mwN).

8 Das Verwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafsachen gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg cit finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg cit, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Liegen diese Voraussetzungen nach Abs. 2 leg cit nicht vor und hat die Partei einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, so kann das Verwaltungsgericht nach § 44 Abs. 4 VwGVG nur dann von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Ein Absehen von der Verhandlung ist jedenfalls (ausreichend) zu begründen (vgl. wieder zB VwGH vom 1.6.2017, Ra 2016/17/0200, mwN).

9 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Das Landesverwaltungsgericht hat über diese Beschwerde mit abweisendem Erkenntnis entschieden, weshalb ein Absehen nach § 44 Abs. 4 VwGVG nicht in Betracht kommt (vgl. VwGH vom 5.10.2017, Ra 2017/17/0342, mwN).

10 Da auch sonst keine der in § 44 VwGVG genannten Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung vorgelegen sind, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig.

11 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. Dezember 2017

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