VwGH Ra 2017/17/0214

VwGHRa 2017/17/021415.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der revisionswerbenden Partei VZ, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 6. Juli 2016, LVwG- 411399/8/Wg, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs3;
B-VG Art130 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VStG §51 Abs6;
VwGVG 2014 §42;
VwGVG 2014 §50;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170214.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, auf Grundlage der vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

5 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision auf die Beurteilung, Feststellungen und das Verfahren im Zusammenhang mit der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes bezieht, zeigt es nichts auf, was hier zu einer gegenüber den zitierten Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anderen Beurteilung hätte führen können.

6 Auch das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, das Landesverwaltungsgericht weiche insofern von hg Rechtsprechung ab, als es einen Austausch der als erwiesen angenommenen Tat vorgenommen habe, wenn es im Verhalten des Revisionswerbers einen Verstoß (auch) gegen § 52 Abs 1 Z 1 1. Tatbild GSpG (Veranstalten von verbotenen Glücksspielen) erkannt und den Spruch des Straferkenntnis entsprechend abgeändert habe, geht insofern ins Leere, als eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung dann zulässig ist, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl VwGH vom 17. Februar 2016, Ra 2016/04/0006, mwN). Bei der Angabe der angewandten Gesetzesbestimmung handelt es sich mithin lediglich um eine Rechtsfrage, die nicht dem Parteiengehör unterliegt (vgl VwGH vom 27. Februar 2015, 2011/17/0131, mwN).

7 Schon nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat - unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG 2014) gezogenen Grenzen - einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen. Es kann auch im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG 2014), für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (vgl VwGH vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, mwN). Dass das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis ein anderes Tatsachensubstrat, als das bereits von der belangten Behörde herangezogene, zugrunde gelegt hat, ist nicht ersichtlich.

8 Eine Bestrafung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG (Veranstalten von verbotenen Glücksspielen) durch das Verwaltungsgericht anstelle des von der Behörde herangezogenen vierten Tatbildes dieser Bestimmung führt somit nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.

9 Das Verwaltungsgericht weist in seinem Erkenntnis zurecht darauf hin, dass der (neue) Tatvorwurf des Veranstaltens verbotener Glücksspiele seitens des Finanzamtes bereits in der mündlichen Verhandlung und damit noch innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 VStG erhoben wurde.

10 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den EuGH gemäß Art 267 AEUV klar bzw geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl EuGH vom 15. September 2011, C-347/09 , Dickinger und Ömer, Rn 83 f, vom 30. April 2014, C-390/12 , Pfleger, Rn 47 ff, sowie vom 30. Juni 2016, C-464/15 , Admiral Casinos & Entertainment, Rn 31, 35 f). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 16. März 2016 durch die Vornahme der sogenannten Gesamtwürdigung auch nachgekommen (vgl VwGH vom 14. Februar 2017, Ra 2017/17/0010). Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Frage, ob das im Glücksspielgesetz normierte Monopolsystem mit dem Unionsrecht vereinbar ist, war daher - entgegen dem Vorbringen in der Revision - nicht zu stellen.

11 Die Revision war daher nach § 34 Abs 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.

Wien, am 15. Mai 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte