Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 28. Jänner 2015 hatte das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die volljährige Tochter der Revisionswerberin für den Zeitraum Februar bis September 2014 zurückgefordert, weil die Tochter seit 1. Februar 2014 vollzeitbeschäftigt sei und daher nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass sie weiterhin ernsthaft und zielstrebig ihre Ausbildung betreibe und die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen nicht mehr die volle Zeit in Anspruch nehme, und nicht sichergestellt sei, dass sie zu den Prüfungsterminen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes antreten würde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen diesen Bescheid statt und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf.
Weiters sprach das Gericht aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Nach Darstellung des Verfahrensganges traf das Gericht im Rahmen seiner Erwägungen zunächst folgende Sachverhaltsfeststellungen:
"Die in der Slowakischen Republik (in Bratislava) wohnhafte, volljährige Tochter der (Revisionswerberin) absolvierte in der Zeit von 26.8.2013 bis zum 24.5.2016 in Brünn (Tschechische Republik) an der do. Hochschule für Handel und Hotelwesen ein Bachelor-Studium der Fachrichtung Hotel- und Tourismus-Management bzw. im Studienprogramm Gastronomie, Hotel-Management und Tourismus, in Form eines Fernstudiums bzw. eines kombinierten Studiums. Dieses Studium wurde nach der Absolvierung von sechs Semestern bzw. drei, jeweils vom 1.9. eines Kalenderjahres bis zum 31.8. des Folgejahres dauernden Studienjahren, innerhalb der für die Studienrichtung vorgegebenen Mindestdauer (vgl. dazu eine, von der (Revisionswerberin) vorgelegte Studienbescheinigung), nach der Einreichung einer Diplomarbeit und positiver Ablegung einer Diplomprüfung, mit dem Erwerb des Bakkalaureat (Bachelor; vgl. Studienbestätigung; Diplom samt Anhang/Supplement und Studienordnung) erfolgreich abgeschlossen. Die Anforderungen für einen erfolgreichen Abschluss sahen laut Studienvorschriften u. a. das Erlangen von 180 ECTS-Punkten (‚ECTS-Credits') vor (vgl. Diploma Supplement: Pkt. 4.2. ‚Programme requirements'). Die genannten ECTS-Punkte (European Credit Transfer and Accumulation System) bilden den mit einem Studium im Europäischen Hochschulraum verbundenen Gesamtarbeitsaufwand und somit sämtliche Lernaktivitäten, der Studierenden ab, wobei jeder ECTS-Punkt für 25 Echtstunden steht bzw. der Arbeitsaufwand für ein Studienjahr mit 60 Punkten, d. e. ca. 1.500 Stunden, bemessen ist (vgl. ECTS-Leitfaden der Europäischen Kommission 2009 bzw. 2015). Ab dem 1.4.2014 ging die Tochter, neben dem weiterhin von ihr betriebenen Studium, einer Vollzeitbeschäftigung (laut vorgelegtem Arbeitsvertrag mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, gleichmäßig verteilt auf die Zeit von Montag bis Freitag, 09:30 bis 18:00 Uhr) in BA nach und erzielte daraus im Kalenderjahr 2014 ein deutlich unter dem in § 5 Abs. 1 FLAG 1967 genannten Betrag von EUR 10.000,00 gelegenes Bruttoeinkommen iHv. EUR 7.540,73 (vgl. vorgelegte Lohnbestätigung).
Im Wintersemester 2013/2014 (1.9.2013 bis 28.2.2014; Beginn des 1. Studienjahres) wurden laut dem betreffenden 'Curriculum Survey' von der Tochter der (Revisionswerberin) insgesamt acht, jeweils mit Prüfungen ('Evaluation') abschließende Studienfächer belegt bzw. absolviert. Die für einen positiven Abschluss der einzelnen Gegenstände erforderlichen Prüfungen fanden teilweise, auf den Zeitraum Dezember 2013 bis Jänner 2014 verteilt, im Wintersemester 2013/2014, teilweise aber auch erst im anschließenden Sommersemester 2014 (3 Prüfungstermine im März und April 2014; davon 2 Wiederholungen), statt und wurde der erfolgreiche Abschluss dieses Teilabschnittes des Studiums mit insgesamt 30 ECTS-Punkten (52014+52014+3+2+4+3+5+3) bewertet.
Im Sommersemester 2014 (Dauer von 03 bis 08/2014) wurden insgesamt neun, mit Prüfungen (davon eine Wiederholungsprüfung), jeweils im genannten Semester abschließende Einzelfächer absolviert und daraus 21 ECTS-Punkte (4+5+2+2+2+3+5+3+5+5) erworben.
Im Wintersemester 2014/2015 (Beginn des 2. Studienjahres; ab 1.9.2014) wurden neun, mit Prüfungen, jeweils im genannten Semester, abschließende Einzelfächer (Prüfungen zwischen 12/2014 und 01/2015, davon vier Prüfungen noch im Kalenderjahr 2014 bzw. Wiederholungsprüfungen in drei Fächern) belegt bzw. absolviert und dafür insgesamt 21 ECTS-Punkte (5+5+22014+22014+42014+3+5+5+52014) erworben.
Insgesamt schloss die Tochter der (Revisionswerberin) (nach drei weiteren Semestern im Sommer 2015, im Winter 2015/2016 und im Sommer 2016) im Mai 2016, somit innerhalb der vorgesehenen Mindestdauer, ihr Bakkalaureats- bzw. Hochschul-Studium mit der Erreichung von insgesamt 185 ECTS-Punkten (davon im Studienjahr 1:
51 Pkte.; im Studienjahr 2: 62 Pkte. und im Studienjahr 3: 72 Pkte.) erfolgreich ab."
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Gericht nach Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie von Literatur zu § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zum Schluss, dass mit dem genannten (ausländischen) Hochschulstudium sowohl von seiner Wesensart als auch aufgrund des umfassend dokumentierten raschen und zielgerichteten Ausbildungsverlaufes zweifellos den diesbezüglichen Anforderungen einer Berufsausbildung hinreichend Genüge getan sei. Aufgrund der sich freilich erst im Beschwerdeverfahren erweisenden Tatsache des erfolgreichen Abschlusses des nach den vorhandenen Unterlagen fortlaufend und mit gleichmäßiger Intensität betriebenen Studiums (regelmäßiger Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen) innerhalb der vorgegebenen Mindestdauer könne im Sinne einer hohen bzw. überragenden Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die absolvierte Ausbildung von Februar bis März 2014 und ebenso von April bis September 2014 einen entsprechend hohen zeitlichen Gesamtaufwand der Tochter gebunden habe, um damit letztlich (auch) den quantitativen Erfordernissen für eine beihilfentaugliche Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG für die verfahrensgegenständlichen Anspruchszeiträume zu entsprechen. Damit seien die Voraussetzungen für einen Rückforderungsbescheid nach § 26 FLAG nicht vorgelegen. Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Gericht im Kern damit, dass sich einerseits die zu beurteilenden Rechtsfrage aus den zitierten Bestimmungen bzw. aus der genannten Judikatur ergebe und, andererseits, die Wertung, ob eine beihilfentaugliche Berufsausbildung vorliege, im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen sei.
3 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Amtsrevision legt ihre Zulässigkeit darin dar,
"(v)om belangten Gericht wurde im angefochtenen Erkenntnis angeführt, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, da die Rechtsfrage aus den zitierten Bestimmungen bzw. aus der genannten Judikatur zu lösen wäre. Die Wertung, ob eine beihilfentaugliche Berufsausbildung vorliege sei im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, dass eine außerordentliche Revision zulässig ist. Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 steht die Familienbeihilfe zu, wenn ein Kind für einen Beruf ausgebildet oder in einer Fachschule fortgebildet wird, wenn ihm durch den Schulbesuch die Ausübung eines Berufes nicht möglich ist. Dazu führt das belangte Gericht im Erkenntnis vom 30.11.2016 Seite 6 letzter Absatz aus, dass hinsichtlich der quantitativen Komponente, was unter der Inanspruchnahme der ‚vollen Zeit' zu verstehen ist, weder im Gesetz selbst noch in der Judikatur des VwGH eindeutig geregelt ist, bzw. eine vom VwGH generelle Aussage getroffen wurde. Da wie vom belangten Gericht bestätigt eine höchstgerichtliche Aussage zur entscheidungswesentlichen Frage fehlt, ist entgegen der Ansicht des belangten Gerichtes eine Revision zulässig."
4 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).
5 Das Revisionsmodell der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an jenem nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. die ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts setzt einen schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze voraus (vgl. etwa den Beschluss vom 23. August 2016, Ra 2016/16/0063, mwN).
6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Dezember 2015, Ro 2015/16/0005, mwN).
Für die Qualifikation als Berufsausbildung kommt es nicht darauf an, ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist. Der zeitlichen Gestaltung und Verteilung einer Ausbildung einschließlich der erforderlichen Vorbereitungs- und Lernzeit kommt Indizwirkung für die zeitliche Inanspruchnahme zu (vgl. das Erkenntnis vom 27. September 2012, 2010/16/0013 = Slg. 8751/F).
7 Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Beweisergebnissen über das Bachelor-Studium der Tochter sowie des ab 1. April 2014 eingegangenen Beschäftigungsverhältnisses, jedoch des auch ab dem Sommersemester 2014 vorliegenden weiteren Studienerfolges, die von der Amtsrevision nicht in Zweifel gezogen werden, gelangte das Gericht "im Rahmen der freien Beweiswürdigung" zur Annahme, dass die Ausbildung auch während der verfahrensgegenständlichen Zeiträume einen im Sinn der zitierten Rechtsprechung entsprechend hohen zeitlichen Gesamtaufwand gebunden hat, um damit letztlich auch den quantitativen Erfordernissen für eine Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG zu entsprechen.
An Hand dessen traf das Gericht sodann die einzelfallbezogene Schlussfolgerung, dass das von der Tochter absolvierte Studium eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG erfülle.
8 Weder die im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Revisionsfall hinausginge.
9 Die Amtsrevision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 30. März 2017
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