VwGH Ra 2017/12/0070

VwGHRa 2017/12/007013.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrat Dr. Zens und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, in der Revisionssache des G H in N, vertreten durch Dr. Peter Klaunzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2017, Zl. W128 2129996-1/17E, betreffend Änderung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), den Beschluss gefasst:

Normen

BDG 1979 §48a Abs3;
BDG 1979 §50a Abs1;
BDG 1979 §50a;
BDG 1979 §50d;
BDG 1979 §78e Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120070.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Polizeiinspektion N.

2 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Tirol wurde für den Zeitraum von 1. Februar 2014 bis 31. August 2019 die regelmäßige Wochendienstzeit des Revisionswerbers antragsgemäß von 100% auf 97,5% gemäß § 50b Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) herabgesetzt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3 Mit Schreiben vom 9. März 2016 beantragte der Revisionswerber eine Änderung der Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit von 39 Stunden auf 20 Stunden für den Zeitraum von 1. Mai 2016 bis 31. August 2019 zur Betreuung seiner beiden am 13. November 2011 beziehungsweise am 19. Juni 2013 geborenen Kinder.

4 Über Aufforderung änderte der Revisionswerber seinen Antrag dahingehend ab, dass er die weitere Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit beginnend mit 1. Juni 2016 beantrage. Mit Bescheid vom 21. Mai 2016 wies die Landespolizeidirektion Tirol den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 50d BDG 1979 ab.

5 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren modifizierte der Revisionswerber seinen Antrag erneut hinsichtlich des Beginns des Zeitraums, für welchen er eine Reduzierung der regelmäßigen Wochendienstzeit beantrage.

6 Die Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Unter Darlegung der konkreten Berechnungsgrundlagen führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen begründend aus, dass sich im Fall der weiteren Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Revisionswerbers die tatsächliche Arbeitsbelastung der übrigen Bediensteten an der in Rede stehenden Dienststelle der in § 48a BDG 1979 normierten Höchstgrenze annäherte. Der Gestaltungsspielraum einer vorausschauenden Personalplanung sei bei Erreichen einer durchschnittlichen wöchentlichen Dienstzeit von ca. 46,11 Stunden (bei Berücksichtigung des Zeitraums von November 2016 bis Februar 2017) und bei Erreichen einer durchschnittlichen Dienstzeit von ca. 46,63 Stunden (bei Berücksichtigung der intensivsten 17 Wochen innerhalb des angeführten Beobachtungszeitraumes) im Hinblick auf die in § 48a BDG 1979 normierte Höchstgrenze als sehr gering einzustufen. So hätten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die personalführenden Stellen auch zu berücksichtigen, dass eine nach der Lebenserfahrung erforderliche Personalreserve zum Ausgleich unvorhersehbarer Personalausfälle bestehen müsse und dass absolute Rechtsansprüche auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit vorrangig zu befriedigen seien. Wenn der Revisionswerber die Ansicht vertrete, dass seinem Antrag stattzugeben wäre, solange die in § 48a BDG 1979 festgesetzte zulässige Höchstgrenze nicht erreicht sei, hätte dies zur Folge, dass, insbesondere in Zeiträumen, in denen Urlaube oder längere Krankenstände anfielen, eine Personalreserve zum Ausgleich unvorhersehbarer Personalausfälle und ein "ordentlicher Dienstbetrieb" nicht gewährleistet werden könnten, was jedoch einer verantwortungsvollen Personalplanung zuwiderliefe. Die aus einer weiteren Herabsetzung der Wochendienstzeit des Revisionswerbers resultierende Mehrbelastung für andere Beamte und der Verlust jeglicher Flexibilität der Dienstbehörde hinsichtlich des Personaleinsatzes, der im Bereich der Sicherheitsexekutive höchste Bedeutung zukomme, seien als wichtige dienstliche Interessen im Sinn von § 50a Abs. 1 BDG 1979 zu qualifizieren und stünden der Bewilligung des Antrags des Revisionswerbers entgegen. Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht unter Verweis auf näher angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sowie unter Verweis auf die eindeutige Rechtslage.

8 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit auf das Fehlen von Rechtsprechung zu der Frage verwiesen, ob die (hypothetisch) geleisteten Dienststunden eines Beamten, der sich in Krankenstand befinde und die Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit beantrage, bei der Berechnung zur Ermittlung der nach § 48a BDG 1979 zulässigen Höchstgrenze berücksichtigt werden dürften. Es stelle sich insbesondere die Frage, ob jene Dienststunden, die der im Krankenstand befindliche Beamte im gesunden Zustand leisten würde, bei der Berechnung der nach § 48a BDG 1979 zu ermittelnden Höchstgrenze miteinzubeziehen seien.

Überdies liege ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern vor, als sich die in dem angefochtenen Erkenntnis angeführte wöchentliche Stundenbelastung von durchschnittlich knapp über 46 Stunden, welche sich aufgrund des Krankenstandes des Revisionswerbers ergeben habe, durch eine Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Revisionswerbers nicht veränderte. Weiters hätten bereits bislang die übrigen Bediensteten die Stunden des Revisionswerbers, welcher sich seit längerem in Krankenstand befinde, "aufgefangen". Es sei sohin bisher möglich gewesen, den Entfall der Arbeitsleistung des Revisionswerbers zu kompensieren. Die Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Revisionswerbers wäre insofern ohne weitere Auswirkungen, zumal zu erwarten wäre, dass der Revisionswerber im Falle der Herabsetzung seiner Wochendienstzeit wieder seinen Dienst verrichten könnte und sohin zusätzlich 20 Wochenstunden zur Verfügung stünde. Dies hätte eine Entlastung für die übrigen Bediensteten zur Folge.

Die Revision erweist sich aus folgenden Gründen als nicht zulässig:

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

11 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Der Revisionswerber tritt dem angefochtenen Erkenntnis im Wesentlichen mit der Überlegung entgegen, dass er sich ohnehin während der Zeiträume, die das Verwaltungsgericht der Berechnung im Sinn von § 48a Abs. 3 BDG 1979 zugrunde legte, in Krankenstand befunden habe und folglich, da er in diesen Zeiten keinen Dienst verrichtet habe, eine weitere Herabsetzung seiner regelmäßigen Dienstzeit keine zusätzliche Belastung für andere Bedienstete zur Folge hätte. Im Ergebnis stehe daher ein wichtiges dienstliches Interesse der beantragten Herabsetzung seiner Wochendienstzeit nicht entgegen. Vielmehr sei im Fall der Herabsetzung seiner regelmäßigen Wochendienstzeit davon auszugehen, dass der Revisionswerber wieder in der Lage wäre, seinen Dienst anzutreten, woraus sich eine Entlastung der übrigen Bediensteten im Umfang von 20 Wochenstunden ergäbe.

13 Diese Argumentation vermag hinsichtlich der auf die konkreten Umstände an der Dienststelle des Revisionswerbers bezogenen, nachvollziehbaren Erwägungen des Verwaltungsgerichts betreffend die nach § 50b in Verbindung mit § 50d BDG 1979 zu beurteilenden wichtigen dienstlichen Interessen, die der Änderung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Revisionswerbers entgegenstehen, keine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen.

Inhaltlich erfolgt die Beurteilung dienstlicher Interessen im Sinn der §§ 50a und 50d BDG 1979 nach den Umständen des Einzelfalles, sodass in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen wird. Für eine solche genügt auch nicht bereits das Fehlen einer höchstgerichtlichen Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt, wäre der Verwaltungsgerichtshof sonst doch in vielen Fällen zur Entscheidung berufen, obgleich in Wahrheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufgeworfen werden (vgl. zu § 70 Abs. 1 Oberösterreichisches Landesbeamtengesetz 1993 den hg. Beschluss vom 18. Februar 2015, Ra 2014/12/0017).

14 Zunächst übersieht der Revisionswerber, dass auch ein länger andauernder Krankenstand grundsätzlich vorübergehender Natur ist. Somit konnte die Prognose betreffend die sich aus einer Änderung der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit des Revisionswerbers ergebende Mehrbelastung für andere Bedienstete basierend auf der Annahme erstellt werden, dass ungeachtet eines temporären Krankenstandes die Arbeitskraft des Revisionswerbers im Umfang der zuletzt bewilligten regelmäßigen Wochendienstzeit (97,5 %) dem Dienstgeber grundsätzlich zur Verfügung steht. Dass sich der Revisionswerber innerhalb des in Rede stehenden Beobachtungszeitraumes von 17 Wochen durchgehend in Krankenstand befand, ist für die Erstellung einer Prognoseentscheidung auf der Grundlage einer Durchschnittsbetrachtung, in welche auch krankheitsbedingte Abwesenheiten (die jeden Bediensteten treffen können) miteinzubeziehen sind, und unter Berücksichtigung einer erforderlichen Personalreserve irrelevant. Die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Unschlüssigkeit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beurteilung liegt somit nicht vor.

15 Darüber hinaus ist der Revisionswerber auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die personalführenden Stellen zwar die im Stellenplan eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten auszunützen haben, doch auch zu berücksichtigen ist, dass eine nach der Lebenserfahrung erforderliche "Personalreserve" zum Ausgleich unvorhersehbarer Personalausfälle bestehen muss und dass absolute Rechtsansprüche auf Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit (oder Erteilung eines Karenzurlaubes, wie etwa nach dem Mutterschutzgesetz) vorrangig zu befriedigen sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2012, 2009/12/0189, mwN).

In diesem Zusammenhang kann unter Berücksichtigung des in § 48a Abs. 3 BDG 1979 verankerten Höchstmaßes der durchschnittlichen Wochendienstzeit ein wichtiges dienstliches Interesse an der Vermeidung eines übermäßigen Ansteigens von Überstundenleistungen anderer Beamter einer Dienststelle bestehen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 2010, 2009/12/0044). Stellt sich heraus, dass der verlangten Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit - sei es auch nur für einen Teil der beantragten Dauer - wichtige dienstliche Interessen entgegenstehen, so ist der Antrag zur Gänze abzuweisen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. März 2011, 2007/12/0098).

Dabei ist die zu § 50a BDG 1979 ergangene hg. Rechtsprechung auf die Beurteilung der nach § 50d BDG 1979 zu berücksichtigenden wichtigen dienstlichen Interessen zu übertragen.

16 Ferner ist festzuhalten, dass mögliche positive Auswirkungen der Herabsetzung der regelmäßigen Wochendienstzeit in dem vom Revisionswerber gewünschten Ausmaß auf seine Leistungsfähigkeit eine Rechtswidrigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht aufzuzeigen vermögen, die das wichtige dienstliche Interesse an der ständigen Aufrechterhaltung einer personellen Reserve unter Berücksichtigung spezieller sicherheitsbehördlicher Erfordernisse, bereits bestehender zeitlicher Belastungssituationen und aus personalwirtschaftlicher Sicht notwendiger Einplanungen von Freistellungen auf Grund anderer Rechtsvorschriften als gegeben und der Bewilligung einer (weiteren) Herabsetzung der Wochendienstzeit des Revisionswerbers entgegenstehend ansieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 2009, 2007/12/0092, sowie im Zusammenhang mit dem Antrag auf Gewährung eines "Sabbaticals" das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2010, 2009/12/0008).

17 Die durch das Verwaltungsgericht fallbezogen vorgenommene Prüfung der Personal- und Planstellensituation, die darauf aufbauende Prognose sowie die Beurteilung der inneren Organisationsmaßnahmen erfolgte innerhalb des Rahmens der zu den Bestimmungen der §§ 50a und 50d BDG 1979 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und gelangte zu einem immerhin vertretbaren Ergebnis, von dessen Richtigkeit die Zulässigkeit der Revision nicht abhängt.

18 Der Revision gelingt es somit nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 13. September 2017

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