VwGH Ra 2017/11/0063

VwGHRa 2017/11/006326.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der J K in G, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 22. Februar 2017, Zl. LVwG-411-1/2017-R9, betreffend Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
FSG 1997 §24 Abs3;
FSG 1997 §24 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin (durch Bestätigung des Bescheides der belangten Behörde vom 12. Dezember 2016) gemäß § 24 Abs. 4 FSG iVm § 3 Abs. 3 und § 14 Abs. 3 FSG-GV aufgefordert, binnen sechs Wochen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses eine fachärztliche Stellungnahme aus dem Fachgebiet Psychiatrie sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme vorzulegen.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 In der Begründung wurde festgestellt, die Revisionswerberin habe unstrittig am 5. Mai 2016 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol und Drogen beeinträchtigten Zustand gelenkt (Hinweis auf eine Blut- und Urinprobe anlässlich einer Verkehrskontrolle).

3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. September 2016 sei die Revisionswerberin gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert worden, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen; diese Untersuchung sei am 24. November 2016 erfolgt.

4 In rechtlicher Hinsicht vertrat das Verwaltungsgericht die Auffassung, dass es entgegen dem Beschwerdevorbringen rechtlich zulässig sei, im Anschluss an den letztgenannten Bescheid eine (gleichfalls auf § 24 Abs. 4 FSG gestützte) bescheidmäßige Aufforderung wie die nun angefochtene zu erlassen, welche die Vorlage spezifischer Befunde zum Zwecke der Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens zum Gegenstand habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0009).

5 Daran ändere nichts, dass eine zwischenzeitige Harnprobe auf allfällige illegale Drogen bei der Revisionswerberin negativ verlaufen sei, weil § 14 Abs. 3 FSG-GV im Falle des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand - zwingend - eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme anordne.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001 und vom 18. Februar 2015, Zl. Ra 2015/08/0008).

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

11 Der hier maßgebende § 24 FSG lautet auszugsweise:

"§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die

Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1

Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde

entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen,

Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

...

(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. ...

...

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

..."

Die Führerschein-Gesundheitsverordnung, BGBl. II Nr. 322/1997 idF BGBl. II Nr. 427/2002, lautet auszugsweise:

"§ 14. ...

(3) Personen, die ohne abhängig zu sein, in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, darf eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.

..."

12 In der Revision wird bestätigt, dass die Revisionswerberin am 5. Mai 2016 ein Kraftfahrzeug gelenkt hat und dabei durch psychotrope Substanzen beeinträchtigt war.

13 Wenn die Revision meint, der mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte Aufforderungsbescheid vom 12. Dezember 2016 verstoße gegen die Rechtskraft des Aufforderungsbescheides vom 22. September 2016, mit welchem die Revisionswerberin (bloß) zur amtsärztlichen Untersuchung aufgefordert worden war, so wird der normative Inhalt des § 24 Abs. 4 dritter Satz FSG verkannt und die dazu ergangene hg. Judikatur außer Betracht gelassen.

Der Wortlaut des § 24 Abs. 4 dritter Satz FSG gibt der Behörde die Möglichkeit, den Inhaber einer Lenkberechtigung zu unterschiedlichem Verhalten aufzufordern (nämlich sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die für das amtsärztliche Gutachten erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen) und beschränkt die Behörde nicht etwa auf eine dieser Aufforderungen oder auf eine konzentrierte Erlassung derselben. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den (im hg. Erkenntnis vom 8. September 2016, Zl. Ra 2014/11/0087 zitierten) Erläuterungen zur FSG-Novelle BGBl. I Nr. 81/2002, auf welche die letztgenannte Bestimmung zurückgeht, wenn dort zu § 24 Abs. 4 FSG ausgeführt wird, dieser regle "nunmehr die möglichen Anordnungen, die von der Behörde vorgeschrieben werden können, wenn kein Entziehungstatbestand vorliegt". Für die Rechtsansicht, dass mit der Erlassung eines auf die letztgenannte Bestimmung gestützten Aufforderungsbescheides, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, kein weiteres Mal von § 24 Abs. 4 FSG Gebrauch gemacht werden kann (z.B. mit der Aufforderung, bestimmte Befunde beizubringen), besteht somit keine Grundlage. Vielmehr kann zur Erreichung des Gesetzeszweckes des § 24 Abs. 4 dritter Satz FSG - Klärung begründeter Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen - die "gestaffelte" Erlassung von Aufforderungsbescheiden erforderlich sein, etwa dann, wenn (wie auch die nachfolgend dargestellte Judikatur zeigt) der Amtsarzt für die Erstattung seines Gutachtens weitere Befunde benötigt.

Im Erkenntnis vom 17. Juni 2009, Zl. 2009/11/0052, hat der Verwaltungsgerichtshof bei einem vergleichbaren Sachverhalt nicht grundsätzlich beanstandet, dass der damalige Beschwerdeführer zuerst mit einem Bescheid zur amtsärztlichen Untersuchung und in der Folge (nach einem diesbezüglichen Verlangen der Amtsärztin) mit einem weiteren Bescheid zur Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgefordert wurde (vielmehr wurde der zweitgenannte Bescheid mit dem letztzitierten Erkenntnis lediglich deshalb aufgehoben, weil die Erforderlichkeit der verkehrspsychologischen Stellungnahme nicht ausreichend begründet wurde).

Im Erkenntnis vom 23. September 2014, Zl. Ra 2014/11/0023, wurde ausgeführt, dass die Behörde in einem Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG neben der amtsärztlichen Untersuchung nicht auch die Beibringung "allenfalls erforderlicher Befunde" auftragen darf, wenn deren Notwendigkeit bei Bescheiderlassung noch gar nicht feststehe, weil andernfalls die Frage der Erforderlichkeit der Befundvorlage an den Amtsarzt delegiert und damit der gerichtlichen Überprüfung entzogen würde. Daraus ergibt sich, dass dann, wenn sich (etwa aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung oder aufgrund bereits vorliegender Befunde) zur Klärung der Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung die Notwendigkeit einer (weiteren) Befundvorlage ergibt, diese gemäß § 24 Abs. 4 FSG mit (im Rechtsweg überprüfbarem) Bescheid anzuordnen ist (vgl. in diesem Sinne auch die Rz 30 ff im bereits zitierten hg. Erkenntnis, Zl. Ra 2014/11/0087).

14 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, durch die gegenständlich wiederholte Anordnung gemäß § 24 Abs. 4 FSG werde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die "Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens" abgewichen (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2006, Zl. 2006/11/0042, und vom 29. April 2003, Zl. 2001/11/0064), so liegt die behauptete Abweichung schon deshalb nicht vor, weil die Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 FSG (im Unterschied zu jener gemäß Abs. 3 FSG) abseits eines Entziehungsverfahrens erfolgt (vgl. das bereits wiederholt zitierte Erkenntnis, Zl. Ra 2014/11/0087, dort insb. Rz 30), sodass aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen ist.

15 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2017

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