VwGH Ra 2017/09/0015

VwGHRa 2017/09/001528.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision der 1. A S in P, 2. G R in G, 3. Mag. U W in T, 4. Mag. M P,

  1. 5. G P, 6. Mag. U P, 7. Ass. Prof. DI Dr. A P, 8. Mag. M B,
  1. 9. Dr. H B, alle in G, 10. P K in Z, 11. S S in O, und 12. G S in G, alle vertreten durch Mag. Dr. Günther Schmied und Mag. Markus Passer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 6/III, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Februar 2017, W170 2000597-1/52E, betreffend Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerber als Eigentümer des näher bezeichneten Gebäudes in G mit der Maßgabe ab, dass der Spruch des Bescheides des Bundesdenkmalamtes zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, dass die Erhaltung des Wohnhauses in G, hinsichtlich der Erhaltung einerseits des straßenseitigen äußeren Erscheinungsbildes, das sind die Fassaden samt der äußersten Fensterebene und der Hauseingangstüre sowie des Daches, und andererseits hinsichtlich der im Inneren liegenden Bereiche des Vestibüls im Erdgeschoß sowie der Vorräume und der Treppenanlagen im Erdgeschoß, 1., 2. und 3. Obergeschoß gemäß §§ 1, 3 Denkmalschutzgesetz, BGBl. Nr. 533/1923 in der Fassung BGBl. I Nr. 92/2013, im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 leg. cit. im öffentlichen Interesse gelegen ist."

Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

2 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, dem Objekt komme jedenfalls in Bezug auf die Erhaltung des straßenseitigen äußeren Erscheinungsbildes und die näher genannten Teile des Hauses im Erdgeschoß, 1. und 2. Obergeschoß eine künstlerische Bedeutung zu. Den im Inneren liegenden Bereich des Vestibüls, der Vorräume und der Treppenanlagen vom 2. in das

3. Obergeschoß und im 3. Obergeschoß komme keine künstlerische, sondern eine geschichtliche Bedeutung zu. Durch die Erhaltung des Objekts in Bezug auf das straßenseitige äußere Erscheinungsbild, das seien die Fassaden samt der äußersten Fensterebene und der Hauseingangstüre sowie des Daches, sowie auf die im Inneren liegenden Bereiche des Vestibüls, der Vorräume und der Treppenanlagen im Erdgeschoß, 1. und 2. Obergeschoß, könne eine architekturgeschichtliche Dokumentation in Bezug auf das spätsezessionistische Wirken des bedeutenden Stadtbaumeisters Wolfgang Alkier erreicht werden. Durch die Erhaltung der im Inneren liegenden Bereiche der Vorräume und der Treppenanlagen vom

2. in das 3. Obergeschoß und im 3. Obergeschoß könne eine geschichtliche Dokumentation in Bezug auf die Zerstörungen durch den Bombenkrieg im 2. Weltkrieg und die nach dem 2. Weltkrieg wieder erfolgte Aufbauleistung erreicht werden. Der Verlust der oben genannten Teile des Objekts würde zumindest aus regionaler bzw. lokaler Sicht eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten. Das Objekt sei zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt in einem statischen und substanziellen (physischen) Zustand, der keine Instandsetzungsmaßnahmen unmittelbar erforderlich mache.

3 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren maßgeblich - aus, das erstattete Sachverständigengutachten zum gegenständlichen Objekt in Zusammenschau mit den Ausführungen des Sachverständigen in der ergänzenden Stellungnahme und der mündlichen Verhandlung sei als vollständig und schlüssig anzusehen, da diese jeweils Befund und Gutachten im engeren Sinn aufweisen würden, die im Gutachten und in den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gezogenen Schlüsse unter Bedachtnahme auf Lebenserfahrung und logische Denkgesetze nachvollziehbar seien und sich aus dem Gutachten auch die verwendete Literatur sowie die anderen Quellen ergeben würden. Die Revisionswerber seien dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachten nicht auf gleichem wissenschaftlichen Niveau entgegen getreten. Allerdings hätten die Revisionswerber wiederholt die Unrichtigkeit bzw. Unschlüssigkeit des Gutachtens behauptet.

In der Folge handelte das Verwaltungsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung die von den Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobenen Einwände gegen das Gutachten chronologisch ab. Soweit für den Revisionsfall relevant führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, der Sachverständige sei den Einwänden gegen seine Beurteilung der Wohnungseingangstüren in schlüssiger und nachvollziehbarer Art und Weise, vor allem durch die Überreichung seiner Aufstellung zur Frage, welche dieser Türen bauzeitlich, welche verändert und welche rezent seien, entgegen getreten. Auf Basis der Befundaufnahme liege eine künstlerische Bedeutung des Objekts vor. Die teilweise vorgenommenen Veränderungen würden im Sinn einer gewachsenen Erscheinung des Objekts diesem Sachverhalt keinen Abbruch tun. Dem Objekt komme im Hinblick auf Qualität, Vielzahl und Verteilung vor dem Hintergrund des regionalen Kulturgutbestandes jedenfalls eine solitäre Stellung zu.

4 Rechtlich kam das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass auf Grund der getroffenen Feststellungen davon auszugehen sei, dass es sich beim Objekt um ein zu schützendes Denkmal handle und keine (weitere) Einschränkung des Denkmalschutzes angemessen wäre. Bei den bereits stattgefundenen Veränderungen habe es sich um keine Veränderungen gehandelt, die die Bedeutung des Denkmals schmälern würden, da diese nach Ansicht des Sachverständigen die Denkmaleigenschaft nicht wesentlich beeinträchtigen würden. Das Objekt sei jedenfalls in dem im Spruch dargestellten Umfang ein Denkmal. Da der Verlust des Objekts aus regionaler (lokaler) Sicht eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde, liege die Erhaltung des Objekts auch im öffentlichen Interesse.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende rechtzeitige außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision bringen die Revisionswerber vor, das Bundesverwaltungsgericht sei in seiner Entscheidung krass von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es seinem Erkenntnis ein Gutachten zugrunde gelegt habe, welches sowohl im Befund als auch in seinen Schlussfolgerungen unvollständig sowie unschlüssig sei. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen habe, dies sei hier geschehen. Die Entscheidung sei auf Stellungnahmen des Sachverständigen gestützt worden, welche sich im Hinblick auf die Putzoberfläche, das Dach und die Dachbodenkonstruktion sowie die Dacheindeckung nur auf Vermutungen des Sachverständigen stützten. Es wäre notwendig gewesen, um die Nachprüfung nach Denkmalschutzgesetz vornehmen zu können, eine nähere Untersuchung anzustellen. Daraus hätte sich ergeben, dass sich das gegenständliche Gebäude auch im Äußeren nicht als schutzwürdig im Sinn des DMSG erweise. Der Stiegenhausbereich im 3. und im

4. Obergeschoß unterscheide sich nicht, sodass die Bezugnahme auf Wände nicht dazu ausreiche, einen Denkmalschutzcharakter des Gebäudes herzustellen. Die Türen, welche aus der Urzeit stammen würden, seien unvollständig befundet, teilweise sei nicht berücksichtigt worden, dass die Beschläge genauso wie die Glasfassungen teilweise komplett erneuert worden seien. Es wäre eine ergänzende Befundaufnahme notwendig gewesen, um den Befund zu vervollständigen und das Sachverständigengutachten "schlüssig zu stellen". Da dies vom Bundesverwaltungsgericht nicht aufgetragen und die Entscheidung ohne eine solche Befundergänzung erlassen worden sei, sei sie mit einem Verfahrensmangel behaftet und sei das DMSG daher grob unrichtig angewendet worden.

9 Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf:

10 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. April 2016, Ra 2015/10/0076, mwN) muss ein Sachverständigengutachten, das von der Behörde - oder dem Verwaltungsgericht (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 17. November 2015, Ra 2015/03/0058, mwN) - ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2017, Ra 2016/05/0026, mwN).

11 Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. zu all dem den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0057, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren vor dem Bundesdenkmalamt erstatteten Gutachten der Amtssachverständigen nicht angeschlossen, sondern hat ein neuerliches Gutachten durch einen Sachverständigen eingeholt. Es hat sich mit den auf das Gutachten bezogenen Einwänden der Revisionswerber im Verfahren hinreichend befasst, das Gutachten in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Sachverständigen mit den Parteien erörtert und auf Basis der Gutachten ausreichende Feststellungen getroffen. Nach ständiger Rechtsprechung hätten die Revisionswerber dem Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher (somit auf sachverständiger) Ebene entgegentreten müssen. Auch ein solches Gegengutachten haben die Revisionswerber trotz entsprechender Gelegenheit nicht beigebracht. Es fehlt an der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, weil nicht zu ersehen ist, dass das Gericht bei seinem Unterbleiben zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. Juni 2017

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