VwGH Ra 2017/05/0015

VwGHRa 2017/05/001526.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der K K in T, vertreten durch die WKG Korp-Grünbart-Lison Rechtsanwälte GmbH in 4770 Andorf, Thomas-Schwanthaler-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 15. November 2016, Zl. LVwG-151064/2/MK, betreffend einen Abtragungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Gemeinderat der Gemeinde T, vertreten durch die Anwälte Pochendorfer Mitterbauer KG in 4910 Ried, Eiselsbergstraße 1a; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

VwGVG 2014 §24 Abs3;
VwGVG 2014 §24 Abs5;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Gemeinde Tumeltsham Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde T. vom 14. April 2016 wurde der Revisionswerberin gemäß § 48 Abs. 1 und 2 Oö. Bauordnung 1994 die Abtragung des Gebäudes bzw. der baulichen Anlage auf einem näher bezeichneten Grundstück innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen aufgetragen.

2 Die von der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der Gemeinde T. (im Folgenden: Gemeinderat) vom 14. Juli 2016 erlassenen Bescheid vom 15. Juli 2016 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 95 Oö. Gemeindeordnung 1990 und § 49 Abs. 1 Oö. Bauordnung 1994 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - (unter Spruchpunkt 1.) die von der Revisionswerberin gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 5 Der Gemeinderat hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

II.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

9 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe, die gesondert darzustellen sind (§ 28 Abs. 3 VwGG), zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa den Beschluss vom 13. Dezember 2016, Ra 2016/05/0076, mwN).

10 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit (unter Punkt 5.1.) Folgendes vor:

"Vorab sei darauf hinzuweisen, neben den vorzubringenden Gründen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. Beschluss des VwGH vom 23. Oktober, Zl. Ra 2014/07/0080, mwN).

Das OÖ. Landesverwaltungsgericht ist der Ansicht, ein mangelhaftes Verfahren (Ermittlungsverfahren) liegt nicht vor, vielmehr kann aus den Ausführungen des OÖ. Landesverwaltungsgerichtes geschlossen werden, dass dieses der Ansicht ist, es liege hier ein faires Verfahren vor.

§ 24 VwGVG verankert das Unmittelbarkeitsprinzip. Diesem ist in jeder Lage des Verfahrens Rechnung zu tragen, vielmehr dann, wenn widersprechende Behauptungen aufgestellt werden.

Die Baubehörde I. und II. Instanz ging davon aus, dass eine Baufälligkeit vorliegt und stützt sich dabei auf die Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen.

Vor allem bei widerstreitenden Behauptungen bzw. Erklärungen geht es darum, den verfahrensbeteiligten Personen bzw. Behörden jeweils die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Behauptungen einerseits vorzutragen und darüber hinaus zu widerstreitenden Behauptungen Stellung zu beziehen.

Diese Möglichkeit wurde der Einschreiterin schlichtweg durch

die Vorgangsweise der Gemeinde ... genommen.

Es bestand zu keiner Zeit tatsächlich für die Einschreiterin die Möglichkeit, zu den Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen konkret Stellung bzw. Bezug zu nehmen.

Die hier vorliegenden Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes gemäß IV. 1. stellen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar und orientieren sich nicht an der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Urteil vom 02.06.2016, Ra 2016/08/0075-8)."

11 Der Gemeinderat hält in seiner Revisionsbeantwortung diesem Vorbringen (u.a.) entgegen, dass die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, weil die Gründe für die Zulässigkeit der Revision gesondert darzustellen seien, und ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde der Revisionswerberin nicht zu entnehmen sei.

12 Dazu ist Folgendes auszuführen:

13 Vorauszuschicken ist, dass der Verpflichtung zur gesonderten Darlegung im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG durch den genannten Punkt 5.1. der Revision entsprochen wurde.

14 Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. nochmals den bereits genannten Beschluss, Ra 2016/05/0076, mwN) sind Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen, die Beurteilung durch das Verwaltungsgericht grob fehlerhaft erfolgt ist und diese zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Ergebnis geführt hat.

15 Die in der Revision angesprochene Bestimmung des § 24 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Stammfassung lautet auszugsweise:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

...

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

...

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

..."

16 In der von der Revisionswerberin gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht beantragt.

17 Nach der zu § 24 VwGVG ergangenen hg. Judikatur (vgl. etwa den Beschluss vom 13. September 2016, Ra 2016/03/0085, mwN) hat das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteienantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichtes steht. Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde beim Verwaltungsgericht substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 3 VwGVG kann im Übrigen auch im Wege von auf die Vernehmung von Zeugen durch das Verwaltungsgericht abzielenden Beweisanträgen gestellt werden.

18 Mit ihrem Vorbringen, dem in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip sei, wenn widersprechende Behauptungen aufgestellt würden, in jeder Lage des Verfahrens Rechnung zu tragen und es sei der Revisionswerberin durch die Vorgangsweise der Gemeinde, die (als Baubehörde I. und II. Instanz) von dem Vorliegen einer Baufälligkeit ausgegangen sei und sich dabei auf die Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen gestützt habe, die Möglichkeit genommen worden, ihre eigenen Behauptungen vorzutragen und zu widerstreitenden Behauptungen Stellung zu beziehen, so zu den Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen konkret Stellung zu nehmen, zeigt die Revision nicht auf, dass die in der oben dargestellten Rechtsprechung angeführten Voraussetzungen, im Beschwerdeverfahren auch ohne einen Antrag der Revisionswerberin von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, erfüllt gewesen seien.

19 Denn in diesen Revisionszulässigkeitsgründen (§ 28 Abs. 3 VwGG) wird nicht substantiiert dargelegt, dass und - zutreffendenfalls - welche konkreten sachverhaltsbezogenen Behauptungen im Beschwerdeverfahren aufgestellt oder welche im Berufungsbescheid getroffenen beweiswürdigenden Ausführungen bzw. Feststellungen bekämpft wurden, aufgrund derer vom Landesverwaltungsgericht auch ohne einen darauf abzielenden Parteienantrag eine mündliche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen.

20 Auch mit der Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 2016, Ra 2016/08/0075, ist für die Revisionswerberin nichts gewonnen. Der diesem Erkenntnis zugrunde liegende Revisionsfall unterscheidet sich von dem hier zu beurteilenden (u.a.) dadurch, dass in den Zulässigkeitsgründen der zur hg. Ra 2016/08/0075 protokollierten Revision ein konkretes, im Beschwerdeverfahren erstattetes Sachverhaltsvorbringen angeführt wurde, mit dem die Beweiswürdigung des vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides angegriffen wurde, und substantiiert dargestellt wurde, aufgrund welcher Behauptungen und aus welchen Gründen die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, keine mündlichen Verhandlung durchzuführen, unrichtig sei.

21 Demgegenüber wurde in den vorliegenden Revisionszulässigkeitsgründen kein ausreichend konkretes Vorbringen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren erstattet, sodass nicht ersichtlich ist, dass das Landesverwaltungsgericht dadurch, dass es nicht von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes im oben genannten Sinn verletzt hat.

22 Wenn die Revisionswerberin vorbringt, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, zu den Ausführungen des bautechnischen Sachverständigen, auf die sich die Baubehörden erster und zweiter Instanz gestützt hätten, Stellung zu nehmen, und damit eine Verletzung ihres Rechtes auf Gewährung von Parteiengehör behauptet, so zeigt sie mit diesem Vorbringen bereits deshalb keine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. dazu nochmals den oben genannten Beschluss, Ra 2016/05/0076, mwN) auf, weil sowohl der erstinstanzliche Bescheid als auch der Berufungsbescheid Feststellungen über den Inhalt der vom bautechnischen Amtssachverständigen in den Aktenvermerken vom 3. Februar 2016 und vom 21. März 2016 getroffenen Ausführungen enthält und sie daher in den von ihr gegen diese Bescheide erhobenen Rechtsmitteln jeweils auf diese Ausführungen eingehen konnte. Abgesehen davon stellt die Revisionswerberin mit diesem Vorbringen auch nicht dar, welche konkreten Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, läge die behauptete Verletzung des Rechts auf Parteiengehör vor, bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels hätten getroffen werden müssen und weshalb von einer anderen, für sie günstigeren Sachverhaltsgrundlage auszugehen gewesen wäre.

23 Da somit die Revisionswerberin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargelegt hat, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

24 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die vom Gemeinderat angesprochene Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen der anzuwendenden Verordnung bereits berücksichtigt ist.

Wien, am 26. April 2017

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