Normen
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 3. Mai 2016 wurde der Erstmitbeteiligte schuldig erachtet, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Zweitmitbeteiligten und damit als zur Vertretung nach außen befugtes Organ zu verantworten, dass, wie anlässlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates Graz am 26. August 2015 um ca. 11.00 Uhr auf der Baustelle N.G. festgestellt worden sei, der Arbeitnehmer A in der ca. 3,8 m tiefen Baugrube mit lehmartiger Wand innerhalb der bereits verbauten Betonringe Arbeiten durchgeführt habe, wobei der Böschungswinkel ca. 90 Grad Grad betragen habe und die Oberkannte der verbauten Betonringe ca. 80 cm unterhalb der Grubenoberkannte gelegen seien, die Baugrube also betreten worden sei, bevor Sicherungsmaßnahmen im Sinne des § 48 Abs. 2 BauV durchgeführt worden seien, obwohl Baugruben, Gräben oder Künetten nur betreten werden dürften, wenn Sicherungsmaßnahmen nach § 48 Abs. 2 BauV getroffen worden seien. Der Erstmitbeteiligte habe dadurch § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG iVm § 48 Abs. 7 BauV übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 2.490,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) verhängt wurde. Die Zweitmitbeteiligte hatte für die im Spruch verhängte Strafe somit Kosten zur ungeteilten Hand.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde haben die Mitbeteiligten unter anderem vorgebracht, zur Vorbereitung des Bauvorhabens sei es ein paar Tage vor Baubeginn zu einer Baubesprechung vor Ort gekommen, an der der Bauleiter und der Subunternehmer mit dem Auftraggeber und Liegenschaftseigentümer teilgenommen hätten. Auf Grund der örtlich vorgefundenen Bodenverhältnisse und dem Umstand, dass der Aushub und der Ausbau des Schachtes mit Betonringen bis auf eine Höhe von 3 m ausschließlich von außen mit dem Bagger bewerkstelligt werden sollte, habe der dafür verantwortliche Bauleiter gemeinsam mit dem erfahrenen Subunternehmer entschieden, dass die Grube für den Betonschacht mit einem Sicherheitsabstand von 50 cm rund um die einzubauenden Schachtringe herzustellen sei.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde stattgegeben und die Revision für unzulässig erklärt.
4 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht unter anderem fest, dass für die verfahrensgegenständliche Baustelle, auf der ein Sickerschacht hergestellt werden sollte, Bauleiter R verantwortlich gewesen sein. Dem Erstmitbeteiligten seien drei Bauleiter unterstellt. Es würden wöchentlich zweimal Baubesprechungen durchgeführt, bei welchen technische und rechtliche Fragen der jeweiligen Bauprojekte besprochen würden. Der Bauleiter sei seit 1988 bei der Zweitmitbeteiligten tätig und sei Absolvent eines Baukollegs, außerdem absolviere er laufend Schulungen für technische und sicherheitstechnische Fragen. Weiters sei in der Firma eine Sicherheitsfachkraft tätig, welche den Bauunternehmer bezüglich der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften für die einzelnen Baustellen berate und bei der Evaluierung der Baustellen vorab beigezogen werde. Vorarbeiter auf der konkreten Baustelle sei der später zu Schaden gekommene A, der seit 1997 bei der Zweitmitbeteiligten tätig sei und im Jahr 2013 die Bauarbeiterschulung/Ausbildung absolviert habe. Weiters auf der Baustelle sei der erfahrene selbständige Erdbauunternehmer M gewesen. Die Entscheidung über die konkrete Art der Sicherungsmaßnahmen von einzelnen Baustellenteilen treffe der Bauleiter.
5 In rechtlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht die vorgeworfene Übertretung in objektiver Hinsicht als erfüllt angesehen. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite habe der Erstmitbeteiligte darlegen können, dass er für seine Arbeitnehmer regelmäßig sicherheitstechnische Schulungen durchgeführt habe und in seinem Unternehmen großer Wert auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durch seine Arbeitnehmer gelegt werde. Im Lichte der dazu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes habe der Erstmitbeteiligte also darlegen können, dass er in seinem Betrieb tatsächlich ein wirksames Kontrollsystem eingeführt und betrieben habe, das ein Verschulden unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG ausschließe. Diese Schlussfolgerung werde auch dadurch gestützt, als das Gefährdungspotential der Baugrube im Sinne des § 48 Abs. 2 BauV und damit der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen in rechtlicher als auch in fachtechnischer Sicht durch einen sorgfältig geschulten und fachtechnisch versierten Bauleiter nicht einfach einzuschätzen gewesen sei und das Abbrechen bzw. Abrutschen von Erdreich und das Hineinfallen in das Innere der Schachtringe angesichts der Konfiguration der gegenständlichen Baugrube als äußerst unwahrscheinlich zu betrachten gewesen sei. Ein schuldhaftes Verhalten des Erstmitbeteiligten liege daher nicht vor.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.
7 Die Mitbeteiligten haben die Revision beantwortet und die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision als zulässig, weil weder in dem angefochtenen Erkenntnis noch in den Verfahrensakten ein Kontrollsystem dargestellt worden sei, das den vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur aufgestellten Anforderungen auch nur ansatzweise nahe komme.
9 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
10 Zum Kontrollsystem hat das Verwaltungsgericht festgestellt, der Erstmitbeteiligte habe darlegen können, dass er für seine Arbeitnehmer regelmäßig sicherheitstechnische Schulungen durchgeführt habe und in seinem Unternehmen großer Wert auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durch seine Arbeitnehmer gelegt werde. Es sei eine Sicherheitsfachkraft tätig, welche den Bauunternehmer bezüglich der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften für die einzelnen Baustellen berate und bei der Evaluierung der Baustellen vorab beigezogen werde. Der Vorarbeiter habe im Jahr 2013 die Bauarbeiterschulung/Ausbildung absolviert.
11 Damit gelang es dem Erstmitbeteiligten freilich nicht, ein wirksames Kontrollsystem darzulegen, weil nach der Rechtsprechung Schulungen und Betriebsanweisungen als Vorsorge gegebenenfalls ein Kontrollsystem zu unterstützen, aber nicht zu ersetzen vermögen. Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen ebenfalls nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen (vgl. etwa VwGH vom 7. März 2016, Zl. Ra 2016/02/0030). Auch ersetzt der Hinweis auf bisher tadelloses Arbeiten von Mitarbeitern nicht die nähere Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems, das gewährleistet, dass unter vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwartet werden kann (vgl. zu einem Verfahren betreffend die Übertretung des AWG VwGH vom 24. Jänner 2013, Zl. 2012/07/0030).
12 Entgegen dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht von einem wirksamen Kontrollsystem und davon ausgegangen, dass den Erstrevisionswerber kein Verschulden trifft. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 19. April 2017
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