VwGH Ra 2017/02/0022

VwGHRa 2017/02/002220.2.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision 1. der P und

2. der A GmbH, beide in G, beide vertreten durch die Schwartz Huber-Medek & Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 19. April 2016, LVwG-1-305/2015-R2, betreffend Übertretung nach dem Vorarlberger Wettengesetz (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: BH Dornbirn), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 2. November 2015 wurde die Erstrevisionswerberin als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene der zweitrevisionswerbenden Partei der Übertretung des § 15 Abs 1 lit c iVm § 1 Abs 6 des Gesetzes über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten und die Vermittlung von Wettkunden (Vorarlberger Wettengesetz) für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,- (im Falle der Uneinbringlichkeit 33 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt, weil sie zu verantworten habe, dass die Teilnahme an einer verbotenen Wette ermöglicht worden sei. Weiters wurde die Haftung der zweitrevisionswerbenden Partei ausgesprochen.

2 Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde, in der sie die Schaffung und Wirksamkeit eines Kontrollsystems darstellten und damit ihr mangelndes Verschulden aufzuzeigen versuchten. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, die zweitrevisionswerbende Partei habe im Juli 2015 das Softwaresystem auf allen ihren Wettgeräten umgestellt. Das ursprüngliche "ON/OFFLINE-System", in dem die Verbindung mit dem Internet nur für den Datentransfer (zB Übermittlung der Wettdaten, Aktualisierung von Wettergebnissen) aufgebaut werde, das System aber ansonsten offline sei, habe sich in der Praxis als nicht mehr zeitgemäß erwiesen. Dies insbesondere deshalb, weil dieses System es erforderlich gemacht habe, dass in jeden Wettterminal bzw in jede Wettkassa eine kleine Datenbank eingebaut werde, die vorübergehend Daten speichere. Das neue System sei nun ein reines "ONLINE-System". Es befinde sich keine Datenbank mehr auf dem Gerät. Alle Daten würden sofort an die Zentrale der zweitrevisionswerbenden Partei weitergeleitet. Durch das Fehlen einer Datenbank in den Geräten sowie dadurch, dass die Verbindung zur Zentrale nicht mehr ständig auf- und abgebaut werden müsse, könnten Systemfehler minimiert werden. Dieses neue "ONLINE-System" sei auch kurz vor der Kontrolle am 18. Juli 2015 eingespielt worden. Dabei sei offenbar übersehen worden, auf dem Gerät, das den in Rede stehenden Wettschein ausgestellt habe, die Sperre von Live-Wetten (ausgenommen auf das Endergebnis) zu aktivieren. Dass auf dem Gerät auch andere Live-Wetten als auf das Endergebnis möglich gewesen seien, sei kurz nach der behördlichen Kontrolle vor deren Bekanntwerden bei einer routinemäßigen Überprüfung bemerkt und die Sperre umgehend aktiviert worden.

3 Das eingerichtete Kontrollsystem stelle den der Bewilligung entsprechenden, fehlerfreien Wettablauf sicher. Es basiere auf Kontrollen besonders geschulter Mitarbeiter, externen Kontrollen und neuester Technologie. Die Geräte und Systeme würden laufend von besonders geschulten Mitarbeitern vor Ort kontrolliert. Zusätzlich fänden regelmäßig unangekündigte Kontrollen durch externe Kontrolleure statt, welche den ordnungsgemäßen und rechtskonformen Betrieb der Geräte überprüften. Dazu komme, dass sich alle Geräte auf dem neuesten Stand der Technik befänden. Diese Technik werde regelmäßig auf ihre Funktionstauglichkeit überprüft. All diese Kontrollmechanismen liefen bei den handelsrechtlichen Geschäftsführern der zweitrevisionswerbenden Partei zusammen, die das Kontrollsystem sowie dessen Befolgung überwachten. Damit sei den Anforderungen des Verwaltungsgerichtshofes an ein funktionsfähiges Kontrollsystem Genüge getan. Die beschwerdegegenständliche Wette habe nur aufgrund eines Softwarefehlers abgeschlossen werden können. Dieser Fehler sei durch das Kontrollsystem zeitnah entdeckt und behoben worden. Es seien durch die verantwortlichen Organe der zweitrevisionswerbenden Partei umfassende Vorkehrungen getroffen worden, welche die Einhaltung der Bestimmungen des Wettengesetzes mit guten Gründen erwarten ließen. Dies schließe Verschulden aus und eine Bestrafung sei mangels Verschulden nicht zulässig. Das System habe bereits seit mehreren Wochen fehlerfrei funktioniert. Ohne Hinweis der Behörde sei der Fehler aufgefallen und sofort behoben worden. Dies beweise die Wirksamkeit des Kontrollsystems. Seit der Behebung des Fehlers sei es nicht mehr möglich eine Wette wie die beschwerdegegenständliche abzugeben. Dies werde auch zuverlässig überprüft.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde keine Folge und bestätigte das Straferkenntnis. Im Übrigen sprach es aus, es sei ein Kostenbeitrag zu leisten und die Revision sei gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das von der zweitrevisionswerbenden Partei eingerichtete Kontrollsystem jedenfalls nicht geeignet gewesen sei, die gegenständliche Übertretung zu verhindern.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7 Die BH Dornbirn hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die vorliegende Revision ist zulässig und berechtigt:

12 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Einrichtung von Kontrollsystemen ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist (vgl. etwa VwGH vom 7. März 2016, Ra 2016/02/0030, mwN).

13 Zunächst sind die revisionswerbenden Parteien darauf zu verweisen, dass sich (betriebliche) Kontrollsysteme in der Regel nicht gleichen und daher einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte.

14 Ob dies der Fall ist, kann nur auf der Grundlage des fallspezifischen Sachverhaltes beantwortet werden.

15 Abgesehen davon, dass es nach der dargestellten Rechtsprechung nicht nur darauf ankommt - wie das Verwaltungsgericht unzutreffend meint -, dass ein Kontrollsystem geeignet sein müsse, eine Übertretung zu verhindern, kommt es vielmehr auch darauf an, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist, und hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellungen zu dem von den revisionswerbenden Parteien dargestellten Kontrollsystem getroffen. Die Überprüfung dieser Rechtsfrage im Rahmen der oben dargestellten Kriterien zur Zulässigkeit der Revision im Einzelfall ist dem Verwaltungsgerichtshof mangels eines Sachverhaltsubstrates daher verwehrt.

16 Das angefochtene Erkenntnis war aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.

18 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Februar 2017

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