Normen
ARB1/80 Art13;
FrPolG 2005 §25;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §41a;
VwRallg;
ARB1/80 Art13;
FrPolG 2005 §25;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §41a;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine türkische Staatsangehörige, stellte am 1. Juli 2014 bei der österreichischen Botschaft in Ankara persönlich einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" und berief sich auf ihre Ehe mit B C, ebenfalls türkischer Staatsangehöriger, der auf Grund einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist.
2 Mit einem von der österreichischen Botschaft ausgestellten und bis zum 15. Juli 2015 gültigen Visum D reiste die Revisionswerberin nach Österreich ein.
3 Der Landeshauptmann von Steiermark wies den Antrag mit Bescheid vom 22. Oktober 2015 ab und führte begründend aus, es habe sich anlässlich einer Vorsprache bei der Behörde im April 2015 herausgestellt, dass der Ehemann der Revisionswerberin seit 2. April 2015 nicht mehr beschäftigt gewesen sei und daher eine wesentliche Erteilungsvoraussetzung nicht mehr vorliege. Bis zum Ablauf des Visums sei es dem Ehemann der Revisionswerberin nicht mehr möglich gewesen, einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen. Die Revisionswerberin sei trotz Ablauf des Visums in Österreich verblieben und halte sich mit ihrem mittlerweile geborenen Kind rechtswidrig in Österreich auf.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin sei nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Visums in Österreich verblieben und habe somit gegen die in § 21 Abs. 1 zweiter Satz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) normierte Verpflichtung, die Entscheidung über ihren Antrag im Ausland abzuwarten, verstoßen. Auch eine Abwägung gemäß § 21 Abs. 3 NAG - unter Berücksichtigung ihres mittlerweile in Österreich geborenen Kindes - habe ergeben, dass es der Revisionswerberin nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Visums zumutbar gewesen sei, aus dem Bundesgebiet auszureisen und das Verfahren im Ausland abzuwarten.
6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. den hg. Beschluss vom 10. Februar 2015, Ra 2015/02/0016, uva.).
7 Die Revision führt in ihrer Zulassungsbegründung aus, dass aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ARB) die für die Revisionswerberin günstigeren Vorschriften des Fremdengesetzes vor den Änderungen durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in dem ein zweistufiges Verfahren vorgesehen sei, anzuwenden seien. Demnach sei ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zwar weiterhin bei der Vertretungsbehörde im Ausland einzubringen, welche diesen sodann - wie auch gemäß der bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtspaketes 2005 geltenden Rechtslage - an die zuständige Niederlassungsbehörde im Inland weiterzuleiten habe. Dabei überprüfe diese (erstmalig) die Erteilungsvoraussetzungen, um bei deren Vorliegen der Vertretungsbehörde gemäß § 23 Abs. 2 NAG aufzutragen, ein Visum D nach § 25 Fremdenpolizeigesetz 2005 auszustellen. Damit könne der Antragsteller ins Inland reisen, um hier binnen sechs Monaten den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 23 Abs. 3 NAG bei der Behörde zu beheben. Die Niederlassungsbehörde sei dabei nicht an ihre gemäß § 23 Abs. 2 NAG ergangene Mitteilung gebunden, sondern überprüfe vor Ausfolgung und somit Zustellung ein weiteres Mal, ob die Erteilungsvoraussetzungen weiterhin vorlägen, wobei der Antragsteller keine Rechte aus der Anweisung an die Botschaft ableiten könne. Im Fall der Revisionswerberin sei jedoch mit diesem im NAG neu geschaffenen zweistufigen Erteilungsverfahren eine unzulässige Einführung neuer Maßnahmen, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der wirtschaftlichen Freiheiten durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen würde, die für ihn gegolten hätten, als das Zusatzprotokoll in Bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten sei (Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15. November 2011, C- 256, "Dereciua."), erfolgt.
8 So habe zwar auch das Fremdengesetz 1997 vorgesehen, dass Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise grundsätzlich bei einer Berufsvertretungsbehörde im Ausland zu stellen seien, welche diese an die zuständige Behörde weiterzuleiten gehabt habe, und die Entscheidung im Ausland abzuwarten sei. Nachdem die zuständige Behörde das Vorliegen aller Voraussetzungen geprüft habe, habe sie die Vertretungsbehörde jedoch nicht zur Ausstellung eines Einreisevisums angewiesen, sondern vielmehr zur Ausstellung des beantragten Aufenthaltstitels, die diesen an den sich im Ausland befindenden Antragsteller auszufolgen und somit zuzustellen gehabt habe.
9 Damit zeigt die Revision zunächst deswegen keine Rechtsfrage auf, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil das Verwaltungsgericht die Antragsabweisung darauf stützt, dass die Revisionswerberin gegen die in § 21 Abs. 1 zweiter Satz NAG normierte Verpflichtung, die Entscheidung über ihren Antrag - nach Ablauf der Gültigkeit des Visums - im Ausland abzuwarten, verstoßen habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Fremde, die mit einem Visum in das Bundesgebiet eingereist sind, nicht berechtigt, die Entscheidung über einen - wenngleich im Ausland gestellten - Antrag über den Ablauf der Gültigkeit des Visums hinaus im Inland abzuwarten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 2006, 2006/18/0341, und - in Bezug auf ein Visum D - vom 28. April 2008, 2007/18/0395, sowie vom 19. November 2003, 2002/18/0049).
10 Weiters hat sich mit der von der Revisionswerberin dargestellten Änderung der Rechtslage mit dem Fremdenrechtspaket 2005 an dem Erfordernis, dass zum Zeitpunkt der Erteilung des beantragten Titels sämtliche Erteilungsvoraussetzungen vorliegen müssen, nichts geändert. Dass die Antragstellerin nunmehr, nachdem sie ein Visum zur Einreise gemäß § 25 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erhält, den beantragten Aufenthaltstitel, auf dessen Ausstellung sie bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen einen Rechtsanspruch hat, bei der Niederlassungsbehörde im Inland abzuholen hat und in diesem Zeitpunkt das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen geprüft wird (vgl. zu den rechtlichen Wirkungen der Ausfolgung des Aufenthaltstitels als Karte durch die Verwaltungsbehörde das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, 2012/22/0206), stellt keine Schlechterstellung im Sinn des Art. 13 ARB dar.
11 Zum weiteren Revisionsvorbringen, wonach das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 21 Abs. 3 NAG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, ist auszuführen, dass diese Abwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. den hg. Beschluss vom 19. April 2016, Ra 2016/22/0003 und 0004, uva.) und die Revision nicht aufzeigt, dass die erfolgte Interessenabwägung des Verwaltungsgerichtes - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - nicht im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat- zurückzuweisen.
13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. Februar 2017
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